Titelthema ‹ 75 und Pferden entstehen offene Stellen, die ideale Nistplätze für bedrohte Wildbienen bieten. Der Dung der Großtiere bietet Lebensraum für viele Insekten wie Mistkäfer, Pillendreher & Co., die wiederum vielen Vogelarten Nahrung bieten. Hier hat sich in verschiedenen Lebensräumen – von feuchteren Senken und lichten Baumbeständen bis zu kargen Höhen – eine enorme Vielfalt ausgeprägt. Aber wir engagieren uns auch in Waldbereichen, wie dem Görlsdorfer Wald in der Naturlandschaft Wanninchen, in dem Hirschkäfer und Mittelspecht beheimatet sind. Es kommt letztendlich auf das Miteinander und die Vielfalt der Lebensräume an. Vielfältige Lebensräume ziehen eine große Vielfalt an Tieren und Pflanzen nach sich. Wir sollten also sowohl Wälder, als auch halboffene oder offene Landschaften wie Heiden, Trockenrasen oder Seen und Flussauen erhalten und pflegen. Das ist auch unser Stiftungsmotto: Vielfalt ist unsere Natur! Wo sollte Natur- und Artenschutz Ihrer Meinung nach ansetzen – zuerst auf regionaler Ebene oder sollten Schutzmaßnahmen gleich global angegangen werden? Beides hängt untrennbar miteinander zusammen! Daher wird auch vom Großen – wie bei dem weltweiten Übereinkommen über die biologische Vielfalt – bis zum „Kleinen“ – wie zum Brandenburgischen Maßnahmenprogramm zur biologischen Vielfalt – heruntergebrochen. Für die Menschen vor Ort ist die Sichtbarkeit der Maßnahmen und ihres Erfolgs besonders wichtig. Sie wollen sehen, dass die Natur vor ihrer Haustür mit den typischen Tier- und Pflanzenarten erhalten bleibt – ob das nun seltene Arten, wie den Wiedehopf, oder früher häufige, wie Star oder Feldlerche, betrifft. Wenn wir über bedrohte Arten reden, sind die gängigen Beispiele fast immer Säugetiere wie Panda, Nashorn und Co. – ist dieser Fokus auf Säugetiere gerechtfertigt? In unserer Naturlandschaft Wanninchen machen wir in Anspielung auf die bekannten „Big Five“ in Afrika ganz bewusst Werbung für die „Small Five“. Wer kennt schon sandbewohnende Insekten wie den Sandohrwurm oder den Wiener Sandlaufkäfer? Das ist aber eher für die interessierte Öffentlichkeit. Die breite Öffentlichkeit erreichen auch wir schlichtweg leichter mit Arten, die Fell und Federn haben. Diese „Sympathieträger“ liegen den meisten Menschen einfach eher am Herzen als z. B. kleine, unscheinbare Käferarten. Mit dem Schutz der Lebensräume dieser „attraktiven“ Schirmarten, wie in unserem Fall des Wisents, können wir allerdings sehr viel für den Erhalt der zahlreichen, nicht so prominenten Arten tun. Insofern ist es richtig, die Bedeutung der Biodiversität über solche Arten zu transportieren – wenngleich die Bedrohung leider die meisten Artengruppen, ob groß oder klein, attraktiv oder unscheinbar, betrifft. Wir werden durch die Medien immer wieder mit dem kritischen Zustand unserer Natur und dem massiven Rückgang der Artenvielfalt konfrontiert. Wie erklären Sie sich, dass wir trotz allgemeiner Kenntnis der Problematik des Artensterbens Lösungen immer auf die lange Bahn schieben? Oft reagieren wir als Menschen eben erst, wenn die Probleme uns unmittelbar betreffen. Leider sind es seit Jahren immer wieder andere Themen, die unserer Gesellschaft als wichtiger erscheinen. Krankheiten in der Corona-Pandemie, dann Inflation, aktuell Kriege waren und sind überlagernde Themen, die Menschen direkt erfassen und stärker berühren können. Auch Klimaschutz ist eingängiger. Wenn 2038 der letzte Gletscher in Deutschland verschwindet, Temperaturen steigen oder in Brandenburg vermehrt Wälder brennen, wirkt das einfach unmittelbar. Biodiversität und das Netz des Lebens sind da deutlich schwerer zu vermitteln. Es braucht oft lange, bis wir merken, dass uns wichtige Funktionen der biologischen Vielfalt verloren gehen – angefangen bei der Lebensqualität, wenn die Lerche nicht mehr über dem Feld singt, bis hin zu ganz praktischen Aspekten wie der Herstellung von Medikamenten. Wenn Arten nach und nach verschwinden, werden Auswirkungen nicht sofort spürbar, aber auf lange Sicht wird das Netz des Lebens immer brüchiger und verliert irgendwann den Zusammenhalt. Leider schadet die schleichende und langfristige Entwicklung der Aufmerksamkeit im Moment – trotz Zunahme der Dringlichkeit beim Artenschwund. Wir haben es mit einer Aufmerksamkeitstreppe zu tun, in der aktuelle Ereignisse meist oben stehen und das Engagement der Menschen binden. Letztendlich entscheidet Klimaschutz darüber, wie wir künftig leben. Aber Biodiversität entscheidet darüber, ob wir als Menschen überhaupt überleben können. Gerade künftige Generationen werden die Konsequenzen der aktuellen Umweltzerstörung und des Artensterbens schultern müssen – eine frühzeitige Begeisterung für den Natur- und Artenschutz ist für sie demnach besonders
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