Seite 50 - lausebande-11-2014

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Interview :: Seite 50
und mit den Enkeln dann wieder nachsichtiger, als
sie es früher als Eltern selbst waren. Da sind Eltern
dann eher die Spielverderber. Das erzählt auch der
Film.
Die große Botschaft des Films scheint, dass man
nicht der Masse hinterherstampfen, sondern für ei-
gene Wünsche leben soll. Teilen Sie diesen Wert?
Absolut! Wenn ich es mit Zoes Mama geschafft habe,
dass sie auch mal nach links geht, wo alle anderen
nach rechts rennen, dann haben wir ganz viel ge-
schafft. Darüber hinaus versuche ich, meiner Toch-
ter mit auf den Weg zu geben, dass eine Selbstwahr-
nehmung und eine gesunde Selbstverantwortung
für das Tun und Handeln wichtiger sind als das Be-
folgen von Verboten. Verbote sollte man zwar ernst
nehmen, aber auch hinterfragen. Nicht alle Verbote
machen Sinn. Wichtiger ist es, ein Gefühl für deren
Sinn und Unsinn zu entwickeln und sich selbst dazu
platzieren zu können.
Was elterliche Verbote und Regeln angeht – Ihre
Tochter schlittert mit 12 gerade in die Pubertät. Sind
Sie da der coole Daddy und Kumpeltyp oder der be-
sorgte Vater, der Grenzen setzt?
Kumpel bin ich nicht, weil ich ihr Vater bin. Ich ver-
suche, ein liebevoller Begleiter zu sein. Bei diesen
neuen Lebensphasen, in denen hormonell so viel
passiert und die Laune nie vorhersehbar ist, staune
ich in erster Linie und nehme das bislang mit viel
Humor. Ich versuche aber, es so zu dosieren, dass
ich es dennoch ernst genug nehme. Ich bin sehr ge-
spannt auf das, was noch kommt, habe aber ehrlich
gesagt auch ein bisschen Angst davor.
Wie schwer ist es, einem Teenie Grenzen zu setzen,
wenn über Sie selbst von Überschreitungen wie
beim S-Bahn-Surfen mit 17 zu lesen ist?
Ich glaube, meine Tochter hat eine viel größere Vor-
sicht und Vernunft in sich. Zoe ist ziemlich weit für
ihr Alter. So etwas würde ihr nicht passieren, sie
schüttelt über solche Eskapaden eher liebevoll den
Kopf. Diese Eskapaden waren ja auch nur ein Teil
meiner Jugend. Als Mensch bin ich hoffentlich breit
genug aufgestellt, dass sie auch die anderen Seiten
in mir spürt. Ich war nicht nur ein „Knalli“, ich war
früh für mich selbst verantwortlich und das hat mich
maßgeblich geprägt.
Im Film scheinen die Eltern den Kindern nicht groß-
artig weiter zu helfen. Sie haben Ihre Eltern schon
im Kindes- und Jugendalter verloren – wie hat Ihre
Familie Sie geprägt?
Meine Mutter ist sehr früh gestorben. Aber ohne das
Rüstzeug, das mir vor allem mein Vater mit auf den
Weg gegeben hat, hätte ich ab 15 sicher nicht diese
Entwicklung nehmen können. Ich bin ganz klar ge-
prägt durch meine Erziehung.
Färbt heute umgekehrt Ihre Tochter auch auf Sie ab?
Total, als Vater einer Tochter musste ich ver-
stärkt lernen, dass es andere Befindlichkeiten und
Schmerzgrenzen gibt. Dieses männlich-weibliche
Element ist für mich erhellend, ich habe maßgeblich
dazu gelernt.
Sie beschreiben Ihre Tochter als schönes Mädchen,
würden Sie sie vor Typen wie Ihnen beschützen oder
sie dieser Erfahrung überlassen?
Einen Typ wie ich es war, der kriegt bei mir einen Tee
mit so viel Zucker, wie er will und türkischen Honig.
Ich würde sehen, dass er ein gutes Herz hat, auch
wenn er momentan noch eine Menge Scheiße baut.
Ich würde versuchen, auch ihn gut zu begleiten.
In vielen Interviews bezweifeln Sie für sich, dass Ex-
klusivität, persönliches Glück und Freiheit in einer
dauerhaften Beziehung vereinbar sind. Ist Familie
für Sie dennoch ein Ideal, nach dem Sie suchen?
Die Beziehung zu einem Partner, die man ernst
nimmt, ist die größte Art und Weise, wie man mit-
einander wachsen kann. Dieses grundlegende Ver-
trauen, wo keiner beim ersten bösen Wort geht. Für
mich ist es der größte Albtraum, auf meiner Couch
allein alt zu werden und im Hintergrund tickt die Ku-
ckucksuhr. Das will ich auf keinen Fall. Insofern for-
dert mich dieses Thema immer wieder. Beziehungen
zu Frauen werfen für mich immer aufs Neue Fragen
auf, auf die ich keine einfache Antwort finde. Mo-
nogamie auf lange Sicht und absolute Exklusivität,
ohne dass die Tür auch nur angelehnt ist, halte ich
in meiner Welt nicht für realistisch. Inwieweit man
trotzdem eine verlässliche Beziehung leben kann,
das ist die spannende Frage. In unserer individua-
lisierten Gesellschaft können wir aus vielen traditi-
onellen Verhaltensmustern ausbrechen, auch aus
übergestülpten Beziehungsmodellen. Allerdings re-
sultiert daraus gerade in den Ballungsräumen eine