Titelthema :: Seite 28
Damit wird im Vergleich zu den eingangs genann-
ten Worten auch deutlich, wie sich Mobbing ab-
grenzt. Einzeltaten oder wenige Auseinanderset-
zungen – egal in welcher Ausprägung – haben mit
Mobbing nichts zu tun. Von Mobbing spricht man
erst bei einem dauerhaften Prozess. Aus diesem
Grund hat es gerade in Kitas und Schulen auch
immer mit einem Versagen der Pädagogen bei ih-
rer Aufsicht zu tun, was einen offenen Umgang mit
diesem Thema für alle Beteiligten erschwert. Denn
niemand lässt sich gern Versagen nachsagen.
„Nun hör schon auf ...“
Auch wenn es in diesem Bereich noch wenig the-
matisiert wird: Mobbing kann bereits in der Kita
unter Kleinkindern geschehen. Rangeleien und
Beleidigungen sind unter Kindern keine Seltenheit
und müssen deshalb nicht überbewertet werden,
wenn es Ausnahmen bleiben. Kinder reagieren in
Konflikten in der Regel auch erschrocken, wenn
sie ein anderes Kind verletzen oder zum Weinen
bringen. Sie entschuldigen oder versöhnen sich,
zumindest lernen sie daraus. Es gibt aber auch
Kinder, die am Leid eines anderen Kindes Gefallen
finden, die merken, dass sie plötzlich wer sind und
Macht ausüben und unterdrücken können. Hier
kommt es auf die Konsequenz der Erzieher an, die
solche Auseinandersetzungen erkennen und un-
terbinden müssen. Werden mobbende Kinder aber
als „Rabauken“ oder „schwierige Kinder“ abgetan
und wird auf Konflikte immer wieder nur mit ei-
nem „Nun hör schön auf...“ beim mobbenden Kind
und „Nun hab dich nicht so...“ beim gemobbten
Kind reagiert, können sich Täter- und Opferrollen
schon bei kleinen Kids schnell manifestieren.
Während bei Kita- und Grundschulkindern Mob-
bing eher immer direkt und weniger durchdacht
passiert, gewinnt es mit der Pubertät eine neue
Qualität. Das kann heute schon in der 6. Klassen-
stufe seinen Anfang nehmen. Oft spielen sexuelle
Anspielungen, Herabwürdigungen oder Griffe
in die Genitalteile eine Rolle, Mobbing wird ab
diesem Alter aber auch immer subtiler. Es nimmt
bewusstere Formen an, indem auch mehrere Kin-
der mit abgekarterten Aktionen körperlich oder
verbal gegen ihr Opfer vorgehen. Der bewusste
Ausschluss aus der Gruppe, die Verbreitung von
Gerüchten und Getuschel hinterm Rücken gehören
ebenso dazu. Später spielen auch Formen eine Rol-
le, in denen durch gezielte Falschinformationen
sogar das Leitungspersonal, also die Lehrer, gegen
die Mobbingopfer instrumentalisiert werden.
Warum werden Kids zu Mobbern?
Täter:
Zuallererst: Mobbing-Täter kommen auch
in den „besten Familien“ vor. Auch wenn es nicht
die Regel ist, kann selbst das wohlerzogene Kind
aus einem offenen und liebevollen Elternhaus zum
Mobber werden. In der Regel haben Täter in ihrer
Erziehung aber einen Mangel an liebevoller Wärme
und an Anteilnahme am eigenen Leben erfahren.
Machtbetonte Erziehungsmethoden sowie körperli-
che Gewalt durch die Eltern geben Kinder als Täter
häufig an ihr Opfer weiter. Auch die Beobachtung
von Gewalt zwischen den Eltern erhöht die Gewalt-
bereitschaft bei Kindern. Eine große Rolle spielt
auch ein fehlendes Selbstwertgefühl. Hier kann
neben häuslicher Gewalt auch ein hoher Leistungs-
druck eine große Rolle spielen. Wenn Kinder nur
bei besten Leistungen bzw. Zensuren geliebt wer-
den und bei Fehlleistungen oder Niederlagen Igno-
ration, Demütigung oder sogar Scham der eigenen
Eltern erfahren, kann dies ebenso zur Beeinträchti-
gung des Selbstwertgefühls führen. Eine Kompen-
sation für diese Defizite finden Täter in der Macht
über ein wehrloses Gegenüber. Da Mobbing dau-
erhaft passiert und das Opfer tatsächlich leidet, ist
selbst bei Kindern, die zu Tätern werden, oft eine
Gefühlskälte und mangelnde Empathie vorhan-
den. Auch das ist oft eine Folge der Erziehung im
Elternhaus. Auch folgende Verhaltensweisen bzw.
Gewohnheiten begünstigen ein Täterverhalten bei
Kindern:
• „übertolerantes“ Verhalten durch die Eltern
• Fehlinterpretationen von eindeutig gewalttäti-
gem Verhalten (z.B. „Jungs müssen auch mal
austeilen dürfen“).
• Aggressive Vorbilder, wenn sie positiv
bewertet werden. Dies kann als „soziale
Ansteckung“ zum passiven Gewalttäter bzw.
Mitläufer führen.
„Nicht jeder ungelöste Konflikt
mündet in Mobbing. Aber am
Anfang von Mobbing steht fast
immer ein ungelöster Konflikt.“