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fügen. In vielen Regionen Deutschlands arbeiten
regionale ADHS-Netze (siehe www.zentrales-adhs-
netz.de), hier ist unsere Region leider ein weißer
Fleck.
Medikamente sind nicht alles
Nach einer sorgfältigen und umfassenden Di-
agnostik benötigt ein kleiner ADHS-Patient ein
gezieltes, maßgeschneidertes und individuelles
Behandlungsprogramm unter Einbezug der ge-
samten Umwelt. Nur so kann die Voraussetzung
für eine Besserung der Lebenssituation von Kind
und Familie geschaffen werden – zudem ist die
Behandlung aufgrund der Komplexität ein dyna-
mischer Prozess, der eine beständige Beobachtung
und Optimierung erfordert. Die neurobiologischen
Ursachen können ohnehin nicht kuriert werden,
daher gilt die Behandlung immer den Symptomen
mit dem Ziel, die unaufmerksamen, hyperaktiven
oder impulsiven Verhaltensauffälligkeiten zu nor-
malisieren. In der gesamten Fachliteratur wird eine
multimodale Therapie empfohlen, die der Komple-
xität der Störungen gerecht wird. Die wichtigsten
Behandlungen sind die Verhaltenstherapie, die
Psychotherapie, die medikamentöse Therapie und
das Eltern- und Lehrertraining. Eine umfassende
Therapie beginnt in der Regel auch nicht mit dem
Medikament, sondern umfasst folgende Schritte:
1. Aufklärung und Beratung von Patienten, El-
tern und Angehörigen sowie Lehrern:
Im ersten
Schritt wird das gesamt soziale Umfeld auf die
Therapie vorbereitet. Dies betrifft klare Strukturen
und Regeln sowohl im Elternhaushalt als auch in
der Schule. So helfen Eltern klare Orientierungen
in der Erziehung, von positiver Zuwendung über
das Aufstellen notwendiger Regeln bis zur verläss-
lichen Strukturierung des Alltags. Erst wenn die
Eltern die Krankheit verstehen und anerkennen
sowie das weitere erzieherische Umfeld wie die
Lehrerschaft kompetent mit ADHS umgeht, ist eine
zielführende Therapie möglich.
2. Elterntraining mit Familientherapie:
Eltern
„normaler“ Kinder können die Belastungen in der
Familie eines ADHS-Kindes nicht nachvollziehen.
Die Erziehung von ADHS-Kindern stellt Eltern oft
vor immense Herausforderungen und die Bezie-
hung auf eine extrem hohe Belastungsprobe. Hohe
Scheidungsraten oder eine soziale Flucht (Vater in
Arbeit, Mutter in Hausarbeit) sind die Folge. Hier
setzen Elterntraining und Familientherapie an und
helfen Eltern, den Alltag mit dem ADHS-Kind zu
organisieren und auch für Stabilität und Ruhepha-
sen bei den Eltern zu sorgen.
3. Verhaltenstherapie des Kindes bzw. Jugend-
lichen:
In der Verhaltenstherapie sollen Kinder
unerwünschte Verhaltensweisen abbauen und
gezielt neue erlernen. Unter Anleitung eines Psy-
chologen oder Ergotherapeuten erarbeitet das Kind
neue Einstellungen und Verhaltensweisen, die sei-
ne Lebensqualität verbessern.
4. Medikamentöse Therapie:
Erst an dieser Stel-
le – wenn die Maßnahmen bis dahin wenig erfolg-
versprechend waren – setzt die medikamentöse
Therapie ein. Eltern sollten sich detailliert über die
verschiedenen Möglichkeiten und Medikamente
informieren. Am häufigsten werden Medikamente
mit den Wirkstoffen Methylphenidat (wie Ritalin),
Amphetamin oder Atomoxetin verwendet. Diese
Medikamente beeinflussen den Stoffwechsel im
Gehirn und aktivieren dadurch Funktionskompe-
tenzen im Stirnhirn, wodurch die Symptome Un-
aufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität
deutlich gelindert werden. Die Medikamente tra-
gen zu einer Normalisierung des Hirnstoffwech-
sels bei. Es kann daher nicht die Rede von einem
„ruhig stellen“ des Kindes sein, vielmehr werden
die Fehler in den Hirnfunktionen weitestgehend
kompensiert und bahnen dem Kind so den Weg
zu einer besseren, eigenen Verhaltenssteuerung
mit nachfolgendem günstigerem Lernverhalten so-
wie Zusammenspiel mit dem sozialen Umfeld. Bei
manchen Kindern mit stark ausgeprägten Symp-
tomen müssen Medikamente auch von Anbeginn
eingesetzt werden, um anderen Maßnahmen z.B.
der Verhaltenstherapie überhaupt erst zum Erfolg
verhelfen zu können. Die Medikamentengabe ist
nach aktuellem Stand der Wissenschaft bei ent-
sprechender fachlicher Betreuung ungefährlich
und zentraler Bestandteil einer ADHS-Therapie,
sie bewirkt u.a.: deutlich bessere Aufmerksamkeit,
Selbststeuerung, Ausdauer und Konzentration,
besseres Zuhören, sinnvolles Umsetzen des Gehör-
ten, Verständnis für Logik, Zusammenhänge und