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Titelthema :: Seite 58 eigens für ihr Konzept Lern-Materialien entwickelt, die mehrere Sinne aktivieren. Viele Schulen und Kitas mit ganzheitlichem Kon- zept arbeiten nach diesen historischen Vorbildern. Darüber hinaus gibt es weitere Ansätze der Reform- pädagogik. Die Waldorf-Pädagogik ist eine durch Rudolf Steiner (1861–1925) begründete Pädagogik auf der Grundlage der ebenfalls von ihm entwi- ckelten anthroposophischen Weltanschauung. Die Anthroposophie geht davon aus, dass der Mensch aus Körper, Geist und Seele besteht. In Waldorf- Einrichtungen wird die Umgebung ästhetisch und anregend gestaltet, um den Kindern eine Vielzahl an Sinneseindrücken zu vermitteln. Besondere Be- deutung hat die Förderung der künstlerischen Ge- staltung und rhythmischen Körperbewegung. Ein weiterer Schwerpunkt der Waldorf-Pädagogik ist, dass die Kinder durch Nachahmung lernen. Daher nimmt der Erzieher bzw. Lehrer eine wichtige Vor- bildfunktion ein. Gerade an Kitas gibt es noch weitere Konzepte, wie Waldkindergärten, Kneipp-Kitas oder die Reggio- Pädagogik. Ihnen ist gemeinsam, dass sie auf ganz- heitliche Erfahrungen setzen und die Eigenständig- keit der Kinder betonen: Die Kinder entscheiden entsprechend ihrer Neigungen und Interessen, wo- mit sie sich beschäftigen. Die Forderung nach ganzheitlichem Lernen mit al- len Sinnen ist also keineswegs neu. Schon früh ha- ben Pädagogen die Bedeutung vielfältiger Sinneser- fahrungen für die Entwicklung von Kindern betont. Mittlerweile wurden die Forderungen nach dem Ler- nen mit allen Sinnen durch die Neurowissenschaf- ten und die Bildungsforschung wissenschaftlich untermauert. Warum haben ganzheitliche Lernme- thoden bisher trotzdem kaum Eingang in den Schul- alltag gefunden? Das deutsche Schulsystem Im deutschen Schulsystem überwiegt noch immer Frontalunterricht statt individueller Förderung nach dem Leistungsniveau der Schüler. Individu- elle Förderung heißt eben nicht: 25 Schüler lernen im selben Tempo die gleichen Dinge. Individueller Unterricht unterstützt weniger begabte Kinder eben- so, wie er fortgeschrittene Schüler beispielsweise in Leistungsgruppen fördert. Ganzheitliches Lernen – bewährte Tradition oder neumodische Reform? Die Forderungen nach ganzheit- lichem Lernen in Kita und Schule sind keineswegs neu. Schon vor gut 200 Jahren forderte der Schwei- zer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) eine ganz- heitliche Volksbildung. Von ihm stammt der oft zitierte Ruf nach dem Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Nach seiner Überzeugung hat sich der Erzieher/ Lehrer den indi- viduellen natürlichen Voraussetzungen des Kindes zu unterwerfen und nicht umgekehrt. Viele seiner Ansätze wurden später von der Reformpädagogik übernommen. Auch der Verzicht auf Noten und Zeugnisse findet sich schon bei Pestalozzi. Einer von Pestalozzis Schülern war Friedrich Wilhelm August Frö- bel (1782-1852) . Er gilt als Begrün- der des Kindergartens. In Fröbels Pädagogik stehen das Kind und das Spielen im Mittelpunkt. Beim Spielen und im Kontakt mit ande- ren Kindern und mit Erwachsenen lernen sie ihre Umwelt kennen und begreifen. Wich- tigstes Ziel der Erziehung nach Fröbel ist der freie, denkende, selbständige Mensch. Bis heute wird sein Konzept in vielen Kindergärten umgesetzt, auch ei- nige Schulen tragen Fröbels Namen und Geist. Auch bei Maria Montessori (1870-1952) steht das Kind mit sei- nen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Das pädagogische Konzept der Ärztin und Pädagogin wird heute an vielen Kindergärten und Schu- len umgesetzt: Es achtet das Kind in seiner Persönlichkeit. Die Kinder dürfen selbst entscheiden, was sie lernen, wann und in welcher Form. Das mag zunächst unrealistisch klingen. Doch mit der Zeit entwickeln die Kinder so eine hohe Selbstdisziplin und Eigenverantwortung. In diesem Konzept der Freiarbeit begleiten die Pä- dagogen die Kinder und geben ihnen Anregungen, machen Angebote. Sie unterstützen nach dem Prin- zip „Hilf mir, es selbst zu tun.“ Maria Montessori hat »

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