lausebande_2022-03_ebook

46 › Aktuelles Unglück und nachwirkende Defizite ihrer Kinder verantwortlich sind. Das Buch ist im inhaltlichen Sinn kein Vergnügen, es eröffnet letztendlich aber Auswege aus der medialen Inszenierung einer „Happy Family“ hin zu realem Familienglück. Wir sprachenmit der Autorin: Ihr Buch führt Mittelschicht-Müttern auf über 300 Seiten quasi ein systemisches Erziehungsversagen vor, besteht noch Hoffnung für die heutige Kindergeneration? Ich möchte nicht den Müttern den Vorwurf machen. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Die Erziehungsleistung insbesondere unserer Mütter und Väter, aber auch unserer Erzieher und Lehrer wird kontinuierlich abgewertet. Dadurch entsteht ein Vakuum der Wertschätzung und Anerkennung. Das kompensieren vor allem die Mütter, die besonders im Kreuzfeuer der Kritik stehen. Zudemwird uns in unserer Mediengesellschaft vorgegaukelt, wie besonders und toll unser Leben sein muss. Da gehört mindestens ein Kind dazu – und wenn Eltern nur ein Kind haben, wird daraus schnell Prinzessin oder Prinz. Ich war gestern in der Stadt einkaufen und vor mir war ein Knirps an der Reihe, der offensichtlich im September in die Schule kommt. Zum Schulranzankauf war er von beiden Eltern und beiden Großeltern umzingelt und stand vor einer schier unendlichen Auswahl von über 100 Schulranzen-Modellen. Er war völlig überfordert, während sechs Erwachsene ein Modell nach dem anderen inszenierten und begeistert auf ihn einredeten. Der Kauf war ein Familienevent und der kleine Mensch musste sich selbst bei dieser Bagatelle als Zentrum des Universums fühlen. Die Permanenz solcher Erlebnisse verändert Kinder, und das nicht zu ihremVorteil. Niemand blickt gern in den Spiegel seiner Verfehlungen, was macht sie dennoch zuversichtlich, dass Mütter als wesentliche Zielgruppe Ihr Buch auch bis zum Ende durchhalten? Die Erfahrungen meiner Doktorarbeit! Die wurde auch von vielen Müttern gelesen und sie alle sagten mir, dass sie beim Lesen viele „Aha“-Erlebnisse hatten. Das Buch ist letztendlich eine populäre Umsetzung davon. Natürlich Deutschlands Familien steuern immer mehr auf einen Bildungs- und Erziehungsnotstand und gleichsam auf schwindendes Glück zu. So könnte das Fazit eines Buches lauten, dass mit dem Titel „Happy Family“ und einer glücklichen Familie auf dem Cover beim ersten Blick genau das Gegenteil assoziiert. Geschrieben hat es die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Bianca KellnerZotz, die ihrer Doktorarbeit zur zunehmenden Medialisierung des Familienalltags nun ein populäres Buch insbesondere für Eltern folgen lässt. Es hält der heutigen Elterngeneration den Spiegel vor und zeigt auf, wie unser Streben nach sichtbarem Glück und nach Aufmerksamkeit einem tatsächlich erfüllten Familienalltag und Kindeswohl zuwiderläuft. Auch wenn die Verortung im Münchner Bildungsbürgertum nicht immer dem Osten mit einem traditionell stärkeren Frauen- und Mütterbild entspricht, legt das Buch doch für alle Familien offen, wie sehr vor allemMütter für ihr eigenes „Man erkauft sich Selbstwertgefühl“ Interviewmit Bianca Kellner-Zotz zu ihrem Buch „Happy Family“ rund um Fehlentwicklungen in der Erziehung der Kinder, zunehmende Medialisierung des Familienalltags und all dem, was in unseren Familien noch so falsch läuft. Foto: Sabine Pohla

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