lausebande-04-2020

Seite 55 :: Spezial Mutation: der Wettlauf zwischen Viren und Forschern Einmal erfolgreich abgewehrt, stellt ein Virus auf absehbare Zeit keine Gefahr mehr für das Immun- system dar. Dennoch können sich Menschen bei- spielsweise mit einer Influenza auch mehrmals im Leben infizieren. Das wird durch eine heimtü- ckische Eigenschaft einiger Viren ermöglicht: der ständigen Mutation, der sie unterliegen. Mit jeder Vervielfältigung manifestieren sich im Erbgut der Viren-Nachkommen kleine Fehler und Veränderungen. Diese Mutationen sind oftmals so marginal, dass sie für das Erscheinungsbild und die Funktion des Virus praktisch keine Verände- rung bedeuten. Die meisten Mutationen sind sogar schädlich für den Erreger. Über einen längeren Zeitraum verändert sich jedoch das Erscheinungs- bild mancher Viren so sehr, dass sie vom Immun- system des Wirts nicht mehr erkannt werden. Dann muss der Körper die Abwehrreaktion erneut durchlaufen. Das erleben wir jedes Jahr aufs Neue in Form von Grippewellen, für die stets ein neuer Impfstoff hergestellt werden muss. Manchen Viren gelingt es im Laufe ihrer Evolution sogar, anstelle ihrer ursprünglichen Spezies auch auf andere Tierarten überzugehen. Prominen- te Beispiele dafür sind H1N1 – ein Erbgutmix aus Schweine-, Vogel- und Menschengrippeviren (oft als „Schweinegrippe“ bezeichnet), H7N9 und H5N1 („Vogelgrippe“ mit Vögeln als natürlichem Wirt) Mutationszyklus von Viren. (Grafik: lausebande) Virus dringt in den Wirt ein Virus vervielfältigt sich und mutiert dabei Masse an Mutationen über einen längeren Zeitraum Virus verändert Erscheinung und/oder Eigenschaften Virus wird vom Immunsystem nicht mehr erkannt Der Mutationszyklus von Viren. (Grafik: lausebande) sowie HIV, das schon vor dem Befall des ersten Menschen ein Affenvirus war. Die Coronaviren- Abwandlungen SARS-COV-1, MERS-COV und nun auch SARS-COV-2 waren ursprünglich in Vögeln, Kamelen oder Fledermäusen heimisch. SARS-COV-2 gilt als wenig variabel. Bereits sein Vorgänger SARS-COV-1 hat sich durch einen glück- lichen Zufall seinerzeit quasi von allein einge- dämmt. Auch das hat mit laufenden Veränderun- gen und einem eventuell resultierenden Fehler im Erbgut zu tun. Seitdem hat es keine nennenswerte Epidemie mehr verursacht. Beim aktuellen Corona- virus besteht diese Hoffnung mit Blick auf die Aus- breitung in über 160 Länder weltweit nicht mehr, hier muss die Menschheit handeln. Ein Blick in die Glaskugel Im Laufe der Jahrhunderte hat sich ein enormes Wissen rund um Viren entwickelt. Wir merken das an aktuellen Medienberichten, in denen viele Viro- logen unterschiedlicher Forschungseinrichtungen zu Wort kommen. Sowohl die Investitionen vieler betroffener Staaten als auch privates Engagement wie im Fall von Bill Gates haben Wissenschaft und Medizin neue Möglichkeiten verschafft. Hier wurde längst antizipiert, dass durch Bevölkerungswachs- tum, Globalisierung und vielleicht auch durch kli- matische Veränderungen Viren künftig schneller zu einer weltweiten Verbreitung und damit Pan- demie führen können. Wir beobachten in Deutsch- land erstmals, wie sich eine Gesellschaft Schritt für Schritt auf extreme Einschränkungen einlässt, um ältere und schwache Menschen zu schützen. Es ist durchaus vorstellbar, dass in einem oder zwei Jahrzehnten, vielleicht früher, vielleicht später, die nächste Pandemie um die Welt geht. Dann werden wir viel aus SARS-COV-2 gelernt haben, vielleicht international abgestimmte und transparente Pan- demiepläne umsetzen. Vielleicht verfügen wir dann auch über mehr Disziplin und Maßnahmen werden schneller und konsequenter umsetzbar sein, sodass Viren deutlich schneller eingedämmt werden können. Hier können Digitalisierung und entsprechende soziale Systeme, die sicher persön- liche Daten benötigen, mehr Leben retten. Viel- leicht lernt Deutschland gemeinsam mit den west- lichen Industriestaaten von Taiwan, Singapur und anderen Strategien in Asien. »

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