Alte weiße Männer: eine noch recht junge Spezies, die in der öffentlichen Wahrnehmung keinen guten Stand hat. Mir fallen spontan zwei Ausnahmen ein: die USA, wo kürzlich ein alter weißer Mann einen alten weißen Mann abgelöst hat. Die zweite Ausnahme ist Weihnachten. Nie sind alte weiße Männer beliebter als im Dezember – vorausgesetzt, sie sind mit einem langen Rauschebart und einem Sack voller Geschenke ausgestattet. Seit zwölf Jahren gehört ein solcher alter weißer Mann bei uns genauso zum Weihnachtsfest wie Plätzchen, Märchen und Rolf Zuckowskis „In der Weihnachtsbäckerei“. Was bei unseren Kindern jährlich für helle Freude und leichtes Lampenfieber sorgt, bringt uns Eltern vorab ins Schwitzen. Denn auch beim alten Rauschebart herrscht Fachkräftemangel. Selbst traditionell klamme Studierende sind nicht mehr für den Job zu begeistern. Die Arbeitsbedingungen sind auch wenig attraktiv: arbeiten, wenn andere mit ihren Familien beisammensitzen; schweres Gepäck tragen; dick angezogen in warmen Stuben sitzen; schiefen Gesängen und holprigen Gedichten lauschen; mit der Rute drohen, wo doch Gewalt verboten ist. Und so war es auch für uns jedes Jahr ein schwieriges Unterfangen, Jemanden zu finden, der am Heiligabend seine Familie für eine Stunde allein am Weihnachtsbaum zurücklässt, in den roten Mantel schlüpft, den Bart befestigt und unsere drei Kinder beschert. Daher geht an dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle die Freunde, Nachbarn und Cousins, die in den vergangenen Jahren unserem Nachwuchs leuchtende Augen beschert haben und an all die Hobbyweihnachtsmänner, die das für andere Familien machen. Vergangenes Jahr war die Suche so schwierig, dass wir irgendwann Mitte Dezember entnervt aufgegeben und entschieden haben, dass der Weihnachtsmann nicht kommt. Stattdessen stand Heiligabend ein Sack vor unserer Wohnungstür, als wir vom Spaziergang zurückkamen. Darin fanden sich nicht nur die ersehnten Geschenke, sondern auch ein freundlicher Brief, in dem der alte weiße Mann bedauerte, dass wir uns verpasst hatten. Ich war sehr zufrieden mit dieser Lösung – bis unsere Jüngste fast in Tränen ausbrach. Sie konnte es nicht fassen, dass wir mit unserem Spaziergang den Höhepunkt des Weihnachtsfestes verpasst hatten. Noch Monate später kam sie darauf zu sprechen mit dem Hinweis, dass wir ihn beim nächsten Mal auf keinen Fall verpassen dürften. Das hat mein Mutterherz so getroffen, dass ich in diesem Jahr einen Profi engagiert habe. Er ist einer der letzten seiner Art und ich habe ihn bereits im Sommer angefragt, damit es ganz sicher klappt. Er ist ein echtes Original und in seinem Kostüm auch auf unserem hiesigen Weihnachtsmarkt anzutreffen, so dass es bei der Jüngsten keinen Zweifel an seiner Echtheit gibt. Einziges Manko: Sein Stundenlohn hat mit dem ursprünglichen Gedanken an Weihnachten – dem Fest der Liebe und Barmherzigkeit – nicht viel zu tun. Ich glaube, der Stundenlohn liegt sogar über dem der alten weißen Männer im weißen Haus und im Kanzleramt. Aber ich weiß, dass er seine Sache sehr gut macht und zumindest unsere Jüngste seinen Besuch kaum erwarten kann. Ihren Wunschzettel hat sie ihm bereits Mitte November zugeschickt, jetzt suchen wir ein Gedicht aus, dass sie bis dahin auswendig lernt. Und ich hoffe ganz im Stillen, dass wir nächstes Jahr altersbedingt das Thema Weihnachtsmann abhaken können, weil auch die Jüngste durchschaut hat, dass nicht der alte weiße Mann die Geschenke besorgt. In diesem Sinne: fröhliche Bescherung! Lausitz-Mummy: Alter weißer Mann
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