lausebande-04-2020
Kolumne :: Seite 94 lausitzDADDY Innenansichten eines verzweifelten Vaters ersten Pestkranken gemacht, und die wären damit super erfolgreich gewesen. Ich erhielt von meiner bes- seren Hälfte eine zweistündige Hygieneunterweisung, bei der ich aufgrund innerlicher Überforderung schon nach den ersten drei Sätzen ausgestiegenwar. Wussten Sie, dass sich in den meisten Spülbecken pro Quad- ratzentimeter 30.000 Keime tummeln? Bei uns sind es sicher keine drei. Die Kids hatten währenddessen weiter recherchiert. Da wäre doch von Quarantäne die Rede gewesen, früher hätte man die Halbtoten – oja, in nullkommanix wurde aus demwarmherzigen Papa ein halbgares Gammelgemüse – in extra Seuchenhäuser ausgelagert. Wir hätten doch noch den Schuppen hin- termHaus. Da könne ich auch vor mich hinfaulen. Mei- ne Kleine hatte mir ein schönes Umhängeschild gebas- telt. „Bitte nicht füttern, schnappt aus“ stand drauf. Die ganze Familie überlegte sich Namen für mich. Marco Rona war der Favorit, mein Töchterchen fand Schnappi ganz toll – und röcheltemit imitiertemBuckel und bau- melnden Gliedmaßen, während die Kiefer unkkordi- niert auf- und zuschnappten. Mein Junior eröffnete ein Wettbüro auf die Körperteile, die mir abfallen würden. Man konnte Wetten mit höherer Gewinnquote nach der Reihenfolge oder pauschal nach „fällt ab“ oder „fällt nicht ab“ platzieren. Da die deutsche Volksfront sämtlichen Mundschutz aufgekauft hatte, rannte ich mit Tuch vorm Gesicht und Handschuhen im Haus umher. Unser kurzsichtiger Nachbar wusste von nix, und da wir unter der Woche vormittags nie da sind, rief er sofort die Polizei und warnte vor einem maskierten Einbrecher. Als die Kollegen über die Veranda geschli- chen kamen, dachte ich eine Sekunde lang, jetzt gehts wirklich ins Seuchenhaus. Drei Stunden später kam endlich das Testergebnis. Ich hattemich doch nicht an- gesteckt. Boah war ich erleichtert – und alles war noch dran. Ich wollte feiern, ich hatte überlebt und machte einen Hampelmann nach dem anderen. „Seht ihr, nix fällt ab!“ Meine Kids gähnten. Wie unspektakulär. Der Corona-Zombie hatte sich echt gut in der Community gemacht. Niemand unter den Freunden hatte sowas zu Hause. Das Bild „Corona-Zombie-Einbrecher“ hatte auf Instagram über 50.000 Mal gefallen. Wäre mir was ab- gefallen, prognostizierte meine Kleine, wäre das end- lich mal sechsstellig geworden. Aber sie gibt die Hoff- nung nicht auf. Das nächste Corona kommt bestimmt. Euer lausitzDADDY Haben Sie schon einmal einen Zombiefilmge- sehen? Sicher, die sind ja seit einigen Jahren schwer in Mode. Dann wissen Sie auch, mit welchem inneren Widerwillen man eine große Distanz zu diesen Untoten mit Schnappatmung aufbaut. Aber niemand fragt, wie die sich dabei eigentlich fühlen. Seit diesem Frühjahr kann ich da wirklich mitreden – ich war nämlich selbst für zwei Tage auf der Seite des Grauens gefangen und Töchterchen samt Junior hätten mich am liebsten im Schuppen angekettet. Den Grund lieferte das große Thema dieser Tage, der Schreckensvi- rus und eine übereifrige Dame vom Bautzner Gesund- heitsamt. Es war noch ganz am Anfang des deutschen Dramas, als die Lausitz gerade einmal eine handvoll offizieller Angehöriger der neuartigen Corona-Spezies zählte, da klingelte zur besten Fernsehzeit mein Han- dy. Das Gesundheitsamt Bautzen sei dran, es ginge um Corona. Ich hielt das für einen Scherz und sagte spontan auf sächsisch: nu ei verbibbsch, was`n Ge- lummbe, nujoa, an Corona könntsch ma totsaufn. Haha. Schweigen am anderen Ende. Dann mit militärischem Ton: das sei nicht lustig, ich sei eine Gefahr für andere und müsse in Quarantäne. Eine Woche zuvor war ich auf einem Termin unterwegs und hätte dort Kontakt zu einem Corona-Positiven gehabt. So wie die Dame das sagte, klang es wie der erste Kontakt der Mensch- heit zu einem Alien. Die Kids bekommen sonst nie was mit, aber in diesem Moment herrschte in unserem Wohnzimmer eine Stimmung wie in diesen Horrorfil- men, genau eine Sekunde bevor aus dem Nichts der Psycho samt Messer auftaucht. Es war eine kiloschwe- re Stille, der TV war lautlos geschaltet, meine Familie starrte mich an, als wäre ich der neue Quotenzombie aus „The Walking Dead“. Mein Junior googelte mit wichtiger Miene und empfahl, mich einzumauern. Das hätten einige Städte im Mittelalter auch mit den Noch nicht genug gelacht? Alle Kolumnen zum Nachlesen unter www.lausebande.de
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