Seite 27 - lausebande_09-2013

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Was vielen Eltern nicht klar ist: Jede Schule formu-
liert anhand der groben Vorgaben des Landes ein
eigenes Curriculum, das ist ein Lehrplan, in dem
detailliert festgeschrieben wird, was in welchem
Schuljahr wie zu vermitteln ist. Jede Schule hat so-
mit weitreichende Möglichkeiten der individuellen
Ausgestaltung – und daraus resultieren auch selbst
bei staatlichen Schulen unterschiedlichste Konzep-
te. Gute Schule wird also in erster Linie von einem
guten Team gemacht, bestehend aus der Schul-
leitung und einem motivierten Lehrerkollegium.
Der Föderalismus
Nach aktuellen Umfragen wünschen sich neun von
zehn Eltern grundlegende Veränderungen insbe-
sondere durch eine Zuständigkeit des Bundes und
eine Beseitigung der Kleinstaaterei in der deutschen
Bildung. Dieser Wunsch ist gerade in unseren Neu-
en Bundesländern groß, da viele Eltern gute Erin-
nerungen an das zentralisierte und leistungsfähige
Bildungssystem der DDR haben. Der Ursprung der
Länderhoheit in der Bildung liegt im Föderalismus,
der in seiner heutigen Form von den Alliierten Sie-
germachten 1945 auf der Konferenz von Jalta be-
schlossen wurde, um auf deutschem Boden das
Ausbreiten einer Ideologie wie die der Nazis zu un-
terbinden. Seit 1949 ist der Föderalismus in der Ver-
fassung verankert. Deutschland weist aber schon
seit Jahrhunderten föderale Strukturen auf, schon in
der Zeit alter Fürstentümer. Der Föderalismus um-
fasst die gewisse Eigenständigkeit der einzelnen 16
Bundesländer z.B. in Polizei, Medien, Kirche, Kultur
und Bildung. Bildung ist dabei schon immer einer
der wenigen Bereiche, in denen sich die einzelnen
Länder politisch profilieren. Allerdings bestehen zu-
mindest hier die historischen Gründe für die starke
Dezentralisierung aus der Nazi-Ära nicht mehr.
Gerade in den neuen Bundesländern werden Sinn
und Vorteile des Föderalismus oft nicht verstan-
den, da ein Großteil der Elterngeneration in einem
anderen System aufgewachsen ist. Dabei ist der
Föderalismus nicht das grundlegende Problem un-
seres Bildungssystems. Andere föderale Staaten wie
etwa Australien verfügen trotz dieser Struktur über
sehr leistungsfähige Bildungssysteme. Zudem gibt
es tatsächlich zwischen einzelnen Bundesländern
sehr große Unterschiede in den Anforderungen an
die Bildung: hier deutlich mehr Migranten, dort viel
mehr Kinder aus sozial benachteiligten Familien.
Viele Bildungsexperten sind sich heute einig, dass
nicht der Föderalismus an sich das Problem ist, son-
dern der mangelnde Wettbewerb und die fehlende
Abstimmung zwischen den Bundesländern. Seit
2006 ist auch Brandenburg aus dem Vergleichstest
PISA-E ausgestiegen, der unabhängig und auf inter-
nationaler Ebene einen Vergleich der Bildungssys-
teme der einzelnen Bundesländer untereinander,
aber auch mit Bildungssystemen anderer Staaten
ermöglicht. Stattdessen haben die Bundesländer
ein Institut mit der Erstellung eines neuen Tests
beauftragt, der als VERA3 und VERA8 in Branden-
burg z.B. in den Klassenstufen 3 und 8 erfolgt. Ein
genauer, nationaler und internationaler Vergleich
der Bundesländer auf unabhängiger Basis ist damit
nicht mehr gegeben. Genau hier liegt das Problem:
Die Bundesländer scheuen den genauen Vergleich
untereinander. Zu sehr wird die „Gefahr“ schlechter
Ergebnisse gefürchtet, statt die Chance zu begreifen,
von den guten Ergebnissen anderer zu lernen