lausebande-09-2022

96 › Titelthema Beim Streit sollten sich Eltern heraushalten euch hat angefangen?“ Das können Sie als Eltern nie wirklich klären und das bringt die Kinder am Ende auch nicht weiter. Meine Lieblingsfrage lautet stattdessen: „Wollt ihr weiter miteinander spielen?“ Wenn die Kinder das bejahen, kann man sie zunächst bitten, allein eine Lösung zu finden, statt selbst eine Lösung anzubieten. Wenn man Kindern diesen Freiraum bietet, sind sie meist erstaunlich kreativ. Wenn sie aber gar nicht miteinander weiterspielen möchten, dann sollte man sie getrennt weiterspielen lassen oder ihnen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen. Streit zwischen Geschwistern ist für die Eltern ziemlich nervenaufreibend. Hat er denn auch etwas Gutes? Streit gehört zur Entwicklung der Kinder einfach dazu. Er bietet ihnen die Möglichkeit, Auseinandersetzungen im geschützten Rahmen der Familie einzuüben. Ändert sich die Streitkultur und die Streithäufigkeit zwischen Kindern im Laufe der Kindheit und Jugend? Kleine Kinder streiten natürlich anders als Jugendliche. Sie haben ganz andere Themen, die aus Erwachsenensicht eher banal und leicht zu klären sind. Da geht es beispielsweise darum, wer jetzt die Schippe benutzen darf. Mit der Pubertät kommen neue, ernstere Themen, vielleicht der Neid auf die große Schwester, die viel mehr Freunde hat, immer bessere Noten schreibt und bei anderen einfach gut ankommt, während man selbst sich als Looser fühlt. Welchen Rat würden Sie in diesem konkreten Fall geben? Die Gefühle ernst nehmen. In einem Gespräch zusammen herausfinden, um was es eigentlich geht. Was das große Kind für Bedürfnisse hat. Was fehlt. Körperkontakt, trösten und Ressourcen aufzeigen, das kann helfen. Und bei hartnäckigen, länger anhaltenden, schweren Situationen sich Hilfe von außen holen. Neid ist ohnehin ein großes Thema zwischen Geschwistern. Was können Eltern gegen dieses Gefühl tun? Wenn das vom Kind häufiger angesprochen wird, dann sollten Eltern in sich gehen und überlegen, ob da etwas dran sein könnte. Die beste Lösung ist es, einen Ausgleich zu schaffen. Das passiert am besten über zusätzliche, exklusive Zeit für das Kind, das sich benachteiligt fühlt. Interview mit Ulric Ritzer-Sachs. Der Sozialpädagoge berät Eltern und Jugendliche bei der Online-Beratungsstelle der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. bke. Im Gespräch erklärt er, wie Eltern am besten bei Zoff im Kinderzimmer reagieren. Warum streiten sich Geschwister überhaupt? Kinder streiten sich eben. Für das Warum gibt es viele Gründe, die auch schon wissenschaftlich untersucht und erklärt wurden. Diese Frage finde ich aber gar nicht so wichtig. Ich glaube viel wichtiger ist für die meisten Eltern die Frage, wie sie mit dem Streit umgehen sollten. Und? Wie sollten sie? Das Zauberwort ist Gelassenheit. Ich weiß, dass das im Alltag mit Kindern ein hoher Anspruch ist, den ich aber für sehr wichtig halte. Bei einem Streit halten sich Eltern am besten erst einmal zurück, sie müssen nicht sofort eingreifen. Die Kinder sollten versuchen, zunächst allein eine Lösung zu finden. Wann sollten sie doch lieber eingreifen? Das hängt ganz stark von den persönlichen Grenzen und Vorstellungen der Eltern ab. Ich würde diese Grenzen gern eher weit gefasst sehen. Wenn sich Kinder mal schubsen oder einer dem anderen vor das Schienbein tritt, ist das aus meiner Sicht noch kein Grund, dazwischen zu gehen. Meist hören die Kinder von allein wieder auf. Und solange es nicht eskaliert, können Eltern sich wirklich zurücknehmen. Das ist leichter gesagt als getan… Ja, das klingt erst mal schwer. Aber es lohnt sich. Wenn sich Eltern immer wieder früh einmischen, gewöhnen sich Kinder daran und kommen ständig angerannt, wenn es Zoff im Kinderzimmer gibt. Insofern ist das Abwarten ein Vorschlag, der den Alltag langfristig erleichtern kann. Es gibt da – wie auch in anderen Erziehungsfragen – nicht die eine allgemeingültige Antwort, sondern nur verschiedene Haltungen. Und wenn ich doch dazwischen gehen möchte oder ein Kind mich um Hilfe bittet? Eine ganz ungünstige Reaktion wäre die Frage: „Wer von

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