lausebande-04-2018

Titelthema :: Seite 45 Die Diagnose Diabetes Typ 1 bekamen wir, als Lotte vier Jahre war. Das war für uns alle ein Riesenschock. Der Anfang war schwer, es gab viele Tränen, die Frage „Warum?“ war ständig im Kopf, mittlerweile haben wir uns mit der Krankheit mehr oder weniger arran- giert. Mit der Diagnose bin ich von Anfang an offensiv umgegangen. Freunde, Erzieher und auch Bekannte müssen davon wissen und warum sollte ich das auch verheimlichen. Lotte kann nichts für ihre Krankheit und soll offen damit umgehen. Sie bekommt durch ihren Diabetes oft eine Sonderstellung, die sie gar nicht haben will, aber aus medizinischer Sicht nun mal benötigt. Sie muss im Grunde 24 Stunden über- wacht werden, trägt ständig eine Insulinpumpe und einen Sensor am Körper, der ihre Werte überwacht undWarnmeldungen bei hohen oder zu tiefenWerten gibt. Bevor Lotte etwas isst, muss der entsprechende, ausgerechnete BE-Wert der Nahrung in ihre Insulin- pumpe eingegeben werden. Zu Hause mache ich das, in die Kita kommt der Pflegedienst zu den Mahlzeiten. Lotte darf auch mal unter Aufsicht selbstständig die Zahlen eintippen. Sie wird ja damit groß und auch selbstständiger im Umgang mit ihrem Diabetes. Mo- mentan ist sie dafür aber noch zu jung und hat auch eine schlechte Eigenwahrnehmung ihrer Werte, die teilweise sehr schwanken. Der Sensor gibt uns große Sicherheit und erleichtert uns den Alltag sehr. Lotte braucht sich dank der Pumpe nicht spritzen, aller- dings muss der Katheter alle 2, der Sensor alle 6 Tage gewechselt werden. Das braucht viel Zuspruch und Verständnis. Das ist nicht angenehm und kleine Ritu- ale, wie Runterzählen, helfen Lotte dabei. Zudemmüs- sen wir mindestens 3 Mal täglich den Blutzucker über einen Piks in Ohrläppchen oder Finger messen. Trotz- dem versuche ich, ihren Alltag so wenig wie möglich einzuschränken, sie darf natürlich gerne was naschen und auchwild rumtobenwie gesunde Kinder. Ich bin von Lottes Papa getrennt und habe 2 Arbeits- stellen, die Organisation des Alltags ist eine große Herausforderung. Insofern bin ich für jede Unterstüt- zung dankbar, Familie und Freunde, insbesondere meine Mama, helfen mir dabei sehr. Auch der Aus- tausch mit der Elterngruppe „MELLIKIDS“ tut sehr gut, andere Betroffene verstehen die Probleme mit Diakindern natürlich umso mehr. Und für Lotte ist es ganz wichtig, dass sie dort sieht: Es gibt auch an- dere Kinder mit Diabetes. Bisher akzeptiert Lotte ihre Krankheit ganz gut, an schlechten Tagen reden wir viel darüber und ich versuche, ihr kindgerecht zu er- klären, was in ihrem Körper nicht richtig funktioniert. Sie meistert es mit Bravour und ich bin sehr stolz auf sie. Im Alltag ist es schwer, die Balance zu finden zwischen der dauerhaft notwendigen, medizinischen Überwachung und der Eigenständigkeit, die Lotte ja ebenfalls braucht. Insofern ist durch die Krankheit auch ein Stück Unbeschwertheit, wie sie eigentlich zu jeder Kindheit gehört, verloren gegangen. Die nächste große Herausforderung ist die bevorste- hende Einschulung. In der Kita klappt es gut und wir haben echt großes Glück mit Lottes Erzieherin, Frau Enke. Sie ist sehr engagiert und hat immer ein beson- deres Auge auf Lotte. Im Sommer kommt Lotte dann in die Schule und da braucht sie in den ersten Jahren noch einen Betreuer, da die Selbstständigkeit im Um- gang mit ihrer Krankheit noch fehlt, noch ist sie zu jung dafür. Besonders beim Sport- und Schwimmun- terricht oder bei Ausflügen braucht sie jemanden, der auf den Blutzuckerwert achtet. Ich habe dafür schon im November eine Einzelfallhilfe beantragt und nun schieben Krankenkasse und Landkreis die Zuständig- keit dafür hin und her. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Ich finde es beschämend, wie hier zwei Institu- tionenmit einer Sechsjährigen umgehen. Von anderen Eltern würde ich mir mehr Offenheit wünschen. Undwir stoßen oft auf Unwissenheit. Sätze die ich nicht hören kann: „Ach, da hat sie wohl zuviel genascht“ oder „das verwächst sich doch“. Darüber ärgere ich mich sehr. Diabetes Typ 1 ist eine chroni- sche lebenslange Krankheit, deren Ursache noch nicht erforscht ist und nicht mit dem sogenannten Altersdi- abetes verwechselt werden sollte. Manchmal werden wir in der Stadt regelrecht angegafft, wenn Lotte Pum- pe oder Sensor sichtbar trägt. Besonders Erwachsene erwische ich oft dabei. Kinder hingegen reagieren entspannter, fragen gerne mal neugierig. Mein größter Wunsch ist natürlich die Heilung der Krankheit, aber das steht in den Sternen.Wir lebenmit dem„Diamons- ter“ und lassen uns nicht unterkriegen. Riccarda Stein mit Tochter Lotte, Spremberg Familien erzählen: Alltag trotz Diabetes Lotte mit ihrer Insulinpumpe

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