Ein Blick in die Röhre

Datum: Dienstag, 26. Januar 2021 14:41

Der Schulcloud-Flickenteppich

Seit dem 4. Januar 2021 gilt wie schon im Frühjahr das Distanzlernen für fast alle Brandenburger Schüler. Als Grundlage dienen dafür digitale Lernumgebungen, auf die Schüler/innen und Lehrer/innen jederzeit zugreifen können. In Brandenburg sind an den meisten Schulen die „Schul-Cloud Brandenburg“ vom Hasso-Plattner-Institut sowie „Fronter“ im Einsatz. Erstere ist derzeit an 574 von rund 900 Schulen im Einsatz. Fast 80 Prozent der Grundschulen sind dort angemeldet und 60 Prozent der Gymnasien- und Oberschulen. Die Anzahl der verknüpften Schulen stieg seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 sehr schnell an:

Ein Fortschritt, den Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst mehrfach gegenüber der Presse als großen Erfolg betonte. Entscheidend dafür, dass digitale Beschulung funktioniert, ist jedoch nicht nur die bloße Verbreitung digitaler Lernumgebungen. Wichtig ist auch, dass diese zuverlässig funktionieren und von Lehrern mit hochwertigen Angeboten bestückt werden. In Sachen Zuverlässigkeit erwies sich die Schul-Cloud Brandenburg immer wieder als problemanfällig. Schon Ende Dezember, als etwa die Hälfte der Schüler von zuhause aus lernte, hatten Schüler Schwierigkeiten, sich einzuloggen. Nach Cyberangriffen und anhaltenden Problemen wegen hoher Zugriffszahlen wurde Anfang Januar dann die Serverkapazität erhöht. Den betroffenen Schülern ging durch die Ausfallzeiten dennoch Unterrichtsstoff verloren, die geplante Tagesstruktur war nicht zu halten. Darunter leiden Akzeptanz und Offenheit gegenüber solchen Systemen.

„Zu instabil, zu statisch“

So manche Vorreiter-Schule in Sachen Digitalisierung setzt schon länger auf Lösungen amerikanischer Drittanbieter, die mit großem Nutzeraufkommen mühelos umgehen können. So zum Beispiel das Marie-Curie-Gymnasium in Hohen Neuendorf, das auf die Google Education Suite setzt. Ein Wechsel zurück zur in Brandenburg weiter verbreiteten Schul-Cloud wäre laut Schulleiter Thomas Meinecke problematisch, da auch er sie für vergleichsweise instabil und statisch hält. Der Leonardo da Vinci Campus in Nauen – ebenfalls eine Schule, die zu den besten des Landes zählt – ist laut Campus-Leiterin Dr. Irene Petrovic-Wettstädt zwar in der Schul-Cloud angemeldet, nutzt aber dennoch Microsoft Teams. Die Leiterin bemängelt ebenfalls die Zuverlässigkeit der Landesplattform.

Schüler schauen in die Röhre

Ähnliche Probleme wie bei der Schul-Cloud Brandenburg traten auch in anderen Bundesländern auf – vor allem Anfang Januar, als alle Kinder nach den Winterferien das Homeschooling antraten. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt war „moodle“ zeitweise nicht erreichbar, in Berlin kapitulierten die Server vom „Lernraum Berlin“, Rheinland-Pfalz hatte neben Überlastungsproblemen bei „moodle“ und „Big Blue Button“ auch Hacker-Angriffe zu beklagen.
Thüringen setzt wie Brandenburg auf die Entwickler des Hasso-Plattner-Instituts – hier kommt eine eigens angepasste Thüringer Schulcloud zum Einsatz. Während die Bewilligung der Digitalpakt-Mittel in diesem Bundesland mit vorbildlicher Geschwindigkeit läuft, lahmen auch hier die landeseigenen Server. Sachsen hatte bei der landeseigenen Lernplattform LernSax ebenso mit technischen Problemen zu kämpfen – hier war das Ausmaß der Störungen so groß, dass der Hashtag #LernSucks in den Twitter-Charts weit nach oben kletterte.

Vergleichsweise störungsarmer Digitalunterricht war hingegen in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (itslearning) sowie in Hamburg und Niedersachsen (iServ) möglich. In Schleswig-Holstein sorgte lediglich der Name der URL (www.sh.its-learning.de) für Lacher in sozialen Netzwerken. Als landeseigene Clouds blieben zudem das Schulportal Hessen und OSS (Online-Schule Saarland) störungsfrei.

Anregung: eine bundesweite Lösung

Insgesamt waren die Möglichkeiten, am digitalen Unterricht teilzunehmen, von Bundesland zu Bundesland und auch von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. Gleiche Rahmenbedingungen für alle Schüler? Fehlanzeige. Da drängt sich die Frage auf, warum die Bundesländer so viele verschiedene digitale Lernumgebungen im Einsatz haben. Am Ende sollten sie alle dasselbe können:

  • digitale Stundenpläne anzeigen
  • das Einstellen von Aufgaben ermöglichen
  • Austausch zwischen Schüler/innen und Lehrer/innen zulassen
  • eine Dateiablage bieten
  • Unterricht via Livestream ermöglichen


Bereits 2016 forderte das Hasso-Plattner-Institut eine nationale Bildungscloud für Deutschland: Es würde allen nutzen, „wenn aus dem Flickenteppich der lokalen und regionalen Ansätze ein flächendeckendes, allen zugängliches, umfassendes Gesamtangebot gestaltet würde.“

Angesichts der Tatsache, dass die vielen verschiedenen digitalen Lernumgebungen nun schon einen Großteil der Schulen deutschlandweit erobert haben, rückt diese Vorstellung jedoch in weite Ferne. Hier hätte eine rechtzeitige Absprache zwischen den Bildungs- und Kultusministerien der Länder eventuell hilfreich sein können. Stattdessen sind die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Lernclouds ein neuerliches Beispiel für das Aneinander-Vorbei-Arbeiten der Länder.