Seite 27 - lausebande-02-2014

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Titelthema :: Seite 27
Pro
&
Contra
zur Grundschrift
„Die Grundschrift ist die bessere Schrift für die Kinder.“
Ulrich Hecker
Stellvertretender
Vorsitzender des
Grundschulverband e.V.
Noch lernen Kinder in den meisten Bundes-
ländern zwei Ausgangsschriften: eine mit der
Hand geschriebene Druckschrift und im Anschluss
daran entweder die Lateinische, Vereinfachte oder
Schul-Ausgangsschrift. Damit ergibt sich die unsin-
nige Situation, dass Kinder zwei Ausgangsschriften
lernen: Von Schulbeginn an die Druckschrift, später
eine der genormten Schulschriften. Alle drei sind
inzwischen 60 bzw. gut 50 Jahre alt und waren tat-
sächlich als „Ausgangs-Schrift“ gedacht: als erste
Schrift zum Schreibenlernen. Inzwischen sind die
normierten Schulschriften lebensfremd: Sie kom-
men in der Lebenswelt der Kinder nirgendwo vor,
nur in der Schule, für die sie ausschließlich konst-
ruiert wurden. Mit der Grundschrift präsentiert der
Grundschulverband eine Schrift, die alle Anforde-
rungen an eine qualitätvolle Schreibschrift erfüllt:
formklar und gut lesbar, flüssig zu schreiben und
funktional für alle Verwendungen der Textproduk-
tion. Aus ihrer ersten Schrift können Kinder eine
flüssige und lesbare Handschrift entwickeln – die
Schrift, die sie in Schule, Ausbildung, Beruf und le-
ben (ge-)brauchen. Die Grundschrift ist eine Schrift
für die Hand der Kinder, sie ist ihrer (Schreib-)
Motorik angepasst. Die Buchstaben werden nicht
„gedruckt“, sondern in zunehmend flüssiger Be-
wegung geschrieben. Kinder bringen Buchstaben
in Bewegung, sie nehmen die Schrift in ihre eigene
Hand. Dafür brauchen Kinder gerade Zeiten und
Räume, um (ihr) Schreiben mit der Hand erfahren,
üben, erproben und anwenden zu können. Nötig
ist eine neue Wertschätzung für die Handschrift in
der Schule. In den Bildungsstandards für das Fach
Deutsch in der Primarstufe hat die Kultusminis-
terkonferenz für alle Bundesländer zur Schrift als
Kompetenzziel festgelegt: „eine gute lesbare Hand-
schrift flüssig schreiben“. Und genau darum muss
es gehen! Fazit: Eine Schrift zum Lesen- und Schrei-
benlernen ist genug.
Wolfgang Hildebrandt
1. Vorsitzender
der Aktion Deutsche
Sprache e.V.
Das deutsche Bildungssystem neigt dazu,
Schulprobleme durch Eingriffe der Politik
statt mit einer dem jeweiligen Problem angemes-
senen Methode zu lösen. Die Schwierigkeiten und
Herausforderungen beim Erlernen der Schreib-
schrift sind bekannt, doch ist es der richtige Weg,
diese einfach abzuschaffen? So sind einige Bundes-
länder dabei, die Schreibschrift abzuschaffen und
stattdessen die Grundschrift einzuführen, die eine
Druckschrift ist (allein diese Namensgebung ist ein
Täuschungsmanöver), die durch das Verbinden der
einzelnen Buchstaben angeblich zu einer flüssigen
Schreibschrift werden soll. Was verlieren wir mit der
Einführung dieser Schrift? Durch das ständige Auf
und Ab der Linienführung bei der Schreibschrift
erwerben Kinder wichtige Voraussetzungen für das
Verständnis eines Bewegungszusammenhangs.
Wenn wir Schreibschrift benutzen, so schreiben wir
eben nicht Buchstaben für Buchstaben, sondern
Ganzheiten, die der Lesende, wenn er denn diese
Schreibweise gelernt hat, als Silhouetten auf einen
Blick erfasst, ohne, wie ein Erstklässler, Buchstaben
für Buchstaben buchstabieren zu müssen. Damit
müssen wir auch nicht mehr Buchstaben für Buch-
staben 100% „ausmalen“, sondern es reicht, die für
dieses Wort typische Silhouette zu erzeugen, die je-
der sofort „erliest“. Damit erlernen wir blitzschnel-
les Schreiben und – noch wichtiger – blitzschnelles
Erfassen. Die Vertreter der Druckschrift verweigern
sich der Erkenntnis, dass mit der Schreibschrift fein-
motorische Anstöße gegeben werden. Diese sind für
die Ausbildung des Gehirns und damit für die ganz-
heitliche Entwicklung des Kindes, ähnlich wie z. B.
das Spielen eines Musikinstrumentes, von elemen-
tarer Bedeutung. Es wird den zukünftigen Genera-
tionen also eine wichtige Schreibtechnik und damit
Schreibkultur vorenthalten!