Werden wie Mama!

Datum: Mittwoch, 31. Mai 2017 13:41

Elternzeit und Elterngeld

2007 wurde in Deutschland das Elterngeld eingeführt. Während der Elternzeit zahlt der Staat einen Ausgleich für den Verdienstausfall. Im Durchschnitt sind das zwei Drittel des vorherigen Nettogehalts, mindestens 300 und maximal 1800 Euro monatlich. Bis 2007 gab es in Deutschland das Erziehungsgeld, welches zwischen 300 und 450 Euro monatlich betrug, einkommensunabhängig war und bis zu zwei Jahre ausgezahlt wurde. Kritiker bemängelten, dass es berufstätige Mütter benachteiligte und Hausfrauen besser stellte. Durch die Einführung des Elterngeldes kehren viele Frauen schneller in den Beruf zurück, in der Regel nach einem Jahr. Gerade in den westdeutschen Bundesländern blieben sie vorher oft bis zu drei Jahre zu Hause. Das Elterngeld führte ebenfalls dazu, dass mehr Männer eine Babyauszeit wagen, wenn auch selten mehr als zwei Monate: 2014 nahmen 34 Prozent der frischgebackenen Väter die Auszeit, von denen blieben 20 Prozent länger als zwei Monate mit dem Kind zu Hause.

Das 2015 eingeführte ElterngeldPlus einschließlich Partnerschaftsbonus ergänzt das bisherige Modell und will Müttern den frühzeitigen beruflichen Wiedereinstieg schmackhaft machen. Wer während der Elternzeit Teilzeit arbeitet, kann das Elterngeld über einen längeren Auszahlungszeitraum (bis zu 24 Monate) strecken. Arbeiten zudem Vater und Mutter für einen bestimmten Zeitraum beide wenigstens 25 und maximal 30 Wochenstunden, gibt es zusätzliches Geld vom Staat. Der Gedanke: Die Paare teilen sich von Beginn an partnerschaftlich die Familienarbeit. In der Praxis ist die Regelung oft zu starr für die Bedürfnisse und Möglichkeiten von Eltern.
Übrigens: Mütter, die noch während der Stillzeit wieder zurück an ihren Arbeitsplatz kehren, haben Anspruch auf regelmäßige Stillpausen von bis zu einer Stunde täglich. Eine Herausforderung bedeutet Stillen im Job dennoch: Im Idealfall bringt der Partner das Kind zu den Mahlzeiten ins Büro und nimmt es danach wieder mit nach Hause. Alternativ kann die Mutter zum Stillen nach Hause fahren. Wenn das nicht möglich ist, kann Milch-Abpumpen eine Alternative sein.


Karrierefalle Teilzeit?

Frauen, die nach dem Babyjahr wieder zurück in den Job kehren, reduzieren fast immer die Arbeitszeit, nur 15 Prozent arbeiten danach weiter Vollzeit. 40 Prozent arbeiten weniger als 25 Wochenstunden. Die Teilzeitquote steigt seit Jahren stetig an.

Die Männer dagegen arbeiten weiter Vollzeit, manchmal sogar mehr als vor dem ersten Kind – das wegfallende Gehalt der Frau muss schließlich kompensiert werden. Das große Plus, wenn Frauen Teilzeit arbeiten: Sie kehren überhaupt in den Job zurück. Hätten Sie nur die Möglichkeit einer 40-Stunden-Woche, würden sie den Wiedereinstieg vielleicht weiter hinaus zögern. So bleibt ihnen die Chance, zu arbeiten, aber trotzdem Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen. Denn seien wir mal ehrlich: Ein 8-Stunden-Tag mit Mittagspause, An- und Abfahrt zum Büro für beide Partner würde darauf hinaus laufen, dass wir die Kinder in die Kita bringen, danach wieder abholen, zu Hause bliebe dann noch Zeit für Abendessen und eine Gute-Nacht-Geschichte. Ohne Frage gibt es genug Paare, die den Spagat zwischen Familie und Beruf auch mit zwei Vollzeit-Stellen meistern – für die Mehrheit ist das aber keine Lösung. Sei es, dass sie sich keine Haushaltshilfe oder Nanny leisten können oder einfach mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchten.

Insofern ist Teilzeit durchaus eine attraktive Lösung – sie sollte aber nur eine Übergangslösung sein. Denn die Nachteile liegen ebenfalls auf der Hand: Geringeres Einkommen, spätere eine niedrige Rente. Die Gefahr besteht, beruflich abgehängt zu werden, Aufstiegsmöglichkeiten zu verpassen und bei wichtigen Projekten außen vorgelassen werden.

Simone Olbrich, Leiterin der Servicestelle Arbeitswelt und Elternzeit in Potsdam, rät Frauen daher: „Davon abgesehen, dass jede Familie ihr individuelles Vereinbarkeitsmodell finden muss, empfehlen wir den Müttern: Sie sollten möglichst frühzeitig wieder in den Beruf einsteigen und auch möglichst bald wieder in Vollzeit. Es ist ganz wichtig, dass Frauen frühzeitig nach Bekanntwerden der Schwangerschaft gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber planen, welches Arbeitszeitmodell für sie nach der Elternzeit in Frage kommt. Wann will ich wieder einsteigen, wie viele Stunden möchte ich arbeiten? Genauso wichtig ist es, während der Elternzeit regelmäßig Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten zu halten. Was auch zur Vereinbarkeit dazu gehört: Binden Sie Ihren Mann in die Familienarbeit mit ein.“

Aus diesem Grunde empfehlen Experten: Möglichst „viel“ Teilzeit, also lieber 30 Stunden als 20 Stunden. Und möglichst nur zeitlich begrenzt in Teilzeit arbeiten. Sobald die Kinder größer werden und weniger Mama brauchen, kann man weiter aufstocken. Wenn es für den Partner denkbar und machbar ist, kann eine leicht reduzierte Arbeitszeit für Mutter und Vater eine faire Lösung sein.


Führungskraft mit Kindern?

Noch schwieriger ist es für Führungskräfte. In Deutschland ist es gängige Meinung, dass eine Führungsposition mit Teilzeit-Arbeit nicht vereinbar ist. Für Manager ist stattdessen die 50-Stunden-plus-Woche die Regel. Die Präsenzkultur ist auf Führungsebenen immer noch verbreitet. Wer Karriere machen will, von dem wird erwartet, dass er täglich mindestens acht Stunden anwesend ist und stets für Dienstreisen und Überstunden bereit ist. Ganz gleich ob Großkonzern oder Mittelständler, Mütter in Führungspositionen sind die Ausnahme.

Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten und Beispiele für Lösungsmodelle. Eine Chance für Frauen, die gern mit Kindern Karriere machen wollen, bietet das Arbeitszeitmodell Jobsharing. Dabei wird eine freie Stelle im Unternehmen mit zwei Personen besetzt, die im Team zusammenarbeiten und diese Stelle gemeinsam verantworten. Sie teilen sich Aufgaben und Arbeitszeit selbstständig untereinander auf. So können sie die Arbeitsintensität an ihre Lebensphase flexibel anpassen – und sind nicht an den starren Rahmen von klassischen Teilzeitstellen gebunden. Das ist für die Karriere interessanter und in der Regel ist es auch finanziell attraktiver. Möglich sind – wenn der Arbeitgeber mitmacht – auch zwei 60-Prozent-Stellen, statt 50/50. Diese Variante ist vor allem für Mütter in Führungspositionen attraktiv. Nutzen sie dieses Modell, spricht man von Top-Sharing oder Doppelspitze. Bisher spielt es in der Unternehmenspraxis nur eine untergeordnete Rolle. Statistische Erhebungen dazu gibt es nicht. Schätzungen gehen davon aus, dass 10 bis 20 Prozent der Unternehmen in Deutschland das Modell anbieten.

Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, trat im Mai 2015 ein Gesetz mit dem sperrigen Titel „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ in Kraft. Es ist der erste Versuch einer Frauenquote und besagt, dass in den großen deutschen börsennotierten Unternehmen neu zu besetzende Aufsichtsratsposten zu 30 Prozent mit Frauen besetzt werden. Der Anteil an Frauen in diesen Positionen konnte so von 22 Prozent (Anfang 2015) auf aktuell 27,9 Prozent erhöht werden. Das ist keine Sensation, aber ein Fortschritt. Es betrifft aber „nur“ etwa 100 Unternehmen in Deutschland und wer auf die Vorstands- und Geschäftsführer-Sessel schaut, wird dort noch immer vorrangig Männer antreffen.

Ganz gleich welche Position man im Unternehmen inne hat bzw. anstrebt, wichtig ist es, die eigenen Kompetenzen zu betonen und weiterzuentwickeln. Weiterbildungen sollten auch für Teilzeit-Angestellte dazu gehören, wenn umsetzbar auch schon während der Elternzeit. Frauen, die sich mit Kind auf eine neue Stelle bewerben oder wieder zurück in ihre bisherige Position möchten, sollten dem Arbeitgeber deutlich klar machen, welche Kompetenzen sie durch die Kindererziehung erworben haben, die auch für den Job sinnvoll sind: Organisationstalent, Durchsetzungsvermögen, Flexibilität, Kommunikationsgeschick.