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Titelthema :: Seite 59 von 2002: „Unter dem Stichwort einer neuen Ver- antwortungsteilung wird in der Bürgergesellschaft mehr bürgerschaftliche Verantwortung von den Bürgerinnen und Bürgern erwartet (…) Formen der Selbstverpflichtung werden umso notwendiger, je stärker sich der Staat von geltenden Regelungs- ansprüchen zurückzieht und Aufgaben, die nicht staatlich geregelt werden müssen, bürgerschaftli- chen Akteuren überantwortet.“ Die Gefahr dahinter: Der Staat zieht sich immer mehr zurück: „Die wichtige Ressource Engagement wird jedoch missbraucht, wenn sie – institutionali- siert und auf Dauer berechnet – dazu dient, die Lö- cher in den Etats der öffentlichen Daseinsvorsorge zu stopfen und Mängel lediglich zu verwalten, statt sie zu beheben“, warnt die Politologin und Journa- listin Claudia Pinl in einem Aufsatz. Daher ist es wichtig, dass Engagement freiwillig bleibt und keine regulären Arbeitsplätze ersetzt. Weil Ehrenamt trotz allem etwas Schönes ist, weil es zufrieden machen kann, weil gerade Kinder und Jugendliche daran wachsen können, wollen wir uns auf den kommenden Seiten genau diesem The- ma widmen: Wo können sich Schüler engagieren? Was haben sie davon und was sollten sie dabei be- achten? Begriffsklärung Der Begriff des Ehrenamts ist nicht ganz eindeutig, er konkurriert mit Begriffen wie Freiwilligenarbeit, bürgerschaftlichem bzw. zivilgesellschaftlichem En- gagement. Je nach Definition werden auch Vereins- mitglieder ohne Amt oder Funktion dazugezählt. Darüber hinaus gibt es die gesetzlich geregelten Freiwilligendienste wie den Bundesfreiwilligen- dienst (Bufdi), das Freiwillige Soziale Jahr oder das Freiwillige Ökologische Jahr. Sie unterscheiden sich durch andere gesetzliche Grundlagen, die Zahlung eines Taschengeldes und die zeitliche Befristung vom klassischen Ehrenamt, das meist neben Schu- le oder Beruf ausgeübt wird, während Bufdis in der Regel eine Vollzeitstelle ausfüllen. Wir verstehen im folgenden unter Ehrenamt je- nes Engagement, das freiwillig, unentgeltlich, Redaktion: Anett Linke Helden des Alltags Von Feuerwehr bis Sportverein: Kinder im Ehrenamt Sie sind die heimlichen Helden des All- tags. Während andere die Beine hochle- gen und den Fernseher einschalten, trai- nieren sie die D-Jugend des lokalen Fußballclubs, trösten sie als Seelsorger Menschen in schweren Stunden, lesen sie in Kitas Bücher vor. Ehrenamt- liche sind eine elementare Stütze unserer Gesell- schaft. Ohne freiwilliges, unbezahltes Engagement würde unsere Gesellschaft nicht nur wackeln, vieles würde zusammenbrechen – auch bei uns in der Lausitz. Die Lokalzeitung in Weißwasser titel- te kürzlich: „Ohne Ehrenamt sähe die Kulturland- schaft in Weißwasser nicht so vielfältig aus.“ Vor allem für die Sportvereine in der Region sind die ehrenamtlichen Trainer existenzsichernd. Allein für den Sportclub Hoyerswerda stehen Woche für Woche 150 ehrenamtliche Trainer am Spielfeld- rand, die acht hauptamtlichen Trainer stemmen nur einen Bruchteil des Angebots. Beim Stadt- sportbund Cottbus sind es sogar fast 1.000 ehren- amtliche Trainer. Auch der Alltag von Familien ist stark durch ehren- amtliches Engagement geprägt: In der Kita und in der Schule bringen Mütter und Väter sich über den Elternrat mit ein. Wenn der Frühjahrsputz oder die Renovierung des Spielplatzes anstehen, sind fleißi- ge Kinder- und Elternhände gefordert. Und fast je- des Sommerfest ist dank selbst gebackener Kuchen immer auch ein kulinarisches Vergnügen. Würden also nicht immer wieder Mütter und Väter, aber auch Rentner, Arbeitslose und nicht zuletzt Kinder und Jugendliche mit anpacken, dann sähe die Vereins- und Freizeitlandschaft nicht nur in der Lausitz sehr viel ärmer aus. Da sich der Staat mit dem Verweis auf leere Kas- sen immer weiter auf die dringend notwendige Daseinsfürsorge beschränkt, ist der engagierte Bürger immer mehr gefordert. Der bewusst von der Bundesregierung forcierte Paradigmenwech- sel vom Sozialstaat hin zur Bürgergesellschaft zielt darauf, immer mehr Aufgaben an freiwillige Helfer zu übergeben. So heißt es im Abschlussbericht der eigens dafür eingesetzten Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ »
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