lausebande-04-2025

Titelthema ‹ 53 Ein Scharren, ein Schnaufen und genüssliches Schmatzen – das sind die Klänge eines riesigen Erfolgsprojektes. Mit seinem dicken braunen Fellmantel, einer robusten Haut, die an die 14 Millimeter dick werden kann und einem Gewicht von bis zu einer Tonne streift der Wisent in Freiheit durch Europas Wiesen und Wälder. Der bis zu 1,90 Meter große Europäische Bison ist heute das größte Landsäugetier unseres Kontinents – dabei galt er vor nicht allzu langer Zeit in der Wildnis als ausgestorben. Einst in ganz Europa verbreitet, nahm der Mensch ihm seinen Lebensraum. Einhergehend mit der Jagd war der Wisent zur Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu ausgerottet. Eine kleine Gruppe engagierter Menschen, die 1923 eine Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Europäischen Bisons gründete, schaffte dann doch noch das Unmögliche. Mit den 12 letzten ihrer Art gelang in einem Zuchtprogramm die Rettung des Wisents. Heute sind wieder rund 8.000 Wisente in den Naturlandschaften Europas zu Hause – etwa 130 davon sogar unweit der Lausitz, in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide bei Berlin. Zwar gilt der Europäische Bison noch immer als potenziell gefährdet, doch sein Bestand wächst weiter. Mit seiner Geschichte von Niedergang und Wiederkehr ist der Wisent ein Botschafter für ein globales Problem und gleichermaßen für dessen Lösung. Denn während er mit seiner fast gänzlichen Ausrottung ein mahnendes Beispiel für den nach wie vor dynamisch zunehmenden Rückgang der Artenvielfalt darstellt, spendet er gleichzeitig Hoffnung für eine Kehrtwende zu einer intakten Natur – und das durch einen menschgemachten, erfolgreichen Natur- und Artenschutz. Natur- und Artenschutz bedeutet, die Vielfalt an Pflanzen und Tieren sowie an Lebensräumen zu bewahren und dem zunehmenden Verlust an Biodiversität entgegenzuwirken. All das können wir in diesem Titelthema mit einem Blick auf den aktuellen Zustand unserer Natur und ihrer Artenvielfalt nicht betrachten – deshalb widmen wir uns im Schwerpunkt vor allem der Fauna, also Tieren jedweder Art. Wir werden uns mit der Umweltproblematik des Artenschwundes und seinen Ursachen befassen – vor allem aber werden wir gemeinsam herausfinden, wie jeder von uns auch Teil der Lösung des Problems werden kann. Natur- und Artenschutz beginnt schließlich vor der eigenen Haustür – und sogar dort können wir zu Heldengeschichten wie der des Europäischen Bisons beitragen. Von Glück und Unglück Weniger Glück als der Wisent hatte der Auerochse, dessen spurloses Verschwinden der Mensch durch Bejagung und Vernichtung von Lebensraum bereits vor rund 500 Jahren verursacht hat. Sein Bestand schrumpfte in Deutschland bis 1470 auf einen einzigen Auerochsen, der schließlich im Neuburger Wald in Niederbayern abgeschossen wurde. Der letzte Vertreter seiner Art starb dann 1627 in Polen, heute gilt der europäische Auerochse offiziell als ausgestorben. Auch wenn das Aussterben des Auerochsen bereits eine ganze Weile zurückliegt, macht er als einer von vielen Vertretern auf ein zunehmendes globales Problem aufmerksam: den Artenschwund. Die Wissenschaft dokumentiert diesen inzwischen sehr ausführlich. Von den rund 8 Millionen bekannten Tier- und Pflanzenarten auf unserem Planeten verschwindet alle zehn Minuten eine Art – das sind in einem Jahrzehnt weit über Natur wettrüsten. Das wär's! Ein Plädoyer für mehr Natur- und Artenschutz vor der eigenen Haustür. Wisentjunges in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide. Foto: Ingolf Koenig-Jablonski, Sielmann Stiftung

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