lausebande_2022-03_ebook

50 › Aktuelles blets haben seit jeher einen Sperrschutz und eine Alterssicherung. Die Handys liegen immer in der Küche auf dem Fensterbrett, das gilt auch für mein eigenes Smarthphone. Sie haben im Wohnzimmer, am Esstisch oder auf dem Nachttisch nichts zu suchen. Am Ende wird Ihr Buch doch zum Erziehungsratgeber und spricht davon, dass uns abrüsten gut täte – welche fünf Regeln würden Sie zuallererst in jeden familiären Abrüstungsvertrag schreiben? Ichwürde das inRegeln fürMedien und Regeln für denAlltag teilen. Auch die Elternmüssen sich hinterfragen, wie viel Zeit sie mit Handy, Tablet und TV verbringen. Wir haben für uns definiert, dass wir Handy oder Tablet nicht länger als eine halbe Stunde am Stück nutzen. Dann ist Schluss. Der Esstisch ist heilig und frei von digitalen Medien, hier wird der Alltag zusammen besprochen. Es wird nicht vorm TV gedaddelt, wenn in Familie ein Film geschaut wird, dann auch zusammen. Es braucht Inseln für die Familie. Gemeinsame Spiele können das ebenso sein wie Ausflüge in die Natur. Mütter sollten überlegen, wie viele Nachmittage pro Woche sie ihren Kindern Aktivitäten in Vereinen etc. zumuten wollen und ob sie nicht öfter daheim einfach Kinder sein sollten. Für mich wäre aber die wichtigste Abrüstungsregel, nicht so viel im Außen zu leben. Brauchen wir wirklich ein Profilbild oder einen Instagram-Account? Einfach mal eine Woche nichts posten, sowohl Eltern als auch Kinder – und dann einmal schauen, wie sich das aufs Familienleben ausgewirkt hat und ob etwas gefehlt hat. Wie würden Sie mit Blick auf heutige Kinder das Erziehungsproblem, Bildungsproblem und Klimaproblem nach der Größe Ihrer Sorgen sortieren? Als Frau und Mutter sehe ich mein Umfeld und halte das Bildungsproblem für die größte Herausforderung. Die Angepasstheit der jungen Generation macht mir große Sorgen. Eine Gesellschaft kann nur dann Antworten auf große Probleme finden, und dazu gehört auch das Klimaproblem, wenn wir über ein Grundrüstzeug an Bildung verfügen. Da reicht es nicht, Daten auszutauschen und digitalisiert zu sein. Man muss mit Texten umgehen, kritisch hinterfragen, philosophische Fragen dialektisch klären. Wenn wir das endlich wieder annehmen, dann können wir neben dem Klima- auch das Erziehungsproblem lösen. Dann können wir Kinder wieder schreien und toben und spinnen lassen. Wir Erwachsenen sollten unseren Kindern wieder mehr Freiräume geben, ihnen aber nicht alles durchgehen lassen – und schon gar nicht zu sechst mit einemKnirps einen Schulranzen kaufen. Danke für das Gespräch. ... erscheint am 14. März 2022 im Goldmann Verlag Das Thema: Warum die Sucht nach Aufmerksamkeit Familien unter Druck setzt und wie wir uns davon befreien können. Selbst Mutter von zwei Kindern schreibt die Kommunikationswissenschaftlerin darüber, wie sich Familien und deren Entwicklungsvorstufen in Form von Singles, Pärchen, Hochzeitspaaren und „Wir sind schwanger“-Paaren auf immer groteskere Weise medial inszenieren und damit andere, aber vor allem sich selbst, extrem in Stress versetzen. Paare feiern Motto-Hochzeiten, Schwangere forHappy Family von Dr. Bianca Kellner-Zotz dern WLAN im Kreißsaal, Eltern verschicken Save-the-date-Karten zum ersten Schultag ihrer Kinder und schon Zweijährige bekommen zum Geburtstag aufwändige Einhorn-Kuchen samt Themen-Party. Das Spektakel ist zum Normalfall geworden. Wir inszenieren unser Familienleben auf Facebook, Instagram und WhatsApp und tun so, als sei dieser anstrengende Alltag leicht wie eine Seifenblase. Oft sind Mütter das Zentrum dieses meist gut gemeinten, sozialen Überbietungswettbewerbes – bis die Blase platzt. Denn dieses „Aufmerksamkeitsregime“ setzt Familien unter Druck und lenkt vom Wesentlichen ab: dem entspannten und ziellosen Zusammen-Sein, das die Familie zum letzten Rückzugsort in dieser hektischen Welt macht. Dr. Bianca Kellner-Zotz zeigt, wie wir dem Stress entkommen und uns das Familienleben zurückerobern.

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