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Titelthema :: Seite 54 Besonders gut bleibt im Gedächtnis, was wir mit mehr als einem Sinn wahrnehmen, was unsere Le- benswirklichkeit betrifft und was linke und rechte Gehirnhälfte beansprucht. Zwei Beispiele: Wenn ein Kind Französisch lernen soll, nur weil es auf dem Stundenplan steht, es aber nie nach Frank- reich kommt, werden die Lernfortschritte begrenzt sein. Hat es dagegen einen französischsprachigen Freund, wird das Sprachenlernen deutlich besser klappen. Ein Dreijähriger wird erst dann verinner- licht haben, dass er nicht auf die Herdplatte fassen darf, wenn er selbst festgestellt hat, dass sie heiß ist. Die Ermahnung der Eltern dagegen verlässt das Gehirn so schnell wieder, wie sie hineingelangt ist. Natürliches Doping mit Dopamin Ein wichtiger Botenstoff im Gehirn ist das Dopamin, eine Art natürliches Dopingmittel, das wir nur her- auszukitzeln wissen müssen. Dopamin bewirkt im Hirn in etwa das Gleiche wie Schokolade bei den meisten Menschen: es macht glücklich, es dient zugleich als Belohnung und Motivation. Nicht um- sonst wird es umgangssprachlich als Glückshormon bezeichnet. Einige der Hirnzellen können Dopamin ausschütten, das passiert v.a. als Belohnung für per- sönliche Erfolge. Wer beim lange trainierten Mara- thon das Ziel erreicht, bekommt eine große Menge Dopamin. Wenn ein Kind das Puzzle geschafft hat, wenn es im Sportwettbewerb eine Medaille er- tiertes und vorsortiertes Wissen vermittelt bekom- men, steigt die Chance, dass mehr davon hängen bleibt. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Ganzheit- lichkeit ist die Nähe zur Lebenswirklichkeit der Kin- der. Dinge, die sie aus ihrem Alltag kennen, Wissen, das sie tatsächlich mal anwenden können, bleibt ebenfalls mit höherer Wahrscheinlichkeit im Lang- zeitgedächtnis hängen. Denn das ist eines der größten Dilemmas der Schu- le: Die Kinder bekommen unglaublich viel Wissen vermittelt, das sie oft innerhalb kürzester Zeit wie- der verdrängt oder gar vergessen haben. Um zu ver- stehen, wie Kinder lernen und wie es gelingt, dass möglichst viel des erlernten Stoffs imGehirn hängen bleibt, ist ein Exkurs in die Neurologie hilfreich. Das Gehirn – unsere Schaltzentrale Wichtig für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen sind die Nervenzellen im Gehirn. Unser Gehirn verfügt über rund 100 Milliarden Neuronen. Sie verarbeiten die Reize, die wir mit unseren Sin- nen (sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen) wahrnehmen. Dazu verknüpfen sich die Neuronen untereinander und bilden Synapsen – die Datenau- tobahnen. Schon vor der Geburt schafft das Gehirn ständig neue Synapsen. Je mehr Neues Kinder ler- nen und je mehr sie gefordert sind, desto mehr Ver- bindungen entstehen, nicht genutzte Verbindungen gehen mit der Zeit wieder verloren. Gute Beispiele für gute Schule: Musikalische Grundschule musiziert, gesungen, getanzt. Es werden Gedichte vertont, Vokabeln gerappt, rhythmisch Zahlenrei- hen geübt, beim Tanzen gerechnet und geometri- sche Figuren erschlossen. Es werden Instrumente gespielt und aus Alltagsgegenständen gebaut. Es wird mit Klängen experimentiert, werden Klangge- schichten komponiert und erzählt und Klanggärten gebaut. So kommt Musik mit all ihren Facetten im gesamten Schulleben zum Einsatz. In allen Fächern, in fächerübergreifenden Projekten, in Pausen, vor Schulbeginn, zum Monatsende, zu allen Jahreszei- ten, bei Schulfesten, in Lehrerkonferenzen und El- ternabenden – einfach zu vielen Gelegenheiten. An brandenburgischen und sächsischen Grundschulen wird das Projekt bisher noch nicht umgesetzt, aber jede Schule, die Interesse hat, kann mitmachen. Das Projekt „Musikalische Grundschule“ der Bertelsmann-Stiftung zielt darauf, musikali- sche Bildung für alle Kinder zu ermöglichen – unab- hängig von ihrer Herkunft. Dabei setzt es auf körper- liche und sinnliche Erfahrungen der Kinder. Musik wird im gesamten Schullalltag eingesetzt. Es wird » Foto:TomFigiel
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