Während ich diese Zeilen schreibe, hustet und schnieft gefühlt halb Deutschland – inklusive 80 Prozent unserer Familie. Noch eine Woche zuvor hatte ich mich still und leise gefreut, dass wir und insbesondere die Kinder bisher außergewöhnlich virenfrei durch den Winter gekommen sind. Zu früh gefreut. Eines unserer Kinder hat es jetzt so arg erwischt, dass es einen Besuch bei der Kinderärztin und ein Antibiotikum brauchte. Das führte unweigerlich zu der bei uns wenig beliebten Frage: Wer bleibt zu Hause? Erschwerend kommt hinzu, dass dieses Kind älter als elf Jahre ist. Damit ist im deutschen Gesundheitssystem nicht mehr vorgesehen, dass es von den Eltern betreut wird, ganz gleich wie schlecht es ihm geht. Das wiederum führte zu der nicht wirklich beliebteren Frage: Wie vermitteln wir das dem Arbeitgeber? In diesem Fall zog mein Mann den Kürzeren. Ich habe das große Glück, dass wir die Kindkrank-Tage halbwegs fair untereinander aufteilen. Daher geht an dieser Stelle ein großer Orden an all die Chefs und Chefinnen, die mehr oder minder großes Verständnis dafür zeigen, wenn die Kollegin oder der Kollege nicht auf Arbeit kommt, sondern sein krankes Kind pflegt. Einen besonders prächtigen Orden haben mein Chef und meine Kollegen verdient. Ich erwähnte an dieser Stelle schon einmal, dass es Monate gab, in denen ich unsere Kinderärztin öfter gesehen habe als el Chefe. Wenn ich mal wieder einen Kindkrank-Schein abgegeben hatte, kam kein Augenrollen, sondern ein: „Gute Besserung an die Kids. Schau einfach, was du trotzdem schaffst. Den Rest übernehmen wir.“ Kotzende und rotzende Kinder lassen sich viel besser aushalten, wenn zusätzlich nicht noch das schlechte berufliche Gewissen nagt. Trotz großzügiger Home-Office-Regeln stoße ich bei mehreren Kindern manchmal an meine Grenzen. Eine Episode aus der Corona-HomeSchooling-Zeit hat mir das schmerzlich vor Augen geführt. Während die Jüngste auf meinem Schoß quengelte und fragte, wann ich endlich mit ihr spiele, wollte ich noch eine dringende E-Mail fertigschreiben. Sie war durchaus wichtig, es war die Anfrage für ein Editorial in unseren Medien. Unter idealen Bedingungen brauche ich für eine solche Anfrage höchstens zehn Minuten. In diesem Fall habe ich, obwohl ich unter dem Zeitdiktat meiner Jüngsten stand, fast 20 Minuten gebraucht. Als das Kind abends im Bett lag, habe ich mir die E-Mail nochmal durchgelesen, denn ich hatte wider Erwarten eine Absage auf meine Anfrage erhalten. Den Grund fand ich schnell: Meine E-Mail wimmelte nur so von Tipp- und Grammatikfehlern. Ich war also kläglich an Multi-Tasking gescheitert. Und ganz ehrlich: Ich hätte auf eine solche Mailanfrage vermutlich auch nicht anders reagiert. Spätestens seit dieser unglückseligen E-Mail weiß ich, dass Home-Office, wie es mir mein Chef ermöglicht, Fluch und Segen gleichermaßen sein kann. Dazu gehören Kinder, die in der Videokonferenz ungeplant ins Bild huschen, Kinder, die beim Telefonat, das ich nach Feierabend noch annehme, reinreden, Nachtschichten, wenn der Nachwuchs endlich schläft. Und so gibt es Tage, da wünsche ich mir nichts sehnlicher als einen Büroarbeitsplatz, der für meine Kinder unerreichbar ist. An anderen Tagen bin ich froh, wenn ich mich mittags hinlegen und den vom Nachwuchs eingeschleppten Atemwegsinfekt auskurieren kann. Denn ich gehöre aktuell leider zu den 80 erkrankten Prozent der Familie. Lausitz-Mummy: Ein Orden für den Chef.
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