Kur mit Kind und Kegel

Datum: Donnerstag, 05. Oktober 2017 15:46

Wer hat Anspruch auf eine Kur?

Anspruch auf eine Mutter-Kind-Kur hat im Grunde jede Mutter, die durch ihren Alltag so stark belastet ist, dass ihr Erschöpfung bis hin zu Burn-out droht. Wichtigste Voraussetzung, um eine Kur zu beantragen, ist ein ärztliches Attest. Das kann vom Haus- oder Facharzt ausgestellt sein. Typische Beschwerden bei Teilnehmern von Mutter-Kind-Kuren sind: Erschöpfungssymptome wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Rückenbeschwerden, Kopfschmerzen, Gereiztheit. Die Beschwerden müssen ursächlich mit den familiären Belastungen bzw. mit der Doppelbelastung Familie und Beruf zusammenhängen.
Bei einer Studie im Auftrag des Müttergenesungswerks gaben die Frauen folgende Belastungen und Erkrankungen an:

Belastungen:

  • 59%: Ständiger Familieneinsatz
  • 39%: Haushalt
  • 36%: Finanzen
  • 33%: Kinder


Erkrankungen:

  • 85%: Bewegungsapparat
  • 41%: Psyche
  • 35%: Atemwege
  • 29%: Haut
  • 28%: Herz-Kreislauf


Anspruch auf eine Kur haben auch Mütter in besonderen Situationen, die z.B. durch eine schwere Erkrankung oder Operation an Beschwerden leiden oder durch einen Todesfall in der Familie Probleme haben. Auch die Pflege von Angehörigen kann eine solche besondere Situation darstellen. Unter bestimmten Voraussetzungen haben auch Eltern mit „Patchwork-Kindern“ Anspruch auf eine Kur.

Antragstellung

Um eine Kur zu beantragen, besorgt man sich die dafür notwendigen Unterlagen bei der Krankenkasse, einer Beratungsstelle oder im Internet. Das Attest ist vom Arzt auszufüllen, die weiteren Formulare vom Antragsteller. Bewährt hat es sich, die kostenfreie Beratung von entsprechenden Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen. Unter dem Dach von fünf Wohlfahrtsverbänden hat beispielsweise das Müttergenesungswerk bundesweit 1.300 Beratungsstellen. Den ausgefüllten Antrag mit Attest reicht man dann bei seiner Krankenkasse ein.
Die Entscheidung über den Antrag dauert in der Regel drei bis sechs Wochen. Die Bewilligung ist ab Ausstellung sechs Monate gültig. Wer in den Sommerferien reisen will und auch noch in eine bestimmte Wunschklinik möchte, muss unter Umständen auch mit diesen sechs Monaten Wartezeit rechnen, die von der Bewilligung bis zur Abreise vergehen.

Eine Mutter-Kind-Kur kann man übrigens auch ohne ärztliches Attest und Genehmigung der Krankenkasse wahrnehmen. Dann allerdings muss man auch die Kosten selbst tragen und bei Berufstätigkeit ggf. Urlaub nehmen oder eine unbezahlte Freistellung mit dem Arbeitgeber verhandeln.


Kur abgelehnt – was nun?

Wer dringend eine Kur braucht und dann die Ablehnung der Kasse aus dem Briefkasten holt, für den bricht vermutlich zunächst eine Welt zusammen. Daher vorab die guten Zahlen: Etwa 9 von 10 Mutter-Kind-Kuren werden bewilligt, von den abgelehnten Kuren werden bei einem Widerspruch fast 70 Prozent doch noch genehmigt. Die Ablehnungsquote war vor ein paar Jahren noch sehr viel höher. Daher sagt Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks: „Im Moment ist die Situation für Mütter, um eine Kur zu beantragen, sehr günstig.“

Nichtsdestotrotz passiert es immer noch, dass Anträge auf Mutter-/Vater-Kind-Kuren abgelehnt werden. Von den im Jahr 2015 knapp 144.100 Kurmaßnahmen wurden elf Prozent abgelehnt, wobei die Quoten je nach Krankenkasse stark variieren. 18 Prozent der Eltern sind daraufhin in Widerspruch gegangen. Diesem Widerspruch wurde in zwei Drittel der Fälle stattgegeben. So hoch ist der Wert bei keiner anderen abgelehnten Maßnahme. Das ist einerseits gut für die Eltern, die doch fahren können. Es weist aber auch daraufhin, dass bei der Bewilligung einiges im Argen liegt.

So kritisierte die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ingrid Fischbach, die Krankenkassen kürzlich sehr deutlich: „...viel zu vielen Eltern werden diese Leistungen zunächst verweigert, obwohl ein berechtigter Anspruch besteht. Das lässt große Zweifel an den Entscheidungsprozessen der Krankenkassen aufkommen. [...] Für diese gravierenden Unterschiede der Leistungsablehnungen im Vorsorge- und Rehabilitationsbereich gibt es keine sachliche Erklärung; sie legen den Schluss nahe, dass die Krankenkassen diesen Bereich zur Kosteneinsparung nutzen. Ich erwarte, dass sich die Krankenkassen an Recht und Gesetz halten. Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass sie die Leistungen, die ihnen zustehen, auch bekommen – und zwar unabhängig von der Krankenkasse, bei der sie versichert sind.“ Fischbach fordert nun die Krankenkassen auf, innerhalb der nächsten vier Wochen Vorschläge zu unterbreiten, wie über Leistungsanträge einheitlicher und nach den gesetzlichen Vorgaben entschieden werden kann. Ein weiterer Vorschlag der Patientenbeauftragten zielt auf mehr Transparenz und Wettbewerb: Die Krankenkassen sollen die Widerspruchsquote und die Erfolgsquote der Widersprüche auf ihren Websites veröffentlichen.

Die Kassen begründen die Ablehnungsbescheide natürlich nicht mit Kosteneinsparung, aufgeführte Gründe sind u.a.:

  • Oft wird die Ablehnung nicht transparent begründet, es erfolgt nur eine pauschale Ablehnung, was die Begründung für den Widerspruch erschwert.
  • Ablehnung wegen falscher Zuständigkeit: Die Antragsteller müsste sich an ihren Rentenversicherungsträger wenden, der im Falle einer drohenden Arbeitsunfähigkeit für Rehamaßnahmen zuständig sei. Allerdings ist die Rentenversicherung eben nicht für Mutter-Kind-Kuren zuständig.
  • Ablehnung aus medizinischen Gründen: Darunter wird beispielsweise ein fehlender Vorsorgebedarf, eine fehlende Rehabilitationsfähigkeit oder eine negative Rehabilitationsprognose gefasst.
  • Sonstige Gründe, darunter fallen beispielsweise fehlende Mitwirkung des Versicherten, wie unvollständige Antragsunterlagen.


Wurde die Mutter-Kind-Kur abgelehnt, hat man einen Monat Zeit, einen schriftlichen Widerspruch einzulegen. Wenn auf dem Ablehnungsbescheid der Krankenkasse der Hinweis auf das Widerspruchsrecht fehlt, verlängert sich die Widerspruchsfrist sogar auf ein ganzes Jahr. Aufgrund der hohen Erfolgsquote bei Widersprüchen (ca. 70 %), ist ein solcher unbedingt zu empfehlen. Dazu kann es ratsam sein, Rücksprache mit dem Arzt, dem Krankenkassen-Sachbearbeiter oder einer Beratungsstelle der Wohlfahrtsverbände zu halten. Bleibt die Kasse dennoch bei einem Nein, entscheidet der Widerspruchsausschuss über den Antrag. Als letzte Option bliebe der Gang zum Sozialgericht.