Seite 42 - lausebande-0708-2011

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Kolumne :: Seite 42
und auf ihre Lebenstüchtigkeit überprüft waren.
Dann musste ich noch der ganzen Wurmfamilie
eine neue Gute-Nachtgeschichte vorlesen. Voll-
kommen vogelfrei, versteht sich.
Zwei Wochen später fand die Wurmvorliebe
ein jähes Ende. In einem alten verrosteten Sau-
naofen neben dem Gartenhäuschen hatte sich ein
Vögelchen eingenistet, mit sieben kleinen hell-
blauen Eiern. Als unsere Kleine das Nest mit der
brütenden Vogelmama entdeckte, wurden die erd-
füchtigen feischigen Dinger sofort abgeschrieben
und des Wurms Feind Nummer Eins bestieg den
Beliebtheitsthron meiner Kleinen. Nur mit Mühe
konnten wir sie davon abhalten, die Eier selbst aus-
zubrüten. Als dann kurze Zeit später sieben kleine
Schnäbelchen noch fast geräuschlos nach Nahrung
jauchzten, hätte die ehemalige Wurmmutter ohne
schlechtes Gewissen sofort jeden ihrer Ex-Schütz-
linge aus dem Boden gezerrt, um ihn ihren wusch-
ligen gefederten Vogelbabys in den Schnabel zu
packen.
Begleitet wird jede Tierliebe von Rollenspielen
zu Hause, zu denen sich meist nur ein treusorgen-
der Vater erniedrigen lässt. Zumindest ist das bei
uns so. Seitdem spiele ich Vogelbabys, umschlun-
gen von einer Nest-imitierenden Kuscheldecke, von
meiner Vogelmama mit imaginären Wurmhorden
gemästet. Immerhin ist das schon besser, als sich
wie ein glitschiger Wurm durchs Kinderzimmer zu
winden. Aber ich bin inzwischen ein ganz schön
fetter Vogel – und wenn sich nicht bald die nächste
Vorliebe anbahnt, beschweren sich unsere Nach-
barn wahrscheinlich noch wegen des dumpfen
Gezwitschers aus unserer Wohnung oder bestellen
gleich den Transfer in die Psychatrie. Wahrschein-
lich kaufen deshalb viele Eltern irgendwann ein
Haustier, auf dass kleine Mütter all ihre Liebe pro-
jizieren können. Ich werde mir das mit dem Pony
auf dem Balkon also doch noch einmal überlegen
müssen …
Haben Sie sich schon einmal in einen Re-
genwurm verliebt, ihm zusammen mit Art-
genossen einen Biotop inklusive kleiner
Kuscheltiere und Häuschen gebaut, ihnen Namen
gegeben und sie pausenlos gestreichelt? Für meine
Kleine gab es ein ganzes Wochenende nichts Span-
nenderes, als die braunrosa Fleischnudeln namens
Tobi, Wurmi, Schlängelchen und Schlängeline in
einer großen Plastikbadewanne zu bemuttern. Nur
mit Mühe konnte sie sich am ersten Abend von ih-
ren Schützlingen trennen, als wir aus dem Garten
heimfuhren. Ausgerechnet an diesem Abend blät-
terten wir im Bilder-Buch „Peter bei den Vögeln“,
in dem auf jeder zweiten Seite ein Vogel genüsslich
einen Wurm verputzte. Beim dritten Wurm-schlu-
ckenden Monstergefeder auf Seite 7 scheiterten all
meine Ablenkungsversuche. Tobi, Wurmi, Schlän-
gelchen und Schlängeline waren in Gefahr – und
ihre selbsternannte Mutter Courage musste sie vor
den im dunklen Garten lauernden Spitzschnäbeln
retten. Alle Beschwichtigungsversuche von wegen
schlafenden Vögeln, oder für Vogelschnäbel viel zu
tief eingegrabenen Wümern zeigten keine Wirkung.
Wurmmutter weinte herzzerreißende Krokodil-
tränen in Furcht um ihre Brut. Es half nichts, per
Eilkurier wurde die Plastikwanne aus dem Garten
nach Hause transferiert, eine halbe Stunde durch-
buddelt, bis auch alle vier Regenwürmer gefunden
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
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