lausebande-04-2020

chend davon verfügbar sind. Aber ein Polizist, der sich in ein Auto beugt, sollte ebenso einen Mund- schutz haben wie das Kassenper- sonal im Supermarkt. Als Lösung hätte ich eine einfache Idee. Un- ser Fußballbundestrainer Jogi Löw hat das im TV vorgemacht. Bei In- terviews hat er einen schwarzen Schal über den Mund gezogen, als er gesprochen hat. Leider nicht hoch genug, weil auch die Nasen- partie bedeckt seinmuss – aber der Ansatz ist richtig. Das müsste man den ganzen Tag in den Nachrichten zeigen. Der Mundschutz hilft. War- um sonst sollte man zwei Meter Si- cherheitsabstand zu anderen Per- sonen halten? Das Virus wird nun einmal durch Tröpfchen übertra- gen. Tragen die Menschen einen Mundschutz, wird das weitestge- hend unterbunden. Nun sind die nicht mehr verfügbar – warumneh- men wir dann nicht einfach einen Schal? Man sollte den Zutritt zu Su- permärkten und anderen Räumen verbieten, wenn Menschen Nase und Mund nicht mit einem Schal bedecken. Verlassen diese den Raum, kann der Schutz wie- Seite 59 :: Spezial der verstorben sind. Die meisten Menschen sind Laien und kön- nen das Problem nicht einordnen. Sie geraten in eine furchtbare Pa- nik. Als Experte verspüre ich Sor- gen auf einer anderen Ebene. Wir haben eine wachsende Epidemie, eine Pandemie. Norditalien ist uns ein bis zwei Wochen voraus, die Schweiz einige Tage. Da kommt eine beunruhigende, große Num- mer auf uns zu. Aber die richtigen Konsequenzen spüre ich nicht. Da gibt es niemanden, weder Vi- rologen noch Wirtschaftswissen- schaftler, die das Handeln in der Welt erkennbar diskutiert und ab- gestimmt haben. Wir rennen eine ganze Wirtschaft in Grund und Boden, dabei gäbe es einfache, schnelle und wirksame Möglich- keiten zum Schutz. Haben Sie einen konkreten Vor- schlag? Ja, den habe ich. Es wird gesagt, wir brauchen keinenMund- schutz. Ich bin Virologin, bei uns hat jeder einen Mundschutz getra- gen. Das mag kein 100%iger Schutz sein. Vielleicht wurde er auch he- runtergeredet, weil nicht ausrei- Ihre Wissenschaftslauf- bahn starteten Sie als Phy- sikerin und wechselten Anfang der 1970er-Jahre in die Virusfor- schung – hilft Ihnen die Physike- rin, manches heute etwas nüchter- ner zu betrachten? Die Physik ist immer noch mein Lieblingsfach. Es stimmt, dass ich Themen seit je- her vergleichsweise nüchtern be- trachte. Ich drücke mich auch un- gern blumig aus und sage es lieber direkt. AlleWelt redet über Corona, Sie for- schen seit 50 Jahren an Viren, teilen Sie die aktuelle Aufregung? Bezogen auf viele Aussagen der Po- litiker, dass alles sehr verhältnis- mäßig sei, was sie da gerade tun, teile ich sie nicht. Das betrifft die weltweite Politik. Ich wünsche mir mehr Diskussion zu verschiedenen Maßnahmen. Worum geht es Ihnen genau? Bei den täglichen Nachrichten über er- neute Todesfälle und die Zustände in der Welt entsteht eine Art Herz- beklemmung. Heute sind es zwölf Menschen, die in Deutschland lei- Prof. Dr. Karin Mölling ist emeritierte Professorin und Direktorin des Instituts für Medizinische Vi- rologie an der Universität Zürich. Sie studierte einst zur Diplom-Physikerin, schloss dann aber ein Studium zur Biochemie und Molekularbiologie an. Seit Beginn der 1970er-Jahre forschte sie u.a. am Max-Planck-Institut und am Robert-Koch-Institut zu Viren. Neben bedeutenden Beiträgen zur Thera- pie des HIV-Virus widmete sie sich ebenso erfolgreich der Krebsforschung. Im Jahr 2014 veröffentlich- te sie das Buch „Supermacht des Lebens – Reise in die erstaunliche Welt der Viren“ und zählt mit 50 Jahren Erfahrung zu den renommiertesten Virologen im deutschsprachigen Raum. Wir sprachen mit ihr über das Corona-Virus, seine Bedeutung für Kinder und Familien sowie ihre Sicht auf Viren als Treiber der menschlichen Evolution: „Zwei Schals und viel Sonne“ Interview mit Virologin Prof. Dr. Karin Mölling »

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