Sobald diese lausebande erscheint, kann ich Bergfest feiern. Dann habe ich die Hälfte der diesjährigen Fastenzeit geschafft. Jedes Jahr in der Vor-Faschingswoche beginnen die Überlegungen, worauf ich in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag verzichten könnte. Ich hätte da durchaus ein paar tolle Ideen, welchen Dingen ich gut und gerne für sechseinhalb Wochen entsagen könnte: Schmutzwäscheberge, streitende Geschwister, Elternchats, Diskussionen um Hausaufgaben, Diskussionen um Hausarbeit, Diskussionen um Haustiere, zerklüftete Nachtruhe, das morgendliche Weckerklingeln,… All das ist leider sehr unwahrscheinlich, es sei denn ich beantrage eine sechswöchige MutterKind-Kur ohne Kind. Daher habe ich mich dann doch wieder für einen halbwegs realistischen Fastenvorsatz entschieden: Ich verzichte auf Süßigkeiten – Gummibärchen, Schokolade, Kakao, Eis, Torte und Gebäck inklusive. Da Süßkram meine große Schwäche ist, die ich mit ganz viel frischem Obst, Gemüse und Selbstgekochtem zu kompensieren versuche, ist das für mich fast so anspruchsvoll wie eine sechswöchige NichtSchimpfen-Challenge. Erst heute hat das badende Kind beim Sturm-auf-dem-Meer-Spielen einen Großteil des Wassers aus der Badewanne nach draußen befördert. Als ich ahnungslos mit meinem Socken in die Pfütze trat, habe ich leider nicht mit einem „Oh, da hast du heute aber viel Spaß beim Planschen gehabt“ reagiert. Aber ich komme vom Thema ab. In diesem Frühjahr also habe ich mir eine naschi-freie Zeit auferlegt. Und tatsächlich zieht die ganze Familie mit – allerdings mit unterschiedlich ausgeprägter Konsequenz. Mein Mann beispielsweise hat ganz konsequent den Geburtstagskuchen, der ihm auf Arbeit angeboten wurde, nicht gegessen. Er hat ihn stattdessen mit nach Hause gebracht, was zu der Diskussion führte, wer denn jetzt den Fastenvorsatz ausnahmsweise brechen dürfe oder müsse. Und damit wären wir schon bei den Ausnahmen. Wenn wir ganz strikt dem christlichen Vorbild folgen, darf das Fasten sonntags gebrochen werden. Das haben die Kinder so umgemünzt, dass sie ein Mal pro Woche naschen dürfen. Wenn wir also kommenden Samstag wie geplant in die Bundeshauptstadt fahren und dort ein Ice Rolls-Café aufsuchen, dann ist das die ideale Ausrede für die Ausnahme. Die Jüngste dehnt die Anzahl der Ausnahmetage von Woche zu Woche aus. Heute hat sie fast ihr gesamtes Taschengeld für diese Woche in „Schrottmüsli“ angelegt. Darunter fassen wir all jene Frühstücksflocken, die gern als gesundes Müsli verkauft werden, aber genauso viel Zucker enthalten wie Cola. Das Müsli musste sie natürlich zu Hause direkt probieren. Immerhin hatte sie ein schlechtes Gewissen, aber die Lust auf Süßes überwog am Ende. Dennoch bin ich sehr stolz auf jeden Tag, den die Kinder naschi-frei schaffen. Denn ihr Umfeld macht es ihnen nicht eben leicht. Fast jeden Tag bietet die Erzieherin oder der Lehrer Süßkram an, die beste Freundin teilt die Süßigkeiten aus der Brotdose, der Mitschüler bringt Muffins mit, weil er Geburtstag hat, die Klassenkameradin Kippelkuchen, weil sie im Unterricht gekippelt hat. Und in den Supermärkten bitten süße kleine Hasen seit Wochen mit ihrem Dackelblick darum, dass wir sie mit nach Hause nehmen. Auch bei mir hapert es noch ein wenig mit der Konsequenz. Als mir kürzlich bei einem dienstlichen Termin ein ausgesprochen köstliches Stück Torte angeboten wurde, wollte ich nicht unhöflich sein. Der auf einen Mittwoch verlegte Ausnahmetag hat sich gelohnt. Den Kindern habe ich nichts davon verraten. Denn natürlich will ich in Berlin einen weiteren Ausnahmetag einschieben – schließlich sind Ice Rolls die ideale Süßigkeit, um Bergfest zu feiern. Lausitz-Mummy: die Verzichten-Challenge
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