lausebande-09-2022

Titelthema ‹ 85 schwistern weniger wichtig, jetzt rücken Gleichaltrige in den Fokus: Freunde und Mitschüler stehen an erster Stelle, die kleine Schwester nervt nur noch oder ist sogar peinlich. Mit dem Auszug des Bruders oder der Schwester, dem Beginn des Studiums oder einer Ausbildung wird die Distanz meist noch größer. Geschwister kümmern sich jetzt eher um andere Dinge, sortieren ihr Leben, suchen ihren Weg. Erst mit der eigenen Familiengründung – zumindest wenn sie etwa zeitgleich mit Geschwistern erfolgt – oder wenn der Pflegebedarf der Eltern steigt, wird der Kontakt wieder intensiver und bleibt dann meist bis ins hohe Alter eng. Schwestern haben tendenziell eine eher engere, intimere Bindung zueinander als Brüder oder Geschwister unterschiedlichen Geschlechts. Vorbild oder Rivale? Zur Bedeutung von Geschwistern Geschwister übernehmen im Laufe der Kindheit verschiedene Rollen füreinander: Verbündete und Kooperationspartner, Wettbewerber und Konkurrent, Vorbild und Lehrer, Spielgefährte und Vertraute. Welcher dieser Aspekte gerade überwiegt, hängt von mehreren Faktoren ab: Vom Altersabstand und von der Zahl der Geschwister, vom Geschlecht, aber auch vom Temperament und Charakter der Kinder – und nicht zuletzt vom Verhalten, das wir Eltern gegenüber unseren Kindern zeigen. In jedem Fall deuten Studien darauf hin, dass Kinder von Geschwistern profitieren – sowohl in der sozialen als auch in der kognitiven Entwicklung. Jüngere Geschwister lernen von den Großen, bekommen Dinge von ihnen erklärt und gezeigt: Wie saust man am schnellsten den Rodelberg herunter? Wie schreibt man eine Geburtstagskarte für Oma? Wie überredet man Papa am besten zu noch einer Folge der Lieblingsserie? Mit Geschwistern lernen Kinder leichter und schneller Sozialkompetenzen wie Empathie, Rücksichtnahme, Kompromissbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass es Kindern mit Geschwistern leichter fällt, Freundschaften zu pflegen, weil sie mit Bruder oder Schwester das Streiten und Vertragen gelernt haben. Nicht zuletzt dienen Geschwister als eine Art Puffer. Denn während Einzelkinder den positiven wie negativen Gefühlen ihrer Eltern immer direkt ausgesetzt sind, verteilt sich die Aufmerksamkeit bei mehreren Kindern, das gilt für Frust ebenso wie für Zuwendung, für Ärger genauso wie für Lob. Eltern von Einzelkindern müssen jetzt nicht unsicher werden. Auch Einzelkinder entwickeln sich toll und eignen sich im Laufe ihres Lebens diese Sozialkompetenzen an. Das fällt ihnen umso leichter, je mehr ihnen schon in der Kindheit der Kontakt zu Gleichaltrigen ermöglicht wird. Das kann in Kita und Schule sein, mit Freunden oder Nachbarskindern oder mit Cousins und Cousinen. Geschwister sind einander Vorbild – imGuten wie im aus Elternsicht weniger Erwünschten. „Ich spiele mit meinen Geschwistern gern Schule oder Barbie. Und mit den Schleichpferden. Doof finde ich, wenn es Streit gibt.“ Thea, 5

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