Titelthema :: Seite 40
Also sollte der erste oder zweite Weg
gleich zur Hebamme führen?
Ja.Wir brauchen auchper Gesetz zur
Geburt nur eine Hebamme und kei-
nenArzt. Ichhabemichauch für eine
Hebamme und eine zusätzliche Ge-
burtshelferin entschieden. Eine Frau
braucht jemanden, der sie durch die
Schwangerschaft begleitet unddurch
dieWehenhindurchführt und immer
das Gefühl gibt, sicher zu sein. Man
kann das mit einem Tier auf der af-
rikanischen Savanne vergleichen.
WenndasTierAngst vor Feindenhat,
produziert esAdrenalinunddas Blut
schießt in die Beine, die Geburt wird
angehaltenundes läuftweg.Wennes
sich sicher und geborgen fühlt, geht
das Blut in dieMitte des Körpers und
es kanngebären. Das ist bei unsMen-
schennicht anders.Wennwir uns si-
cher und geborgen fühlen, dann
kann der Körper auch gebären. Füh-
lenwir unsunsicher,wie ichdas oft in
Krankenhaussituationenerlebt habe,
dann bekommen wir das nicht gere-
gelt. Dadurch entstehen Komplikati-
onen –meist also erst bedingt durch
diesenOrt. DieHausgeburt hingegen
war rundum die schönste Erfahrung
meines Lebens, ohne dass es pathe-
tischklingensoll.MeinMannwar da-
bei,wir hattenmeineMusikundKer-
zen an. Meine Tochter war die ganze
Zeit dabei und hat den Kleinen mit
begrüßt. Es war ein unglaublich in-
tensives und berauschendes Gefühl.
Ich bin glücklich, jetzt über beide Er-
fahrungen zu verfügen und dadurch
auch darüber sprechen zu können.
Ich möchte Frauen dabei helfen, po-
sitiveErfahrungenmit IhrerGeburt zu
machen. DiemeistenFrauen,mit de-
nen ichbislanggesprochenhabe, fin-
dendieGeburt alsVorgang furchtbar.
Immer öfter gibt esdanndieTendenz
zumKaiserschnitt, umsich nicht mit
dem Thema auseinandersetzen zu
müssen.
Geburt auf meiner Brust, nachdem
er in die Arme seines Papas gebo-
ren wurde. Kein Fremder hat ihn an-
gefasst, er hatte gleich die Augen auf
und hat gleich getrunken. Es war so
entspannt. Das steht im krassen Ge-
gensatz zu den traumatisierenden
Erfahrungen bei der Geburt meiner
Tochter im Krankenhaus. Damals
haben wir beide ewig geweint. Es
hat lange gedauert, bis ichmich ent-
spannen konnte. Ich war körperlich
fertig. Nach der Hausgeburt hinge-
gen bin ich aufgestanden und fühlte
michsuper. Das ist ein riesigerUnter-
schied. Es ist mein Herzenswunsch,
dassmehr FrauendieseErfahrung tei-
len und kleine Menschen ihren Weg
ins Leben so positiv beginnen.
Hatten Sie keine Angst vor Kompli-
kationen, bei denen man in der Kli-
nik doch schneller Hilfe hat?
Über-
haupt nicht, ganz im Gegenteil. Bei
einer gesundenSchwangerschaft gibt
es keine Komplikationen – und falls
doch, habe ich ein Krankenhaus in
derNähe.Wenn ich imKrankenhaus
bin und dort ein Arzt gerufen wird,
braucht der dort auchgenauso lange
wie die Fahrt vonder Geburt zuHau-
se indieKlinik. AußerdemsindHaus-
geburtenoder natürlicheGeburten in
einem Geburtshaus sicher. Ganz im
Gegenteil schützt dieHausgeburt vor
Keimen, mit denen sich Neugebore-
ne gerade in Kliniken infizieren kön-
nen. Daswirdmeist gar nicht betrach-
tet. Es gehtmeinesErachtens aber vor
allemdarum, dassman als FrauVer-
trauen in den eigenen Körper haben
muss. Wir können gebären, seit tau-
senden von Jahren. Sonst wären wir
nicht so viele Menschen auf dieser
Welt. DiesesVertrauenzufinden,war
für mich sehr wichtig. Viel zu oft ha-
benFrauendiesesVertrauen in ihren
Körper unddieGeburt heuteverloren.
Sie gehen sehr offen mit Ihrer Ent-
scheidung zur Hausgeburt um, ste-
hen Freudinnen, Bekannte und
andere Mütter dem skeptisch gegen-
über?
Manchmal habe ich den Ein-
druck, die natürliche Geburt ist bei
uns ausderModegekommen. InHol-
landentscheidensichauchheute fast
zwei Drittel der Frauenmit gesunder
Schwangerschaft für eine Hausge-
burt. Bei uns ist die Geburt hingegen
einmedizinischesEreignis geworden.
Auchbeimir reagiertenFreundeund
Bekannte anfangs skeptisch, haben
dann aber sehr schnell mitbekom-
men, wie intensiv ich mich mit dem
Themaauseinandersetze,welcheRol-
le dieHebamme dabei spielt undwie
sehr ich auf mein Verhalten in der
Schwangerschaft achte. Sie haben
alle sehr viel Anteil genommen und
diesenWeg schließlich richtiggefun-
den. Ganz im Gegenteil habe ich so-
gar Freundeanimierenkönnen, auch
diesenWeg zu gehen.
Viele werdende Mütter suchen aber
die Sicherheit einer Klinik, können
Sie dieses Bedürfnis nachvollzie-
hen?
Ja, natürlich kann ich das ver-
stehen. Das hat aber damit zu tun,
dass wir einfach zu wenig über die-
ses Themawissen. Das ThemaHaus-
geburt kommt in Deutschland kaum
noch vor. Die Gynäkologen haben
meist keine Erfahrungen mit Haus-
geburten. Sie kennen die werden-
de Mutter nicht und haben sie auch
nie in der Schwangerschaft beglei-
tet. Trotzdem sind sie für werdende
Mütter meist bestimmend. Bei uns
geht die Frau sofort zum Gynäkolo-
gen, wenn sie schwanger ist. Der Gy-
näkologe nimmt sofort den medizi-
nischen Ansatz an. Wenn ich keine
Freunde habe, von denen ich gehört
habe, dass eineHausgeburt eine tolle
Sache ist, denke ichdarüber gar nicht
nach. Deshalbfinde iches sowichtig,
auf diese Alternative hinzuweisen.