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Univ.-Prof. Dr. sc. hum. Dipl. Psych. Manfred Döpfner
Leitender Psychologe am Zentrum für Neurologie
und Psychiatrie der Uniklinik Köln
„Die Diskussion versachlichen“
Interview mit Prof. Dr. Manfred Döpfner
Wieso setzen Sie sich
ausgerechnet mit ADHS
so intensiv auseinander?
Ich setze mich nicht nur mit ADHS
auseinander, aber ADHS bildet seit
mehr als 20 Jahren einen Schwer-
punkt unserer Arbeit hier in Köln.
Der Grund ist einfach: Die Proble-
matik tritt sehr häufig auf. Wir ha-
ben bereits vor über 20 Jahren mit
der Forschung an ADHS begonnen,
damals haben sich noch relativ we-
nig Leute darum gekümmert.
Wie erklären Sie sich, dass trotz
weit reichender wissenschaftli-
cher Erkenntnisse in der Bevölke-
rung noch so viel Unwissenheit zu
ADHS existiert?
Das ist sicherlich
sehr überraschend. Was mich noch
mehr überrascht, als die Unwis-
senheit in der Bevölkerung, sind
die intensiven und oft sehr emo-
tional geführten Diskussionen um
dieses Thema. Ein Teil der Verun-
sicherung in der Bevölkerung und
bei den Betroffenen kommt dann
auch durch sehr emotionalisierte
und ideologisierte Berichterstat-
tungen, die selbst in sogenann-
ten seriösen Medien wie „Welt am
Sonntag“ oder „Frankfurter Allge-
meine Zeitung“ statt finden.
Leben wir in Deutschland in Sa-
chen ADHS besonders hinterm
Mond?
Das glaube ich nicht. Ich
arbeite auch sehr intensiv im euro-
päischen Rahmen und erlebe dort
ähnliche Situationen. In den USA
geht man tendenziell etwas anders
mit diesem Thema um. In den süd-
europäischen Ländern wie Frank-
reich hinterfragt man dieses Kon-
zept hingegen noch viel mehr, als
das in Deutschland der Fall ist.
Wir haben in Brandenburg vergeb-
lich nach einem regionalen Netz
gesucht und auch kaum Selbsthil-
fegruppen entdecken können. Gibt
es eine unterschiedliche Sensibili-
tät in den neuen und alten Bundes-
ländern?
Das nehme ich so nicht
wahr. Auf der Internetseite www.
zentrales-adhs-netz.de sehen Sie,
dass auch die Neuen Bundeslän-
der relativ gut vertreten sind.
Sie arbeiten seit über zwei Jahr-
zehnten an dem Thema ADHS.
Welche großen Erfolge können Sie
verzeichnen?
Insgesamt haben wir
in den vergangenen zwei, drei Jahr-
zehnten im Bereich der Ursachen-
forschung zu ADHS und auch in
der Therapie deutliche Verbesse-
rungen erreicht. Es gibt zwar noch
große Fragezeichen, aber wir kön-
nen bereits viel besser einschätzen,
wie gut einzelne Behandlungsfor-
men wirken. Insbesondere im Be-
reich der Pharmakologie und der
Psychotherapie haben sich sehr
wichtige Hilfen entwickelt, die
auch wissenschaftlich überprüft
wurden.
Gibt es ganz aktuelle Erkenntnis-
se zum Thema ADHS?
Die Wis-
senschaft mahlt meist etwas lang-
samer als z.B. der Journalismus.
In den letzten zwei Jahrzehnten
hat sich sehr stark verfestigt, dass
ADHS über eine deutliche biologi-
sche Wurzel verfügt. Wir wissen
heute, dass genetische Komponen-
ten den größten Anteil an der Ent-
stehung der Störung ausmachen.
Das hatte man vor 20 Jahren noch
anders gesehen. In der letzten Zeit
wird immer deutlicher, das es bei
den Ursachen eine starke Erbe-Um-
welt-Interaktion gibt. Die erblichen
Komponenten erklären nicht allein
oder ausschließlich die Störung,
Umweltkomponenten spielen eine
ebenso bedeutende Rolle. Dabei
kann es sich um das psychosoziale
Umfeld handeln, also wie die Kin-
der aufwachsen. Das können aber
auch Probleme in der Schwanger-
schaft sein. Diese Faktoren schei-
nen sehr eng zusammen zu hän-
gen, aber vieles wissen wir noch
nicht. In der Therapie wird aller-
dings der gute Kurzzeit-Effekt phar-
makologischer
Behandlungen,
aber auch der psychologischen
Behandlung und Verhaltensthera-
pie immer deutlicher. Auch in der
Langzeit-Perspektive wissen wir in-
zwischen, dass sich einiges verbes-
sert hat.
Sie arbeiten direkt mit betroffenen
Familien zusammen. Welche Feh-
ler betroffener aber auch nicht be-
troffener Familien begegnen Ihnen
denn am häufigsten?
Für Eltern ist
oft nur schwer nachzuvollziehen,
dass bei einem Kind mit ADHS so-
wohl biologisch körperliche Fak-