lausebande-12-2018
Titelthema :: Seite 50 wird. „Da sehe ich in der Tat die Gefahr, dass die Vermittlung grundlegender Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen, nicht mehr in zufrieden- stellender Qualität gewährleistet werden kann.“ Darauf würden bereits erste Ergebnisse aus den vergangenen Schuljahren hindeuten, in denen es noch gar nicht die große Masse an Seitenein- steigern gab, so wie das jetzt der Fall ist. Zugleich warnt er aber davor, die Schuld an der aktuellen Situation bei den Seiteneinsteigern zu suchen: „Verantwortung trägt die Politik mit ihrer katast- rophalen Personalplanung. Seiteneinsteiger sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.“ Die Landespolitik sieht das naturgemäß anders. Auf lausebande-Nachfrage wiesen sowohl das Bil- dungsministerium in Potsdam als auch das Kul- tusministerium in Dresden einen Zusammenhang zwischen Seiteneinsteigern und Unterrichtsquali- tät zurück. „Die Leistung des Sächsischen Schul- systems ist Dank des großen Engagements der Lehrer und Seiteneinsteiger konstant – zu diesem Ergebnis kommen auch die verschiedenen Bil- dungsvergleiche, bei denen Sachsen immer gut ab- schneidet und sogar Spitzenpositionen einnimmt, z. B. Bildungsmonitor: 13 mal in Folge Platz 1 für Sachsen – 2018 sogar verbessert im Vergleich zu 2017“, heißt es von der sächsischen Seite. Branden- burg vermeldet kurz und knapp: „Es gibt bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Einsatz von Seiteneinsteiger/innen auf die Schülerleistun- gen auswirkt.“ Die letzte bundesweite Erhebung der Mathe- und Deutsch-Kompetenzen erfolgte 2016 im Rahmen des IQB-Bildungstrends. Dieser untersucht alle fünf Jahre bei Viertklässlern an Grund- und För- derschulen, wie gut sie rechnen, schreiben, lesen und verstehen können. Die jüngsten Ergebnisse von 2016 zeigten einen deutlichen Leistungsabfall der Schüler, bedingt v.a. durch die wachsende Heterogenität der Schüler. So erreichte gut jeder fünfte Schüler die Mindeststandards bei Recht- schreibung nicht. In Mathematik schafften 15 Pro- zent der Schüler die Mindestanforderungen nicht. Sachsens Schüler schneiden in fast allen Bereichen relativ gut ab, Brandenburg findet sich im unteren Mittelfeld wieder. Unbestritten ist, dass die große Zahl an Seitenein- steigern zu einer hohen Belastung an den betrof- fenen Schulen führt: Die berufsbegleitende Quali- fizierung erfordert einen hohen organisatorischen Aufwand. Die neuen Kollegen stehen noch nicht voll zur Verfügung, die erfahrenen Kollegen müs- sen sie zudem als Mentoren an die Hand nehmen, was wiederum eine Mehrbelastung für sie zur Fol- ge hat. Eine für alle Beteiligten unbefriedigende Situation. Qualifizierung der Seiteneinsteiger Einig sind sich Gewerkschaften, Lehrervertreter, Elternvertreter, Schulen, Bildungsforscher und Ministerien zumindest in einem Punkt: Die neuen Kollegen müssen gut qualifiziert werden. „Die ers- te und einzige Bedingung, die der Landeselternrat an das Quereinsteiger*innen-Programm stellt, ist, dass die Qualität des Unterrichtes erhalten bleibt – sowohl pädagogisch als auch inhaltlich! Am Ende soll den Schüler*innen ermöglicht werden, den angestrebten Abschluss zu erreichen“, erwartet die Vorsitzende des Landeselternrates Brandenburg, Ulrike Schwentner. Über das nötige Fachwissen verfügen die meisten Seiteneinsteiger bereits. Was ihnen fehlt, ist das Rüstzeug für die Lehr-Tätigkeit: pädagogische und didaktische Kompetenzen. Wer schon mal einen Schulanfänger begleitet hat, der weiß, dass es viel Geduld und vor allem pädagogische Kompetenz braucht, um einem Kind Lesen und Rechnen beizu- bringen. Wer ein Germanistikstudium erfolgreich abgeschlossen hat, weiß längst nicht, wie er Erst- klässlern das Schreiben beibringen kann. Das Problem: Teilweise war der Lehrermangel so akut, dass Seiteneinsteiger ohne jede Vorqualifi- zierung Unterricht geben durften. Die notwendige Qualifizierung erfolgte parallel zum Schulalltag. In Sachsen ist es mittlerweile so, dass Seiteneinstei- ger zunächst eine dreimonatige Qualifizierungs- phase durchlaufen müssen, bevor sie vor einer Klasse stehen. In Brandenburg gilt diese Regelung derzeit noch nicht für alle Seiteneinsteiger. Wer- „Ich warne vor einer Stigmatisierung der Seiteneinsteiger. Es wäre falsch, sie als Buhmänner hinzustellen.“ Günther Fuchs GEW Brandenburg
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