lausebande-03-2025

90 › Titelthema nehmen wollen. Das sind laut Ergebnissen der aktuellen Zeitverwendungserhebung de facto aber deutlich weniger Väter als Umfrageergebnisse zur idealen Zeitverwendung nahelegen. Wir haben in vielen Branchen und Berufen einen Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel, das stärkt die Position von Arbeitnehmenden. Wirkt sich das positiv auf die Familienfreundlichkeit von Unternehmen aus? Es müsste doch in ihrem Interesse liegen, auch Mütter für den Arbeitsmarkt (wieder) zugewinnen. Ja, das tut es auch. Der Fachkräftemangel spielt gut qualifizierten Müttern und Vätern, und das sind ja die meisten, in die Karten. Echte Vereinbarkeit bedeutet aber, dass mehrere Rädchen ineinandergreifen müssen. Da sind nicht nur die Betriebe, da ist auch die Kita gefragt. Und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen heute viele Unternehmen stecken, beschränkt leider auch die Möglichkeiten für eigentlich sinnvolle Investments und Umstrukturierungen. Was macht es mit den Kindern von heute, wenn sie bei ihren Eltern sehen, wie schwer sich Beruf und Familie vereinbaren lassen? Welchen Einfluss hat das auf ihr späteres Lebensmodell? Ach, ich denke, Kinder haben zu allen Zeiten ihre Eltern kämpfen, siegen und teilweise auch scheitern sehen. Dadurch nehmen sie viel für’s Leben mit. Welches „Modell“ sie später für sich selbst wählen, hängt nicht nur von Kindheitserfahrungen, sondern auch von ihrer eigenen Persönlichkeit und ihren eigenen Lebensumständen ab – die können ganz anders aussehen als die der Eltern. Bereits vor knapp 20 Jahren – im Jahr 2007 – veröffentlichte das DJI diese Handlungsempfehlungen: 1. die betriebliche Kultivierung aktiver Vaterschaft, 2. die Verlängerung der exklusiven Vätermonate im Elterngeld und 3. den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung auch in Rand- und Ferienzeiten. Was davon wurde erreicht? Oh, ich denke, von allem etwas – aber nicht genug. Es ist in allen drei Bereichen noch Luft nach oben. Welche Handlungsempfehlungen würden Sie heute geben? Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wird seit Jahrzehnten thematisiert. Warum sich trotzdem noch viel bessern müsste und was genau, das verrät PD Dr. Christina Boll im Interview. Beim Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI) leitet sie die Abteilung „Familie und Familienpolitik“, wo sie vor allem zum wechselseitigen Einfluss von Bildung, Beruf sowie Elternschaft und Familienpolitik forscht. In einer Publikation des DJI von 2023 schrieben Sie: „Die Herausforderungen für Mütter sind heute im Wesentlichen dieselben wie vor 60 Jahren.“ Was ist in den vergangenen 60 Jahren besser geworden und wo sehen Sie noch Nachholbedarf? Frauen können heute oft flexibler arbeiten, die Erwerbstätigkeit von Müttern ist heute in Betrieben und Gesellschaft selbstverständlich. Die institutionelle Kinderbetreuung für unter Dreijährige hat im Vergleich zu vor 60 Jahren einen Quantensprung gemacht. Allerdings haben Mütter heute auch höhere berufliche Ansprüche als Mütter vor 60 Jahren, was auch mit der deutlich besseren Qualifikation heutiger Mütter zusammenhängt. Als Mutter Familie und einen anspruchsvollen Job zu vereinbaren, ist bei kleinen Kindern im Haushalt noch immer schwierig und auch noch nicht überall sozial akzeptiert. Noch immer tragen in vielen Familien Mütter die Hauptlast der Care-Arbeit. Warum dauert es so lange, tradierte Rollenmuster aufzubrechen? Soziale Normen sind zäh, weil sie über die Sozialisation von Generation zu Generation weitergegeben und daher im jungen Alter „erlernt“ werden und weil der politisch-rechtliche und institutionelle Kontext von Familien diese Tradierungen zumindest teilweise noch immer stützt. Da fällt das Ausbrechen schwer bzw. ist oft nicht von Dauer, weil es Menschen wichtig ist, sozial akzeptiert zu werden und zudem auch harte ökonomische Anreize und (fehlende) Gelegenheitsstrukturen entgegenstehen. Ist Vereinbarkeit nur ein Problem der Mütter oder auch der Väter? Natürlich auch der Väter – wenn sie einen substanziellen Teil der Sorge- und Hausarbeit über- (c) Stefan Obermeier München Es braucht unterstützende Männer und „mehr Dorf“

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