Titelthema :: Seite 32
sehr früh eine oft eingeschränkte Spitzenförderung
in einer homogenen Klasse, sodass soziale Kompe-
tenzen und die heterogene Lebenswirklichkeit in
ihrer Schule oft nicht mehr stattfinden. Damit sind
Kompetenzen schwerer erlernbar, nach der unsere
heterogene Gesellschaft später verlangt. In jedem
Fall ist unser Bildungssystem nach der Trennung
in Abiturienten und einfache Bildungsabschlüsse
kaum durchlässig, viel zu selten gelingt Kindern
der Aufstieg von einem einfacheren Abschluss
zum Abitur. Viele Studien haben zudem belegt,
dass Kinder bildungsstarker Haushalte durch das
System stark bevorzugt werden. Inzwischen ist
das deutsche Gymnasium mit über 50 Prozent der
Schüler zur neuen Gesamtschule der Mittelschicht
geworden, es spiegelt kaum noch eine Leistungs-
spitze wider, wie das früher der Fall war.
Die Beschleunigung im Abitur auf 12 Jahre tut ihr
übriges und wird heute vielfach kritisch bewertet.
Zum einen erschwert die Verdichtung des Stoffs
an den Gymnasien die Aufstiegsmöglichkeit für
Schüler von einfacheren Schulformen und zemen-
tier damit die soziale Schieflage im Bildungssys-
tem, zum anderen bleibt bei dem zunehmenden
Zeitdruck die Vermittlung vieler Kompetenzen auf
der Strecke. Erste Rückmeldungen von Hochschu-
len machen eine verminderte Studierfähigkeit der
Kurzzeit-Abiturienten aus. Jugendlich, die mit 17
Jahren ihr Abi in der Tasche haben und im Schnell-
durchgang studieren, scheinen mit Anfang 20
meist gar nicht in der Lage, ernsthaft Führungsauf-
gaben wahrzunehmen.
Beim PISA-Gewinner Finnland lernen Kinder bis
zur 10. Klasse gemeinsam. Dort und vor allem in
Kanada hat man vor allem eine Kompetenz, die in
unserer Bildung noch längst nicht angekommen
ist: Das individualisierte Lernen bzw. die individu-
elle Förderung. Darunter sind Methoden zu verste-
hen, mit denen es Lehrern möglich ist, jedes Kind
nach seinem Leistungsvermögen individuell zu
fördern. An deutschen Schulen ist der Unterricht
hingegen meist noch am Durchschnitt ausgerich-
tet, die schlechten kommen nicht hinterher, die
besten langweilen sich. Dabei sind die neuen Me-
thoden nicht unbedingt mit mehr Personal verbun-
den. Viele Eltern können sich das bei uns gar nicht
vorstellen: Aber es funktioniert andernorts. Genau
diese individuelle Förderung ist auch der Schlüssel
zur Inklusion. Inklusion wird in der Diskussion um
unser Bildungssystem leider immer noch mit der
Integration Behinderter gleich gesetzt. Dabei geht
es vielmehr um die zunehmende Vielfalt in den
Klassenzimmern, um das Miteinander leistungs-
starker, behinderter, lernschwacher, verhalten-
sauffälliger oder vernachlässigter Kinder. Diese
Heterogenität hat in deutschen Klassen zugenom-
men – und darauf muss das Bildungssystemmit in-
dividueller Förderung reagieren. Das ist vor allem
durch eine veränderte Fort- und Ausbildung der
Lehrer möglich. Hier passiert noch viel zu wenig.
Ein weiteres Manko an deutschen Schulen ist auch
das klassische Bild des Lehrers als Alleinkämpfer.
Viel zu wenig wird an den Schulen das Teamwork
gelebt, Lehrer können nicht Hand in Hand mit So-
zialarbeitern und Sonderpädagogen arbeiten, die
es bei uns wie z.B. in finnischen Schulen kaum
gibt. Auch eine Überprüfung der Lehramtsstudie-
renden auf Eignung findet nicht statt. In Deutsch-
land weisen schon viele Lehramtsstudenten und
Referendare Symptome eines späteren Burn-outs
auf: Ein Viertel von ihnen fühlt sich schon vor dem
eigentlichen Berufsstart überfordert. Laut einer ak-
tuellen Allensbach-Umfrage fühlt sich jeder zweite
Lehrer schlecht auf seinen Beruf vorbereitet, das
gilt insbesondere für Gymnasiallehrer. Unter den
Lehrern, die weniger als fünf Jahre unterrichten,
empfanden über 60 Prozent ihre Ausbildung als
unzureichend. Sie bemängeln nicht Didaktik und
Pädagogik, sondern dass die Ausbildung nichts
über den Umgang mit Kindern und Eltern vermit-
telt. Die deutsche Lehrerausbildung ist zu wenig
Verringerung der Fallzahlen
bei einzelnen Deliktarten und
entsprechende Kostenersparnis durch eine Halbierung des Anteils
der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss.