lausebande-09-2024

Titelthema ‹ 47 Eine individuelle Förderung und langes gemeinsames Lernen scheinen also zwei wichtige Punkte für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sein. Daher fordert Anja Bensinger-Stolze vom Vorstand der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft: „Die KMK muss sich endlich ernsthaft damit befassen, das längere gemeinsame Lernen in den Mittelpunkt ihrer Planungen zu stellen.“ Ob und wie schnell das in Deutschland tatsächlich umsetzbar ist, bleibt fraglich. Hier kommt wieder der bereits erwähnte Mittelstandshabitus ins Spiel. Es sind gerade jene Eltern, deren Kinder gut durch das deutsche Schulsystem kommen, die einem längeren gemeinsamen Lernen skeptisch gegenüberstehen. Als Hamburg im Jahr 2010 die Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre verlängern wollte, hat eine Bürgerinitiative einen Volksentscheid dagegen auf den Weg gebracht: Tatsächlich konnte das Vorhaben der schwarzgrünen Regierung gekippt werden. Abgestimmt haben vor allem jene Eltern, deren Kinder gute Aussichten auf eine Gymnasialempfehlung haben. In den besseren Stadtteilen von Hamburg war die Wahlbeteiligung deutlich höher, als in jenen mit einem hohen Anteil an Migrationsfamilien und mit hoher Arbeitslosigkeit. Es ist also ein dickes und hartes Brett, das hier zu bohren wäre. Das sagt auch Bildungsforscher Kai Maaz vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation im Interview mit dem Deutschen Schulportal: „Ich halte es für unrealistisch, ein längeres gemeinsames Lernen hier schnell umzusetzen. Wichtiger finde ich, darüber zu diskutieren, wie guter Unterricht aussehen kann, welche zusätzlichen Qualifikationen Lehrpersonen brauchen und an welchen Stellen externe Expertise in den schulischen Kontext geholt werden sollte, um Kindern mit spezifischen Förderbedarfen Angebote zu machen.“ Ideen für gute und gerechte Bildung Welche kleinen Stellschrauben könnten also kurz- und mittelfristig so angepasst werden, dass alle Kinder in Deutschland die gleichen Chancen auf einen guten Schulabschluss haben? Schauen wir zunächst, was bereits versucht wird. Es gibt in Deutschland für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen seit 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket. Familien können damit die Kostenübernahme für das Mittagessen, Nachhilfe, Klassenfahrten und Wandertage, Schulbedarf, Schülerbeförderung und Vereinsmitgliedschaft, Musikinstrument oder Sportgerät beantragen. Das Problem: Längst nicht alle Familien, die darauf Anspruch haben, beantragen diese Unterstützung auch. Eine Erhebung des NachhilfeDienstleisters Studienkreis von 2022 kommt zu folgenden Zahlen: 2019 hatten in Deutschland theoretisch knapp 1,6 Millionen Kita- und Schulkinder Anspruch auf eine oder mehrere dieser Leistungen. Tatsächlich in Anspruch genommen werden sie im Schnitt nur von 10 bis 15 Prozent LIEBLINGSTEES BEQUEM ONLINE SHOPPEN www.teezeit.de

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