Zappelsuse & Traumphillip

Datum: Mittwoch, 29. Februar 2012 23:12


Bedeutung von ADHS
Auch wenn die Ursachen von ADHS noch nicht schlussendlich geklärt sind, beschäftigen sich immer mehr Studien mit der Erforschung der Krankheit. Dabei wird ADHS-betroffenen Kindern je nach Studie ein Anteil zwischen 3 bis 10 Prozent zugeschrieben, einige Experten gehen unter Berücksichtigung der oft nicht erkannten, weil nur schwach ausgeprägten Krankheitsfälle, von bis zu 25 Prozent aus. Allerdings findet sich in den meisten, von einer breiten Expertise getragenen Veröffentlichungen, eine recht identische Quote um die 6 Prozent. Dabei wird das Verhältnis von Jungen zu Mädchen bei ADHS mit 5:1 beschrieben. Es wird vermutet, dass bei Mädchen deutlich häufiger die als ADS bezeichnete Form ohne ausgeprägte Hyperaktivität vorliegt, das sogenannte „ADS-Träumerchen“. Es könnte aber auch sein, dass es sich bei Jungen und Mädchen um ein ausgeglichenes Verhältnis handeln könnte – und lediglich viele ADS- „Traumsusen“ einfach nicht diagnostiziert werden. Jungen werden im Vergleich zu Mädchen auch häufiger diagnostiziert, weil sie durch ihr Verhalten schneller auffallen. Auch wenn statistisch gesehen in jeder deutschen Schulklasse ein ADHS-Kind sitzt und vielfältige medizinische Erkenntnisse vorliegen, steckt der Transfer dieser Erkenntnisse in alle notwendigen Bereiche wie eine flächendeckende, kompetente Versorgung über Ärzte und Experten sowie in erzieherische Institutionen von Eltern bis zur Lehrerschaft noch in den Kinderschuhen. Das ist gerade vor dem Hintergrund der Anzahl betroffener Kinder – immerhin leiden um die 500.000 Schulkinder in Deutschland an ADHS – und der möglichen immensen Folgeerkrankungen bei falscher oder unzureichender Behandlung unverständlich. Denn ADHS ist nicht heilbar, auch wenn Betroffene mit der Entwicklung des Gehirns und entsprechender Behandlung unter Umständen ein vollkommen normales, unbeeinträchtigtes Leben führen können. Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) sind noch zwischen 2,5 bis 4 Prozent der Erwachsenen in Deutschland von ADHS betroffen. Auch das macht deutlich, dass uns diese Krankheit im Alltag und in unserem persönlichen Umgang vielleicht öfter begegnet, als wir es vermuten.

ADHS – eine Modekrankheit?

Durch die vermehrte unsachliche Berichterstattung – im Februar selbst in einer vermeintlichen Qualitätstageszeitung wie der FAZ – wird oft diskutiert, dass ADHS eine Mode-Diagnose ist und nur der Pharma-Industrie zum Absatz ihrer Medikamente dient. Tatsächlich hat ADHS mit seinen Ausprägungen schon immer existiert. Im Volksmund bekannte Figuren wie Struwwelpeter, Zappelphillip oder Hans Guck in die Luft entstammen allesamt den ca. 150 Jahre alten Geschichten des Frankfurter Arztes Heinrich Hoffmann – und beschreiben recht genau die Symptome der Krankheiten ADHS und ADS. Auch in der Fachliteratur wurden Kinder und Jugendliche mit Aufmerksamkeitsproblemen, allgemeiner motorischer Unruhe und mangelnder Impulskontrolle schon vor über 100 Jahren beschrieben. Den engeren Zusammenhang der drei Verhaltensdimensionen hat man allerdings erst in jüngster Zeit durch systemische Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen festgestellt. Gleichzeitig wurde erkannt, dass ab einer gewissen Beeinträchtigung eine Behandlung erfolgen sollte. So bewirkt die verbesserte Diagnostik, durch die ADHS-Kinder heute überhaupt erst als solche und zudem auch schneller erkannt werden, eine gefühlte Zunahme der Krankheitsfälle. Allerdings wird davon ausgegangen, dass verschiedene Umwelteinflüsse die Ausprägung von ADHS begünstigen, dazu zählen z.B.:

  • die moderne Mediengesellschaft: Reizüberflutung durch den vervielfachten Medienkonsum mit TV, Computer, Videospielen etc.
  • zunehmende Leistungsorientierung: Leistungsdruck in der Schule, Erwartungsdruck der Eltern
  • fehlende familiäre Bindungen: Fehlen von Strukturen und verbindlichen Regeln mit resultierender Orientierungslosigkeit, Erziehungsfehler

Tatsächlich wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass heutige Quoten ADHS-Betroffener unter den Kindern denen früherer Zeiten entsprechen. Auch internationale Studien bestätigen in anderen Ländern ähnliche Quoten – die Krankheit ist also kein deutsches Phänomen. Allerdings trifft es zu, dass Kinder falsch diagnostiziert und oft auch unnötig sofort einer medikamentösen Therapie ausgesetzt werden. Heute zählen in Deutschland
vier ADHS-Medikamente zu den zwanzig meistverschriebenen Medikamenten überhaupt. Dabei gibt es sowohl für die Diagnose als auch für die Therapie inzwischen klare Richtlinien und Empfehlungen – nur an der notwendigen Umsetzung mangelt es oft.

Licht und Schatten
 

Positive Eigenschaften bei ADHS Negative Eigenschaften bei ADHS

• Hilfsbereitschaft
• ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
• empfindsam
• gute Beobachtungsgabe
• aufgeschlossen
• Begeisterungsfähig
• Kreativität, Spontanität
• originelles Problemlösen
• nicht Nachtragend
• einfallsreich
• beweglich, wendig
• warmherzig
• offenes Zugehen auf andere
• Interessenvielfalt
• phantasievoll
• sehr oft ausgeprägte Tier- und Naturliebe
• erfrischendes Neugierverhalten
• unerschöpfliche Energie
• Liebe zur körperlichen Arbeit
• Erstaunliche Kenntnisse und Fähigkeiten                                
  auf Gebieten die sehr interessieren

• unkonzentriert
• kurze Aufmerksamkeitsspanne
• träumen
• zappelig,unruhig
• leicht erregbar
• impulsiv
• schneller Stimmungswechsel
• weint oft leicht
• wirkt lustlos, bockig, missmutig
• lügt oft
• stört andere
• isoliert sich
• kaum in der Gruppe akzeptiert,schwieriges
Sozialverhalten, verletzen/ignorieren von
Grenzen
• leicht beeinflussbar
• kein altersgemäßes Verhalten
• häufiges Unterbrechen des Unterrichtes
• meist mehrfaches Nachfragen
• oft sehr ehrgeizig
• langsam, vergesslich, unordentlich