„Immer eine Prise Gefahr“

Datum: Donnerstag, 29. September 2016 15:50

Dann passt im Film ja Einiges! Wäre Ihnen als Kind ein Direktor Rex lieb gewesen? Ja, absolut. Mit Sicherheit! Den hätte ich anerkannt und den hätte ich als natürliche Autorität absolut akzeptiert.


Sie mussten als Jugendlicher selbst mal ins Internat nach England. Wie viele Parallelen gibt’s in Ihren Augen zu Burg Schreckenstein? Ich musste tatsächlich aufs Internat. Andere meinten zu diesem Zeitpunkt, es wäre gut für mich, mich einem derart stark reglementierten System unterzuordnen, wie es in England der Fall war. Das ist dort übrigens um vieles stärker ausgeprägt als auf Burg Schreckenstein. Im Vergleich zu den „Schreckies“ war ich damals natürlich älter, aber das Internatsleben in England ist auch deutlich brutaler. Da muss man sich durchsetzen. Von den anderen Jungs wird ohne Rücksicht geprüft, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Wenn man eine Lusche ist, dann steht man in der Futterkette natürlich ganz unten. Da kommt auch kein Lehrer und sagt: Ach kommt, hört doch bitte auf, den zu mobben. Das muss man schon selbst bewerkstelligen. Wenn man als Deutscher nach England kommt, muss man sich umso mehr durchsetzen und sich seinen Raum schaffen. Das ist aber auch etwas ganz Natürliches, dass ein Fremder sich erst einmal beweisen muss, wenn er von außen in eine Gruppe hineinkommt. Insofern ist das eine kleine Parallele zum Film. Unter Jungs herrscht eben nicht gerade eine fröhliche Willkommenskultur.


Ist der Film aus Ihrer Sicht etwas für die ganze Familie oder eher für wilde Jungs bzw. Eltern, die mit solchen umgehen müssen? Burg Schreckenstein ist ein toller Film für die ganze Familie geworden. Die Eltern, die mit ihren Kindern ins Kino gehen, werden sich auch amüsieren. Er enthält eine Art Komik und eine Lebensklugheit, die auch die Erwachsenen anspricht. Ich denke, da werden alle ihren Spaß haben

Musste von Ihren drei Kindern auch schon eins aufs Internat? Ich halte es grundsätzlich für eine gute Idee, Kinder im Verlauf ihrer Entwicklung auch mal von zu Hause wegzuschicken. Das habe ich selbst so erfahren. Ich halte es für richtig, dass Kinder ab einem bestimmten Alter in die Welt gehen und mit einer anderen Kultur und Sprache konfrontiert werden. England ist da natürlich naheliegend, da man sich als Kind schon relativ früh in Englisch verständigen kann. Ich halte es für absolut förderungswürdig, Kindern die Welt auf diesem Weg auch mit ein bisschen Stress und Abenteuer zu erschließen. Meines Erachtens wachsen alle Kinder an solchen Erfahrungen. Es gibt natürlich vom Naturell her Kinder, die es schwieriger haben und für die das nicht ohne weiteres so leicht geht. Da war ich sicher ein anderes Kaliber. Ich habe es damals sehr genossen und versucht, alle sich bietenden Chancen zu nutzen. Gleich am ersten Abend wurde ich wegen meiner Stimme gefragt, ob ich im Chor mitsingen möchte. Fünfmal die Woche habe ich dann gesungen. Ich habe in dieser Zeit auch kein Deutsch gesprochen, ich habe selbst andere deutsche Schüler im Internat gemieden, weil ich etwas Neues erleben wollte.


Als Vater fällt es einem bei den eigenen Kindern manchmal doch schwerer, loszulassen und bei ihnen dieselben Jugendsünden zuzulassen. Wie ist das bei Ihnen? Mir scheint es, dass die Erziehung von Kindern in den letzten 25 Jahren viel mehr zum Thema geworden ist. Das ist schon ein gesellschaftlicher Diskurs, meines Erachtens aber eher ein Geplapper. Unsere Eltern haben kein großes Gewese gemacht. Es gab Dinge, die wurden von uns verlangt und die hatten wir zu erfüllen. Wenn wir unseren Rahmen erfüllt haben, haben sie uns in Ruhe gelassen. Wir wurden weder ständig kontrolliert, noch mussten wir ständig da sein. Wir haben ein sehr freies Leben führen können. Warum das heute bei vielen nicht mehr so ist, weiß ich nicht. Es scheint so, dass sich die Eltern heutzutage über jeden Furz Gedanken machen und im Leben alles kontrollieren wollen. Da spielt Angst und Unsicherheit eine große Rolle – und das, obwohl sie selbst noch so frei groß geworden sind. Das muss aber nicht immer so sein. Ich erlebe durchaus auch noch sehr mutige und beherzte Eltern, die ihren Kindern Freiraum lassen, ihnen viel zutrauen, aber auch ganz klare Ansagen machen, wenn etwas schief läuft.

Welche Prinzipien haben Sie in Ihrer Erziehung? Da unterscheide ich mich kaum von meinen eigenen Eltern. Ich versuche, den Kindern Anstand, Disziplin und Ordnung beizubringen. Und vor allem eben auch Mut. Das betrifft ja nicht nur Kinder im jungen Alter, sondern auch junge Erwachsene. Man muss ihnen Zuversicht und Zutrauen geben. Vor allem den notwendigen Mut, sich die Welt zu erschließen und auch zu erstreiten. Die Welt wird einem nicht einfach kampflos überlassen. Die Dinge fallen einem nicht in den Schoß. Man muss sich das Leben erobern. Man muss sich die Welt erobern! Dieses Luxustum, aus dem schlüpft so etwas nicht! Man muss doch gerüstet sein, um in die Welt hinauszugehen, und dafür braucht es Stärke, Mut, Kampfgeist, Disziplin und Neugierde! Eine große Neugierde, sich mit dem Leben zu verbinden, andere Leute und Völker kennenzulernen, die Länder zu besuchen und die Welt zu bereisen. Ich meine nicht das Reisen, um Urlaub zu machen, sondern um anderen Menschen zu begegnen und zu sehen, wie diese leben und welche Gewohnheiten und Bräuche sie pflegen. Dann fängt man an, die Welt wirklich zu begreifen und andere Völker und Lebensweisen zu verstehen. Das ist wichtig!


An Ihnen ist auch ein guter Lehrer verloren gegangen, kann das sein? Das könnte tatsächlich so sein. Ich habe gestern erst mit einem Freund zusammen gesessen, mit dem ich zur Schule gegangen bin. Die Lehrer waren über uns oft verzweifelt, weil wir viel Blödsinn gemacht haben und es uns dabei auch richtig gut ging. Ausgerechnet dieser Freund ist Lehrer geworden! Der ist gern Lehrer und kennt keine Querelen mit seinen Schülern. Er macht nämlich klare Ansagen, steht fünfmal eher auf als seine Schüler und hat schnellere Sprüche. Die akzeptieren und mögen ihn. Dabei profitiert er auch von seiner eigenen Wildheit. Er sagt: seit 15 Jahren wartet er darauf, mal auf einen Typ zu stoßen, der so ist wie wir damals!