lausebande-06-2019
Titelthema :: Seite 36 erfahren ist, dass Zucker Zähne krank macht und kaputt. Das sieht man leider schon bei Kleinstkin- dern, wenn diese ständig an der Flasche mit gesüßtem Tee oder Säften saugen. Säuglinge und Kleinkinder mit einem täglich ho- hen Zuckerkonsum behalten die- se Gewohnheit auch im weiteren Leben bei. Wir Kinder- und Jugendärzte emp- fehlen eine optimierte Mischkost: reichlich pflanzliche Anteile, also Obst, Gemüse, Getreide, Nüs- se, mäßiger Anteil von Milch, Ei, Fleisch und Fisch und sparsamer Genuss von Süßwaren. Die Fet- te sollten einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäu- ren enthalten, aber auch 5 Gramm Butter tun dem Darm und dem Ge- schmack gut. Sparsamer sollte mit Salz umgegangen werden. Wie wäre es, wenn der nächste Kindergeburtstag selbstgemach- te Minzlimonade böte, „Puten Burger“ aus Vollkornbrötchen mit Salat und einem kleinen Pu- tenschnitzel, ein Chili con Carne mit wenig Hackfleisch und reich- lich frischen Tomatenwürfeln oder Vollkornwaffeln mit Obstsalat? Der Politik möchte ich noch sagen: Soziale Lage, Wissen und Gesund- heit stehen in einem eindeutigem Zusammenhang und gesundes Es- sen kostet mehr Geld. Als Kinder- und Jugendarzt macht es mich zutiefst traurig, dass Kinder in unserem so reichen Land tagtäg- lich ohne Frühstück oder gesun- des Pausenbrot zur Schule gehen. „Du bist was du isst“, lau- tet ein altes Sprichwort – und tatsächlich hat die Ernährung einen erheblichen Ein- fluss auf unsere Gesundheit, unser Leistungsvermögen und Wohlbe- finden. Für eine optimale kindliche Entwicklung ist eine gute, vollwer- tige und ausgewogene Ernährung eine wichtige Voraussetzung. Und das beginnt schon vorgeburtlich im Mutterleib. Zucker gehört zur Gruppe der Koh- lehydrate, die mit etwa 50 Prozent den Hauptanteil unserer täglichen Nahrung ausmachen. Dabei ist die Stärke aus Getreide und Kartoffeln besonders bedeutsam. Ihr Abbau in unserem Körper erfolgt in meh- reren Schritten zu einem Einfach- zucker (Traubenzucker) und ist energieaufwendig. Den Trauben- zucker verbrennen dann die Kör- perzellen zur Energiegewinnung. Traubenzucker, Fruchtzucker, Milchzucker oder Zucker aus Rü- ben oder Zuckerrohr braucht nur wenige Schritte der Verdauung und so steht die Energie schnell zur Verfügung. Damit wird jedoch auch unsere Bauchspeicheldrüse ständig herausgefordert, die mit- tels des Hormons Insulin für einen konstanten Zuckerspiegel in unse- rem Blut sorgt. Der Datenmonitor zeigt, dass in Brandenburg 3 Prozent der Ein- schüler und 12 Prozent der 16 Jäh- rigen schwer übergewichtig sind. Das bereitet uns Kinder- und Ju- gendärzten große Sorgen, da Übergewicht und schweres Über- gewicht (Adipositas) assoziiert sind mit hohen Risiken für die Gesundheit. Um an all dem et- was zum Besseren zu verändern, sind jedoch nicht nur Sie als Eltern und wir alle als Verbraucher in der Verantwortung, sondern insbe- sondere die Politik und die Nah- rungsmittelindustrie. Auch alle Hersteller und Anbieter für Essen in Kindereinrichtungen und Schu- len sind in der Pflicht. Von der Politik fordern wir Kinder- und Jugendärzte klare Festlegun- gen zu einer leicht verständlichen und möglichst Sprachbarriere- freien Kennzeichnung von Le- bensmitteln. Eine Reduktion von Zucker, Salz und Fett in Fertig- nahrungsmitteln, wie von der Mi- nisterin für Ernährung und Land- wirtschaft, Frau Julia Klöckner, vorgeschlagen, ist nur ein ers- ter kleiner Schritt in die richtige Richtung. In anderen Ländern wie Frankreich ist man da sehr viel weiter und der „Nutrition Score“ von Foodwatch, ein Ampelsys- tem, wie wir es zur Energieeffizi- enz von Waschmaschinen oder Kühlschränken kennen, wäre si- cher auch leichter verständlich im Vergleich zu den vielen ver- schiedenen und oft viel zu klein gedruckten Labels. Die Datenlage, wie denn Zucker nun schädigen könnte, ist nicht so einfach und sicher. Allge- mein kann gelten: Weniger als 20 Gramm Zucker täglich wäre gut. Gut gesichert und auch aus mei- ner eigenen täglichen Praxis zu Gastbeitrag von Dipl.-Med. Detlef Reichel, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Vorsitzender des Landeverbandes Brandenburg im Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte. Weniger Zucker und alles wird gut?
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