62 › Titelthema denen gesellschaftlichen Schichten respektvoll miteinander umgehen konnten. Sein Ziel war es, eine Art Leitfaden für ein harmonisches Miteinander zu schaffen, der unabhängig von Stand und Herkunft gültig war. Nach Knigges Verständnis bilden Prinzipien wie Höflichkeit, Respekt, und Anstand das Fundament für gutes Benehmen. Das Werk machte ihn zu einem Vorreiter der modernen Etikette. Viele Passagen daraus haben auch 250 Jahre nach seinem Erscheinen nichts an Aktualität verloren. Höflichkeit, Empathie, Verständnis, gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz im Umgang miteinander täten unserer Gesellschaft auch heute noch gut. Nur einige wenige Aspekte würde man heute so nicht mehr veröffentlichen. So hat er beispielsweise – wie es für seine Zeit typisch war – die Frau am Herd verortet. Von Büchern und Wissenschaft solle sie sich fernhalten, dies würde nur ihre Zeit verschwenden und sie könnte ihren eigentlichen Pflichten nicht mehr ausreichend nachkommen: Haushalt, Kinder und Ehemann. Was man in dem Original-Buch von 1788 vergebens sucht, sind konkrete Benimm-Regeln oder gar Vorgaben, wie das Besteck anzuordnen sei und wie Servietten gefaltet werden. Die Verknüpfung zwischen Knigge und Benimm-Regeln entstand erst im Laufe der Jahrzehnte und ist wohl einigen findigen Lektoren und Verlegern zu verdanken. Heute jedenfalls findet man dutzende Buchtitel mit dem Namen „Knigge“, die eben solche Etikette-Regeln vermitteln. Es gibt sogar eine Deutsche-Knigge-Gesellschaft, die sich dem Erbe Knigges verpflichtet fühlt. Dazu heißt es auf ihrer Homepage zu Knigges Standard-Werk: „Diese Schrift stellt nicht die heute mit seinem Namen verbundene steife Etikette in den Vordergrund, sondern beschreibt, was heute als „Impressionsmanagement" zur Verbesserung des persönlichen Auftretens in der Gesellschaft (…) bezeichnet wird. Die Deutsche-Knigge-Gesellschaft lehnt vor diesem Hintergrund übertriebene, steife Etikette ab. An deren Stelle tritt vollendeter Stil, sichere Kenntnis der aktuellen Umgangsformen, aber auch moralische Selbstverantwortung, sittlich einwandfreies Verhalten sowie ein situativ angemessener toleranter und lockerer Umgang miteinander.“ Ihre Handlungsgrundsätze sind an den Prinzipien des Freiherrn orientiert: Toleranz: Ein wertschätzender Umgang miteinander erfordert vor allem Toleranz für die Bedürfnisse und Gewohnheiten des anderen. Diese Forderungen mit den eigenen Ansprüchen in Einklang zu bringen, ist eine Kunst, die mit dem Wissen um gesellschaftliche Regeln und der Sicherheit im persönlichen Stil gelingen kann. Respekt: Sitten und Bräuche folgen selten rationalen Grundlagen. Insbesondere im interkulturellen Miteinander stoßen wir oft an Grenzen. Der Respekt vor dem anderen, kulturell wie personell, formt den eigenen Charakter und hilft dabei, an sich selbst und miteinander zu wachsen. Aufmerksamkeit: Der Satz „Das war schon immer so“ ist nicht der Schlüssel zum Erfolg. Menschen und Gesellschaft sind einem steten Wandel unterworfen, dem sorgfältige Aufmerksamkeit gebührt. Was gestern gut war, kann heute besser werden. Verlässlichkeit: Das Wissen um verbindliche Regeln im Umgang miteinander vermittelt uns Sicherheit und Verlässlichkeit im Alltag. Die so gewonnene Freiheit können wir nutzen, um uns respektvoll, aufmerksam und tolerant dem Zwischenmenschlichen zu widmen und die wahren Gewinne für Herz und Verstand zu ernten. Im diesen Beitrag abschließenden Interview mit der lausebande verrät Vorstandsmitglied Ina Beyer-Graichen, warum Knigge auch heute noch Adolph Freiherr von Knigge gilt als Vater des guten Benehmens.
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