Zurück in die Zukunft

Datum: Freitag, 08. Dezember 2023 15:52


Foto: Ruslanshug, istock

Neue Perspektiven für Rückkehrer und Neu-Lausitzer in Deutschlands Boomregion

Die Weihnachtszeit ist immer auch eine Zeit der Heimkehr. Viele Ehemalige kommen für die heimeligen Tage zurück in den Schoß der Familie, verbringen die Festtage mit Oma und Opa in der Heimat, in der sie groß geworden sind. Eben weil so viele Ehemalige dann in der Lausitz weilen, ist die Zeit zwischen den Jahren auch die Zeit der Rückkehrertage. Allein am 27. Dezember laden sechs Orte zwischen Lübben und Zittau zu Jobbörsen ein, auf denen Unternehmen ihre freien Stellen, Vermieter freie Wohnungen und geplante Bauvorhaben, Stadtvertreter die Freizeit-, Betreuungs- und Bildungsangebote vorstellen. Lübben und Cottbus verlegen den Rückkehrertag gleich auf den Weihnachtsmarkt. Cottbus testet in diesem Jahr das innovative Format eines Speed-Datings auf dem Riesenrad. Während das Rad seine Runden über den festlich beleuchteten Altmarkt dreht, können Sie potenzielle Arbeitgeber kennenlernen und Ihre Bewerbungsunterlagen abgeben. Mit dabei sind unter anderem die Stadtverwaltung Cottbus, das Ansgari Pflegeteam, die Allianz, Berg & Kießling, das Diakonische Werk, die EGC, die Hamburger Containerboard & Dunapack Packaging, die Johanniter-Unfall-Hilfe, der Lausitz Science Park, und die ZEDAS GmbH. Außerdem gibt es Informationen zu Kitas, Schulen, Integration und Stadtentwicklung. Aktuelle Projekte und Entwicklungen im Strukturwandel sind in der Kino-Lounge zu sehen. Für die Kleinen gibt es eine Kreativstation.

In Guben lädt die Willkommensagentur „Guben tut gut.“ zum mittlerweile 6. Rückkehrertag. Ebenfalls am 27. Dezember 2023 präsentieren sich ortsansässige Unternehmen und Institutionen in der Alten Färberei und informieren zu den Themen Arbeiten und Wohnen in Guben, zu sozialen Einrichtungen, Kindergärten und Schulen. Man hat die Möglichkeit, mit den jeweiligen Firmen direkt ins Gespräch zu kommen und sich über angebotene Stellen zu informieren. Mit dabei sind unter anderem die Bäckerei Dreißig, Deichmann, die Energieversorgung Guben, die beiden Großvermieter, das Plastinarium, die Neuansiedlung RockTech und die Volksbank Spree-Neiße.

Wer zu den Rückkehrertagen nicht vor Ort sein kann, findet mittlerweile in vielen Kommunen Ansprechpartner, die sich um die Anliegen von Rückkehr- und Zuzugswilligen kümmern. Vor allem in Brandenburg sind in den vergangenen Jahren viele lokale Netzwerke entstanden, die kostenfrei zu freien Jobs beraten und bei der Kita- und Wohnungssuche helfen. Wir geben am Ende dieses Artikels einen Überblick samt Kontaktdaten.

Dass das Interesse ehemaliger Lausitzer an der Heimat so groß ist und andererseits auch die Arbeitgeber aktiv um Rückkehrer werben, hat gute Gründe. Die Lausitz erlebt derzeit eine nie dagewesene Dynamik voller Chancen. Der Strukturwandel ist gestartet, die ersten Investitionen sind sichtbar. Zusätzlich zu den öffentlich geförderten Leuchtturm-Projekten investiert die Privatwirtschaft in der Region. Mehrere große Unternehmen, unter ihnen internationale Player, haben jüngst ihren Standort erweitert oder sich neu angesiedelt. Damit einher gehen attraktive Arbeitsplätze in Forschung, Industrie und Zukunftstechnologien. Wer die Welt von morgen mitgestalten will, findet in der Lausitz die passende Stelle. Allein in der Boomtown Cottbus sollen bis zu 15.000 neue Jobs entstehen, auch das Land Brandenburg stellt „Schöne Stellen, soweit das Auge reicht“ ins Schaufenster. Die Oberlausitz lockt ebenso mit Wandelenergie und Lebensqualität ins Unbezahlbarland.

Zu den größten Strukturwandelprojekten gehören das neue Bahnwerk in Cottbus, in dem ab 2024 die neueste Generation der ICE-Züge gewartet werden soll. Ebenfalls in Cottbus hat in unmittelbarer Nachbarschaft zum Carl-Thiem-Klinikum der Aufbau einer Universitätsmedizin begonnen. In der Oberlausitz erforschen Wissenschaftler aus aller Welt Datenströme aus dem Universum: Das Deutsche Zentrum für Astrophysik wird in den kommenden Jahren in Görlitz aufgebaut.

Die aktuell größten privaten Investitionen sind in den Bereichen Mobilität und Energie zu verzeichnen: Die LEAG als größter Arbeitgeber stellt sich aufgrund des Kohlausstiegs neu auf. Mit der GigawattFactory wird in den kommenden Jahren Deutschlands grünes Powerhouse mit sieben Gigawatt Energieerzeugung aus Erneuerbaren entstehen. Im Industriepark Schwarze Pumpe, der schon heute mit 5.000 Arbeitsplätzen das industrielle Herz der Lausitz ist, sind ebenfalls weitere Ansiedlungen vorgesehen. Allein die australische Altech-Gruppe will in den kommenden Jahren bis zu 1.000 Arbeitskräfte einstellen. Das Unternehmen baut im Bereich Batterietechnologie eine neuartige Produktion auf. Weitere Glieder einer Wertschöpfungskette rund um Batterien entstehen in Guben, Lauchhammer und Schwarzheide mit weiteren insgesamt 1.400 Arbeitsplätzen.

Neben den Jobs sind es die weichen Standortfaktoren, die Menschen zurück oder auch neu in die Lausitz locken. Wir haben für diese Ausgabe mit sechs Familien gesprochen, die in den vergangenen Jahren zurück in ihre Heimat gekehrt sind. Für jede von ihnen war die höhere Lebensqualität in der Lausitz ausschlaggebend: mehr Ruhe als in der Metropole, bessere Bedingungen, um Kinder großzuziehen, die Nähe zu den Großeltern, mehr Möglichkeiten für gesellschaftliches Engagement, die Landschaft und die Freizeitmöglichkeiten und nicht zuletzt die geringen Lebenshaltungskosten. Jede von ihnen konnte sich hier den Traum vom eigenen Haus erfüllen, der zuvor unbezahlbar war.

Um die 20 Euro kostet ein Quadratmeter Bauland in den ländlichen Lausitzer Regionen. So ist ein Grundstück mit einer Größe von 1.000 m² im Landkreis Spree-Neiße schon für 15 bis 20 Tausend Euro zu haben, im Landkreis Görlitz gibt es Großgrundstücke mit derselben Fläche für rund 25.000 Euro. In München wird für dieselbe Grundstücksgröße ein Millionenbetrag fällig. Auch bezugsfertige Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sind in der Lausitz für verhältnismäßig kleines Geld zu haben. So zahlt man in Cottbus im Schnitt 1.700 Euro je Quadratmeter, in Berlin 5.600 Euro und in München 8.800 Euro. Das Bild setzt sich bei den Preisen für Mietwohnungen fort. Deutschlandweit zählen diese in der Lausitz zu den niedrigsten. Je nach Kommune liegt die durchschnittliche Kaltmiete zwischen 4 und 6 Euro je Quadratmeter, in Hamburg bei 12 Euro, in München bei 17 Euro. Viele Kommunen schaffen aktuell neue Flächen zum Bau von Eigenheimen, Großvermieter investieren in Neubauprojekte, bei denen ganz bewusst auch große Familienwohnungen geschaffen werden.

Wer nach Jahren im Ausland oder in anderen Bundesländern erstmals wieder in die Lausitz kommt, der ist zudem oft positiv überrascht, wie sich die Region herausgeputzt hat. Industriebrachen sind verschwunden, viele Städte und Dörfer haben ihre Zentren saniert, so dass dort heute schmucke Fassaden Einheimische und Gäste begrüßen. Der Spreewald ist eine der beliebtesten Urlaubsregionen in Deutschland. Südlich davon entsteht seit einigen Jahren der nächste Touristenmagnet: das Lausitzer Seenland. Die riesigen Kohlebagger sind verschwunden und haben Platz gemacht für blaue Seen, weite Strände, Wassersportzentren, komfortable Campingplätze, Hotels und Restaurants, von denen einige mit einzigartigem Konzept überzeugen. Das Seenland gilt mit 25 Bergbaufolgeseen, von denen mehrere über schiffbare Kanäle verbunden sind, als größte von Menschenhand geschaffene Seenkette. Weitere beeindruckende Landschaften locken in der Oberlausitz zu ausgedehnten Spaziergängen oder Radtouren: Der Muskauer Park, die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft und der Geopark Muskauer Faltenbogen. Sie alle tragen einen Unesco-Titel, genauso wie das Biosphärenreservat Spreewald . Auch das ist einzigartig: Kaum eine andere Region in Deutschland vereint sowohl viele Unesco-Titelträger.

Es gibt also ziemlich viele und ziemlich gute Gründe, die für eine Rückkehr in die Lausitz sprechen oder für einen Neustart. Die meisten Initiativen, die dabei unterstützen, kümmern sich längst auch um Neu-Lausitzer und Hiergebliebene, denn damit der Wandel in der Lausitz gelingt, braucht es Viele.


Kontakte für Rückkehrer & Neu-Lausitzer:

  • Calau, Netzwerk Calau, Veronika Alb, Tel. 03541 89580, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.wbc-calau.de 
  • Cottbus, Sehnsucht Cottbus, Isabell Poneß, Tel. 0355 72991330, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.willkommen-in-cottbus.de; www.boomtown.de 
  • Elbe-Elster-Kreis, Comeback Elbe-Elster, Tel. 03531 718288, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.comeback-ee.de 
  • Forst (Lausitz), Bozena-Natalia Roch, Tel. 03562 989247, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!www.forst-lausitz.de 
  • Görlitz (Landkreis), Unbezahlbarland: Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz, Tel. 03581 329010, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.unbezahlbar.land 
  • Görlitz (Stadt), Europastadt GörlitzZgorzelec, Tel. 03581 475740, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.welcome-goerlitz-zgorzelec.com 
  • Guben, Willkommensagentur Guben tut gut. Katharina Laugks, Tel. 03561 38 67, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.guben-tut-gut.de 
  • Hoyerswerda, Familienregion HOY e.V., Tel. 0172 2339759, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.familienregion-hoy.de 
  • Kamenz & Wachstumsregion Dresden, Tel. 03578 379104, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.wachstumsregion-dresden.de 
  • Oberlausitz, Raumpionierstation Oberlausitz, Arielle Kohlschmidt & Jan Hufenbach, Tel. 035775 41664, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.raumpioniere-oberlausitz.de 
  • Spremberg, Initiative Heeme fehlste!, Anja Guhlan, 0172 7595655, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.heeme-fehlste.de 
  • Weißwasser, Hotline für Rückkehrer & Neubürger: Tel. 03576 265279, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.weisswasser.de 
  • Wirtschaftsregion Westlausitz, Tel. 0176 15753300, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.wachstumskern-westlausitz.de 

Rückkehrertage

Bautzen: Rückkehrer-Börse „Wiederda“: Mittwoch 27.12.2023 von 10 bis 14 Uhr, Bahnhof Bautzen

Calau: Nachtwächter-Rundgang: Dienstag 5.12.2024, 17 Uhr, Treff im Info-Punkt der WBC Calau

Cottbus: BOOMTOWN Rückkehrertag: Mittwoch 27.12.2023 von 13 bis 18 Uhr, Weihnachtsmarkt auf dem Altmarkt

Guben: Rückkehrertag: Mittwoch 27.12.2023 von 10 bis 13 Uhr, Alte Färberei

Herzberg: Rückkehr- und Zuzugsberatung: Donnerstag 14.12.2023 von 10 bis 13 Uhr, LUG2 Coworking

Lübben: Jobmesse auf der Glühweinmeile: Mittwoch 27.12.2023 ab 18 Uhr, Marktplatz

Spremberg: „Heeme fehlste“-Stammtisch für Rückkehrer und Neu-Spremberger: Mittwoch 10.01.2024 ab 19 Uhr, Confiserie Felicitas in Hornow

Weißwasser: Rückkehrer- und Karrieretag: Mittwoch 27.12.2023 von 13 – 16 Uhr, Traditionsraum der Eisarena

Zittau: Rückkehrertag: Mittwoch 27.12.2023 von 10 bis 14 Uhr, Theater


Den schönsten Spielplatz direkt vor der Haustür
Familie Fengler zog 2021 von Berlin nach Bergen

Als Familie Fengler 2021 in den kleinen Ort Bergen bei Hoyerswerda zog, hat sich dessen Einwohnerzahl mit einem Mal um gut ein Prozent erhöht. Die Rückkehr von Familie Fengler bescherte der Dorfgemeinschaft acht neue Mitglieder: Die hier geborene Tina Fengler, ihr Mann Thomas und die sechs Kinder. Der Jüngste wird bald sieben Jahre und besucht inzwischen die sorbische Grundschule in Hoyerswerda, die Älteste ist 20 und macht eine Ausbildung in Dresden. Geboren und aufgewachsen sind sie alle in Berlin, ein beträchtlicher Gegensatz zum beschaulichen Bergen. „Natürlich hat eine Großstadt wie Berlin eine ganz andere Infrastruktur zu bieten, angefangen beim Mobilfunknetz über den ÖPNV bis hin zum Kulturangebot“, weiß Dr. Thomas Fengler und schiebt gleich hinterher: „Man muss aber ehrlicherweise sagen, dass wir durch die Kinder ohnehin kaum Zeit hatten, abends mal wegzugehen.“ Dafür war es hier 2021 einfacher, nach dem Umzug im Juni einen Kitaplatz für den Jüngsten zu finden. Auf dem Vier-Seiten-Hof in Bergen gibt es nun nicht nur reichlich Platz, sondern auch den schönsten Spielplatz umsonst und draußen direkt vor der Tür: den Anger und hinten raus Wald in Richtung Bergener Zugvögel-Oase im ehemaligen Tagebau.
Tinas Eltern leben fast um die Ecke. Sie waren natürlich ein gewichtiges Argument für die Rückkehr in die Lausitz: Jetzt können sie die Enkel erleben, und packen gern mit an. Und wenn sie selbst Hilfe brauchen, können die Jüngeren ihnen zur Seite stehen. Tochter Tina arbeitet in der Pflege. Sie hat mit dem Umzug in die Lausitz ihren Traumjob gefunden: als Pflegedienstleiterin in einem recht kleinen Seniorenwohnheim, in dem noch der Mensch im Mittelpunkt steht. Vater Thomas Fengler muss nicht mehr arbeiten, er „darf“. Der Arzt und Ingenieur gibt sein Wissen und seine Expertise gern weiter, schreibt an Büchern und hält auf Einladung Vorträge wie zuletzt in Mexico und in Dresden. Die Kinder haben sich rasch eingelebt und Freunde gefunden, wenn sie auch manchmal den Trubel und die Vielfalt der Großstadt vermissen. „Wir sind angekommen und fühlen uns angenommen“, bilanziert Thomas Fengler nach bald zwei Jahren und ergänzt schmunzelnd: „Sogar ich als Berliner.“


Wir haben uns für die Kinder etwas anderes gewünscht
Familie Pache kam 2017 aus Potsdam zurück nach Guben

Es war ein reizvolles Jobangebot, das Juliane Pache 2011 aus Guben weg in die Landeshauptstadt Potsdam lockte. Sie fand dort eine passende Stelle als Physiotherapeutin. 2012 folgte ihr Mann Christian. Die beiden fanden eine schöne Wohnung in der Innenstadt, mit der Arbeit passte es auch, dazu die Potsdamer Kulisse mit den vielen Sehenswürdigkeiten und kulturellen Angeboten. „Natürlich ist Potsdam eine schöne Stadt, aber mit der Zeit hat der Reiz des Neuen nachgelassen“, so das Paar. Als 2016 Tochter Valentina zur Welt kam, verlor die Großstadt für die junge Familie noch mehr an Reiz. Stattdessen wuchs die Sehnsucht nach der alten Heimat. Als die Entscheidung für eine Kinderbetreuung anstand, wurde aus Sehnsucht Gewissheit: „In Potsdam überhaupt eine  Betreuung zu finden, ist schon schwierig: Die Wartezeiten sind lang, viele Einrichtungen groß und anonym. Wir haben uns etwas anderes gewünscht“, erzählt Christian Pache. Also zogen sie 2017 zurück nach Guben, fanden dort eine Tagesmutter für Valentina. Mutter Juliane konnte nach der Elternzeit wieder als Physiotherapeutin arbeiten, sie fand in Guben eine optimale Stelle. Ihr Mann Christian Pache entschied sich nach der Geburt von Sohn Cornelius im Jahr 2018 für das Wagnis Selbständigkeit. An seinem damaligen Arbeitsplatz verstärkte sich sein Asthma. In Potsdam hatten ihm regelmäßige Besuche in der Salzgrotte gut getan. So etwas fehlte in Guben. Also entschied er sich, einen solchen Wohlfühlort auch in seiner Heimatstadt zu schaffen. Nach einem Pandemie-bedingt schwierigen Start haben die Menschen in Guben und Umgebung die Salzgrotte gut angenommen. Auch privat hat sich Familie Pache mittlerweile ihren ganz persönlichen Wohlfühlort geschaffen. Vor zwei Jahren hatten sie die Möglichkeit, ein Haus in einem kleinen Ort unweit von Guben zu erwerben. „Wir sind selbst dörflich aufgewachsen. Für uns und die Kinder lebt es sich hier so viel schöner als im anonymen Trubel der Großstadt“, so die Familie. Noch ein Pluspunkt: Oma und Opa wohnen um die Ecke. In ihrer Freizeit sind sie gern mit dem Rad unterwegs und würden sich über eine bessere Infrastruktur freuen: „In Guben passiert gerade viel, es wird investiert, die Innenstadt soll belebt werden. Die Stadt setzt auf Zuzug. Da wäre es schön, wenn das Drumherum auch passt: mehr Gastronomie und besser ausgebaute Radwege.“


Wandel im Großen und Kleinen
Familie Ludwig zog 2022 vom Rhein an den Bärwalder See

„Mich bekommen keine zehn Pferde zurück.“ Das dachte Guido Ludwig immer, wenn er zu Besuch in seiner alten Lausitzer Heimat war. Seine Geburtsstadt Weißwasser hat er schon als Kind verlassen. Gemeinsam mit seiner Mutter ging es in den 1990er-Jahren nach Potsdam. Nach der Schule zog es den jungen Mann dann nach Baden-Württemberg, wo er eine Lehre machte und seine Frau Heidi kennenlernte. Der Kontakt zur Lausitzer Heimat riss nie ab. Immer mal wieder besuchte er die Großeltern, verbrachte seinen Urlaub hier. Nur dauerhaft zurückkehren wollte er nicht. Doch dann kam vor sechs Jahren Sohn Finn zur Welt, später seine Schwester Fiona. Mit den Kindern kam der Wunsch nach mehr Nähe zur Familie und nach der eigenen Scholle. „Wir wollten immer schon ein Haus mit einem großen Grundstück“, erzählen die beiden. In Nochten sind sie fündig geworden. Im Frühjahr 2022 wurden Kisten gepackt und mit dem LKW quer durch Deutschland geschickt. Aus Breisach am Rhein brachte Guido Ludwig nicht nur seine Frau und die Kinder mit, sondern auch die Schwiegereltern. Der Wechsel von der Kleinstadt aufs Dorf fiel ihnen leicht: „Wir sind gut aufgenommen worden von der Dorfgemeinschaft, genießen die dörflichen Traditionen und Feste.“ Und auch die Kinderbetreuung ist hier in Sachsen leichter zu organisieren als in Baden-Württemberg. Beruflich ist die Familie ebenfalls angekommen: Heidi arbeitet in einem Betonwerk in Boxberg, Guido hat zwei Standbeine: bei der Werksfeuerwehr der LEAG und als selbständiger Vermögensberater. Gerade baut sich die Familie ein weiteres Standbein auf: Auf ihrem Hof errichten sie zwei Ferienwohnungen. „Die Region hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Der Tourismus birgt ein großes Potenzial für die Lausitz“, sagt Guido Ludwig. Sie selbst nutzen regelmäßig den Bärwalder See und den Findlingspark: „Gleich am Tag nach unserem Umzug, haben wir uns eine Jahreskarte für den Park gekauft“, erzählt Heidi Ludwig. Beide Orte stehen exemplarisch für den Wandel der Region: von der Kohleregion zum Seenland und zum Grünstromland. Guido Ludwig trägt seinen Teil zum Wandel bei. Er engagiert sich im Vorstand der Energiegenossenschaft Perspektive Boxberg, welche die Energieversorgung nachhaltiger und regionaler machen möchte. Privat ist das Familie Ludwig bereits gelungen: Ihr Haus kann sich fast vollständig selbst mit Strom und Wärme versorgen – aus erneuerbaren Energien.


Unsere Lebensqualität ist jetzt höher
Familie Barthel zog 2016 von Stuttgart nach Weißwasser

Aufgewachsen ist Marcel Barthel in der Region Weißwasser, hier bezog er nach der Schule die erste eigene Wohnung, machte eine Ausbildung im Kraftwerk. Er wollte dann ein Studium anschließen und ging dafür gemeinsam mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau ins Vogtland. Gemeinsam zogen sie weiter nach Baden-Württemberg. Sie arbeiteten und lebten acht Jahre in Stuttgart, dort kamen auch ihre beiden Söhne Florian und Tobias zur Welt. Die Familie fühlte sich wohl in Süddeutschland, beide hatten gute Jobs und doch zog es sie während des Urlaubs immer wieder in die sächsische Heimat. Sie verbrachten viel Zeit im Garten in Weißwasser und dachten immer öfter an eine dauerhafte Rückkehr: „Wir merkten, dass die Kinder sich während der Heimatbesuche wohler fühlten, sie waren hier geerdet“, so die Rückkehrer. Dazu kam der wachsende Platzbedarf. Mit den zwei Jungs wurde die Stuttgarter Wohnung langsam zu eng: „Die Suche nach einer größeren Wohnung gestaltete sich schwierig. Für zehn Quadratmeter mehr Wohnfläche mussten wir mit etwa 400 Euro mehr Miete rechnen“, blickt Marcel Barthel zurück. Und so schlugen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: 2016 zogen sie nach Weißwasser und bauten dort ein Haus, zu dem ein 2.800 Quadratmeter großes Grundstück gehört: „In Stuttgart hätten wir dafür ein Vielfaches bezahlen müssen.“ Und auch in anderer Hinsicht haben sie an Lebensqualität gewonnen: Viele Wege sind kürzer, die Jungs können mit Bus und Rad fast alle Wege zur Schule und in der Freizeit selbständig bewältigen. Andrea Barthel arbeitet als Architektin in Görlitz, sie pendelt mit dem Zug, Marcel Barthel ist seinem alten Arbeitgeber in Süddeutschland treu geblieben und arbeitet als Programmierer im Home-Office. Zusätzlich hat er sich im Nebenerwerb mit einer IT-Firma selbstständig gemacht, wobei seine Kunden vor allem außerhalb der Lausitz sitzen. „Hier in der Region ist das Verständnis für Digitalisierung und effiziente digitale Prozesse noch ausbaufähig“, bedauert der Jungunternehmer. Das kennt er aus Baden-Württemberg anders. Noch an anderer Stelle wünscht er sich etwas mehr süddeutsche Mentalität: „Die Lausitz braucht eine Willkommenskultur, mehr Offenheit für andere Kulturen. Und etwas mehr Macher-Qualitäten wären auch schön. Der Strukturwandel bietet so viele Möglichkeiten, aber wir brauchen mehr Enthusiasmus.“


Ich wollte ein stabiles, familiäres Umfeld für meine Tochter
Nicole Dentz zog aus Freiburg zurück nach Guben

„Ich bin Nicole Dentz, gebürtige Gub`nerin, 37 Jahre jung und Mutter einer 9-jährigen Tochter. Wie viele junge Menschen zog es mich nach dem Abitur erst einmal in die Großstadt, nach Dresden. Dort absolvierte ich meine erste Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin für Medien und Kommunikation. Zur zweiten Ausbildung zur Mediengestalterin für Bild & Ton kam ich vorerst nach Guben zurück. Doch es kommt im Leben oft anders als gedacht, und so zog es mich anschließend nach Freiburg im Breisgau. Nach knapp sieben Jahren, in denen zwischenzeitlich meine Tochter geboren wurde, war klar: ich will zurück! Die Arbeitsmarktlage in Guben hatte sich in den Jahren meiner Abwesenheit zum Positiven verändert und so fand ich direkt nach meiner Rückkehr eine neue Arbeit, bei der Gubener Plastinate GmbH. Seit 2017 bin ich hier unter anderem im PLASTINARIUM tätig. Ein Job, der abwechslungsreich, einzigartig und spannend ist. Warum bin ich zurück gekommen? Ganz klar: die Familie! Ich wollte wieder von meinen Liebsten umgeben sein und auch meiner Tochter ein stabiles, familiäres Umfeld bieten.“


Von der Küste ins Seenland
Familie Morling kam im Sommer aus Kiel nach Spremberg zurück

Das Meer fehlt doch etwas. Im Sommer dieses Jahres ist Familie Morling aus der Nähe von Kiel in die Spremberger Heimat zurückgekehrt. Zuvor hatten Morris Morling und seine Frau Nadine fast 25 Jahre an der Ostsee gelebt – das Reihenhaus, das sie zur Miete bewohnt hatten, war nur fünf Kilometer von der Küste entfernt. Das Meer war es auch, was Morris Morling 1997 nach Norden zog: Er wollte zur See, fing nach der abgeschlossenen Lehre in Schwarze Pumpe bei der Marine an und lebte vier Jahre vor allem auf dem Schiff. Dann wurde er mit seiner Frau sesshaft, vor zwölf Jahren machte Dominik die Familie komplett. In diesem Sommer wechselte er nicht nur die Schule, sondern auch die Heimat. Geboren und aufgewachsen ist er in Schleswig-Holstein, seit diesem Sommer besucht er das Erwin-Strittmatter-Gymnasium in Spremberg. „Wir hatten schon länger mit dem Gedanken einer Rückkehr gespielt. Jetzt hat es sich angeboten, weil in Brandenburg der Schulwechsel mit Klasse 7 stattfindet“, erzählt Nadine Morling. Unterstützt wurden sie bei der Rückkehr von der Initiative „Heeme fehlste“. Sohn Dominik hat sich schnell eingelebt und genießt die Nähe zu Oma und Opa. Die Familie ist in das Elternhaus von Mama Nadine eingezogen. Hier haben sie sehr viel mehr Platz als an der Küste und auf dem knapp 3.000 Quadratmeter großen Grundstück ist immer gut zu tun. Sohn Dominik packt überall mit an und kann so sein handwerkliches Geschick weiter ausbauen: beim Beete anlegen und Pflastersteine verlegen oder einfach nur Oma nebenan helfen. „Zuletzt habe ich ein Bewässerungssystem für Mama gebaut und angefangen, eine Kräuterspirale zu mauern“, berichtet er von seiner Leidenschaft. Beruflich sind sie auch angekommen: Morris Morling hat eine Stelle bei einem großen Unternehmen in Elsterheide gefunden, Nadine Morling kann vom Homeoffice aus weiter für ihren bisherigen Arbeitgeber – eine Rechtsanwaltskanzlei aus Altenholz bei Kiel – arbeiten. Und wenn neben dem Job und der Arbeit auf dem Grundstück noch Zeit bleibt, dann erkunden sie Spremberg und die Umgebung: „Die Stadt hat sich schön herausgeputzt in den vergangenen Jahren“, freuen sich die Rückkehrer. Sie lieben die grünen Ecken wie den Stadtpark, den Schwanenteich oder die Radwege entlang der Spree. Das Lausitzer Seenland haben sie auch schon für sich entdeckt. Die Seen sind zumindest ein kleiner Ersatz für das fehlende Meer.


Von den Möglichkeiten des Landlebens
Familie Schimmack zog 2019 von Berlin nach Hornow

Diese Rückkehrergeschichte lassen wir am besten mit dem Foto auf dieser Seite beginnen. Es zeigt Carmen und Steffen Schimmack mit ihren beiden Töchtern beim Dreh für den Spielfilm „Ein Feuerwerk für die Kleinstadt – eine Sommerkomödie aus der Lausitz“. Dort spielt die ganze Familie als Komparsen mit – ehrenamtlich: „Es heißt immer, die Großstadt bietet so viele Möglichkeiten“, sagt Carmen Schimmack. „Aber seit unserer Rückkehr in die Lausitz haben wir gemerkt, dass es hier so viel mehr Möglichkeiten als in Berlin gibt, sich zu engagieren und das Leben hier mitzugestalten.“ Und diese Möglichkeiten nutzt sie: Sie sitzt im Ortsbeirat und ist Vorsitzende des örtlichen Kulturvereins „Wir lassen die Kultur im Dorf Hornow e.V. aufleben.“ Dieser hatte sich gegründet, nachdem ein Verkauf des Schlosses in Hornow zur Diskussion stand. „Das Schloss gehört zum Ort und sollte wieder zum kulturellen Anker des Ortes werden“, sagt Carmen Schimmack. Sie verbindet auch eine persönliche Erinnerung mit dem Schloss: 2009 hat sie hier ihre Jugendliebe Steffen geheiratet. Damals haben die beiden in Nordrhein-Westfalen gelebt. Nach dem Abitur hatten sie der Lausitzer Heimat den Rücken gekehrt, Carmen zog aus ihrem Heimatdorf bei Lohsa nach Freital, Steffen aus Hornow nach Berlin. Weitere berufliche Stationen waren Bonn, Mainz und Berlin. Dort wuchsen auch die Töchter Milena und Annelie auf. „Irgendwann haben wir gemerkt, dass uns doch die Nähe zur Familie fehlt“, berichten die beiden Rückkehrer. Also wuchs der Wunsch, wieder in die Heimat zurückzukommen. In direkter Nachbarschaft zum Grundstück von Steffens Eltern konnten sie sich ein Haus bauen. „Das hätten wir in Berlin niemals bezahlen können“, erzählt Carmen Schimmack schon vom ersten Vorzug der neuen, alten Heimat. Und natürlich die Nähe zur Familie: „Die Kinder müssen nur über die Wiese laufen und sind schon bei der Oma.“ Auch die Tante wohnt direkt nebenan. Dafür sind andere Wege mit dem Umzug aufs Land länger geworden. In Berlin konnte die Familie vieles mit dem Rad erledigen. Jetzt braucht es doch häufiger das Auto oder den Bus: Die Töchter besuchen ein Gymnasium in Hoyerswerda, die jüngere ist beim Turnen in Spremberg. Und Milena wünscht sich mit ihren 13 Jahren manchmal etwas mehr Abwechslung, als es das Landleben bieten kann. Den Filmdreh aber fand auch sie toll. Und diese Möglichkeit hätte sich in Berlin kaum ergeben.