lausebande-05-2018

Titelthema :: Seite 54 mäßig mit einer zweiten Sprache in Kontakt kom- men, diese später so gut wie ein Muttersprachler beherrschen. Alle anderen würden immer an ihrem Akzent erkannt. Dem gegenüber stehen jene Forscher, die sagen: Es ist zunächst einmal wichtig, dass das Kind in sei- ner Muttersprache gefestigt ist, damit es am Ende nicht zwei „Halbsprachen“ spricht, von denen es keine vollkommen beherrscht. Diese Forscher meinen ebenfalls: Entscheidender als das Alter ist die Intensität, mit der man eine Sprache lernt. Je mehr und intensiver man Kontakt hat mit der zu erlernenden Fremdsprache, desto größer die Ler- nerfolge. Will heißen: Wer mit 25 in Mexiko seine große Liebe findet und dort bleibt, wird nach eini- gen Jahren besser Spanisch sprechen als Kinder, die bereits seit dem Kindergartenalter Spanisch ler- nen, denen aber der regelmäßige Kontakt zu Mut- tersprachlern fehlt. Auch die Frage nach einem „Sprachlernfenster“, das sich irgendwann schließt, wird kontrovers dis- kutiert. Studien deuten darauf hin, dass es sensible Phasen in der frühen Kindheit gibt, in denen das Erlernen einer Fremdsprache einfacher gelingt. Gegner dieser Theorie sagen: Kleinkinder lernen Fremdsprachen nur deswegen so gut, weil sie dies in einer perfekten Umgebung tun können. Sie müs- sen sich nicht noch um andere Dinge wie Schule oder Arbeit kümmern, sie haben einen hervorra- genden Betreuungsschlüssel und viel Zeit. Einige Wissenschaftler sagen, dass man vor dem 6. Geburtstag mit dem Erlernen einer Fremdspra- che beginnen sollte, um sie möglichst perfekt zu beherrschen. Die Fähigkeit, eine Fremdsprache akzentfrei zu erlernen, würden Kinder schon sehr früh verlernen, spätestens mit ca. 18 Monaten, ver- mutlich schon eher. Das Gehirn nimmt dann feine Unterschiede in der Aussprache nur in der ihm ver- trauten Sprache wahr. Das erklärt z.B., warum Chi- nesen „l“ und „r“ nicht unterscheiden können. In ihrer Sprache ist es einfach nicht notwendig. Einigkeit herrscht zumindest darüber, dass die Kinder mit zunehmendem Alter bestimmte Dinge schwieriger lernen: Das ist zunächst die Ausspra- che, etwa ab der Pubertät fällt auch das Erlernen von Grammatikregeln schwerer. Vokabeln pau- ken dagegen schaffen auch Erwachsene noch gut. Einig ist sich die Wissenschaft auch, dass das menschliche Gehirn durchaus dafür gemacht ist, Warum eine Fremdsprache lernen? Kinder, die mit fremden Sprachen in Kontakt kom- men, profitieren auf mehreren Ebenen: Wer fremde Sprachen kennenlernt, der befasst sich auch mit fremden Kulturen, Sitten, Bräuchen. Das fördert die Toleranz. Man lehnt nicht mehr automatisch ab, was anders ist oder was man nicht kennt bzw. versteht. Kommen Kinder häufig mit fremden Spra- chen in Kontakt und haben sie Freunde aus ande- ren Kulturkreisen, dann werden sie weltoffener. Nicht umsonst gilt Mehrsprachigkeit als friedens- stiftend. Kinder wagen durch fremde Sprachen den sprichwörtlichen Blick über den Tellerrand. Sie üben Einfühlungsvermögen, können sich eher in andere hineinversetzen. Interkulturelle Kompetenz gilt ohnehin als Schlüs- selqualifikation im späteren Berufsleben. Insofern profitieren sprachlich fitte Bewerber doppelt: Vie- le Arbeitgeber verlangen von ihren Mitarbeitern, dass sie mindestens eine Fremdsprache gut beherr- schen, in der Regel Englisch. In bestimmten Bran- chen oder Regionen, wie der Lausitz, können auch andere Sprachen gefragt sein, z.B. Russisch oder Tschechisch. Darüber hinaus deuten Studien darauf hin, dass Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, durch den ständigen Wechsel zwischen zwei Sprachen auch in anderen Situationen mehrere Aufgaben parallel bewältigen können und dass sie später weniger an Alzheimer erkranken. Wer mehr als eine Sprache spricht, wird flexibler im Kopf. Fremdsprachen kit- zeln eine Art kognitive Reserve hervor. Einige Stu- dien deuten darauf hin, dass diese Kinder kreativer sind und eher in der Lage, abstrakt zu denken. Das allgemeine Sprachbewusstsein wird ebenfalls geschult. Wer schon früh regelmäßig mit einer fremden Sprache in Kontakt kommt, entwickelt ein besseres Verständnis für sprachliche Strukturen wie grammatische Regeln. Das kann später das Er- lernen weiterer Sprachen erleichtern. Gibt es das perfekte Alter zum Sprachenlernen? Es gibt also jede Menge guter Argumente für das Sprachenlernen. Wann aber sollte es damit losge- hen? Hier ist die Wissenschaft uneins. Es gibt jene Forscher, die sagen: Je früher ein Kind mit dem Sprachenlernen beginnt, desto besser wird es diese später beherrschen. Einige meinen sogar, dass nur Kinder, die schon vor dem ersten Geburtstag regel-

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