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mit eben diesen kleinen und großen Aufgaben ent-
wickelt sich ein noch komplexeres Netzwerk im Ge-
hirn. Dieses Netzwerk gleicht, um erneut ein Bild
zu verwenden, dem Straßennetz, in dem Informa-
tionen wie Autos geleitet werden. Man kann sich
also vorstellen, dass ab der frühesten Kindheit die-
ses komplexe Netz aufgebaut wird. Anders als die
Dauerbaustellen in der Realität zeigen häufig ge-
nutzte Verbindungen zwischen den Nervenzellen
keine Verschleißerscheinungen, sondern werden
ganz im Gegenteil um einige Spuren erweitert. Da-
durch ist es möglich, in gewohnten oder ähnlichen
Situationen innerhalb kürzester Zeit Informationen
abzurufen und impulsiv handeln zu können. In
diesen Netzwerken sind alle Erfahrungen, Erinne-
rungen und Einstellungen gespeichert. An diesem
Auf- und Umbauprozess wird deutlich, dass es an
sich keine Mädchen- und Jungengehirne gibt.
Die Geschichte von Vater,
Mutter, Kind
Gene und Gehirn haben erwiesener Maßen einen
Einfluss darauf, was als typisch männlich oder
typisch weiblich empfunden wird. Jedoch reichen
diese zwei Faktoren nicht aus, um zu erklären,
warum es diese Stereotypen gibt. Das macht vor al-
lem ein kurzer Ausflug in die Kulturanthropologie
deutlich. So gibt es zum Beispiel in Afrika Stämme,
in denen es üblich ist, dass die Frauen zur Jagd ge-
hen und die Oberhäupter des Stammes sind, wäh-
rend die Männer das Essen zubereiten und Körbe
flechten. Geschlechterrollen werden also auch
stark durch unterschiedliche historische Bedin-
gungen im jeweiligen Kulturkreis beeinflusst.
Eng verflochten mit der Thematik der Geschlech-
terrollen ist das Familienbild. Beide Felder befin-
den sich im Wandel und bedingen sich gegensei-
tig. Dabei handelt es sich um relativ langwierige
Prozesse. So löst sich in Deutschland und somit
in unserem Kulturkreis in den vergangenen Jah-
ren das Konzept der Kernfamilie immer mehr auf.
Heute gewinnen Alternativen zur Kernfamilie wie
Patchworkfamilien, Single-Eltern und Familien mit
einem gleichgeschlechtlichen Elternpaar an Be-
deutung. Hinzu kommen Schlagworte wie Eltern-
zeit für Väter oder aktuelle Debatten darüber, Vä-
tern den Zugang zum Sorgerecht zu vereinfachen.
Die Liste derartiger Beispiele lässt sich beliebig
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