lausebande-12-2018
Spezial :: Seite 63 dium erlangen die Studierenden vertiefte Kenntnis- se in Sachen Kinderpsychologie, dem Umgang mit verhaltensauffälligen oder behinderten Kindern, der (Sprach-) Förderung ausländischer Kinder und der Gesprächsführung mit Eltern. Anreize für ein Studium vor der Arbeit in der Krab- bel- oder Kindergartengruppe bestehen bisher ab- gesehen von dem intellektuellen Anreiz allerdings noch nicht viele: Das Gehalt für Berufseinsteiger ist dasselbe, auch wenn Erzieher mit akademischem Hintergrund langfristig eher Leitungsaufgaben an- streben können. Zumindest ist die Wahrscheinlich- keit, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu bekom- men umso höher, desto höher die Qualifikation aus- fällt. Das verrät das Fachkräftebarometer Frühe Bil- dung. Dem steht entgegen, dass Fachhochschulen und Universitäten mit entsprechenden Studiengän- gen deutlich rarer gesät sind, als Berufsfachschu- len mit der normalen Erzieherausbildung. Auf 72 früh- bzw. kindheitspädagogische Bachelor- und 13 Masterstudiengänge (Stand: 2017) kommen 596 Fachschulen (2016). Hinzu kommt, dass für viele Be- rufskandidaten ein Studium erst mal nicht in Frage kommt, da sie nur einen Haupt- oder Realschulab- schluss haben. Insgesamt begannen mit dem Stand 2017 rund 3.400 Studienanfänger ein Studium im früh- bzw. kind- heitspädagogischen Bereich und damit 22% mehr, als noch 2011. Bereits über 30.000 Erzieherinnen mit einschlägigem Hochschulabschluss sind in Deutsch- land tätig. 2006 waren es noch rund 11.000. Trotz des enormen Anstieges machen sie aktuell aber nur einen Anteil von ca. 5% aus. Blick nach Finnland Anders sieht das beispielsweise in Finnland aus. In jeder Kindergartengruppe befindet sich üblicherwei- se ein sogenannter Kindergartenlehrer mit akademi- schem Abschluss in einer leitenden Position. Die- ser erhält dasselbe Gehalt wie ein Grundschulleh- rer. Allein dadurch hebt der finnische Staat die Wer- tigkeit des Berufs – während studierte Pädagogen in Deutschland noch eher als überqualifiziert gel- ten und genauso viel verdienen, wie ihre Kollegen mit abgeschlossener Ausbildung. Die höhere Anerkennung des Erzieherberufs zieht sich durch den ganzen Arbeitsalltag. So wird in ge- sundheitlicher Hinsicht viel für finnische Erzieher getan: So können sie 3-jährige Rehabilitationspro- gramme wahrnehmen, wenn sie angeschlagen sind. Arbeitsgesundheitsärzte besuchen regelmäßig die Einrichtungen und verschaffen sich einen Eindruck über die Arbeitsbedingungen. Nach zehn oder mehr Jahren Dienstzugehörigkeit haben Erzieher zudem die Möglichkeit, im Rahmen eines Sabbaticals drei Monate bis ein Jahr vom Beruf zu pausieren. In die- ser Zeit bekommen sie trotzdem noch 1.000 Euro mo- natlich aus der Rentenkasse. All diese Anreize sor- gen dafür, dass es in Finnland kaum einen wahr- nehmbaren Erziehermangel gibt. Ganz im Gegenteil: fallen Mitarbeiter z.B. krankheitsbedingt aus, kön- nen sogenannte Springer eingesetzt werden. Auch für Eltern stellt sich die Kitasituation in Finn- land angenehmer dar, als in Deutschland. Sie müs- sen sich nicht um einen Kindergartenplatz bemü- hen – stattdessen müssen die Kommunen sicherstel- len, dass für jedes Kind ein Platz angeboten werden kann. An hoher Beliebtheit vor allem bei Schichtar- beitern erfreuen sich in Großstädten die 24-Stunden- Kindergärten, die in Deutschland kaum verbreitet sind. Zu guter Letzt profitieren auch die Kinder von dem gut ausgebauten, frühkindlichen Bildungssys- tem: So rangiert Finnland im internationalen Ver- gleich regelmäßig auf den vorderen Plätzen bei der PISA-Studie. Erkenntnisse und Vorschläge Um dem Erziehermangel in Deutschland entgegen- zuwirken, müsse die Politik laut Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendins- tituts, an mehreren Stellschrauben drehen. Ein gro- ßer Anreiz wäre eine Annäherung des Einkommens an die Vergütungsstruktur im Grundschulbereich. Das würde auch eine Stundenerhöhung für die vie- len Teilzeitbeschäftigten attraktiver machen. Darü- ber hinaus sollte massiv die Werbetrommel gerührt werden, um neues Personal zu gewinnen. Möglich- keiten zur Umschulung sollten erweitert und staat- lich gefördert werden. Auch von Staaten wie Finnland kann das deutsche Kitasystem einiges lernen. Die Akademisierung der Erzieherberufe ist dort nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Damit geht eine höhere Wertschätzung einher, die sich bis hin zu verschiedenen, gesund- heitsfördernden Maßnahmen ausweitet. Im Endef- fekt herrscht dadurch eine höhere Arbeitszufrieden- heit und weniger Erzieher scheiden krankheitsbe- dingt vorzeitig aus dem Beruf aus.
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