Kleine Allergiker

Datum: Montag, 02. April 2012 08:42

"Schöne saubere Welt"
Interview mit Dr. Eckhardt Lindner

ELindnerDr. Eckhardt Lindner ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Seine zusätzlichen Qualifikationen sind Allergologie und Pädiatrische Pneumologie. Außerdem ist er Asthmatrainer.

Herr Lindner, in den letzten Jahren ist die Zahl der Allergiker enorm gestiegen. Ist das Einbildung oder Tatsache?

Das ist tatsächlich so. Man macht sich Gedanken, warum das so sein mag. Eine These ist, dass das Immunsystem mit den natürlichen Feinden nicht mehr ausreichend ausgelastet ist und sich deshalb Stoffe sucht, die eigentlich völlig harmlos sind. Früher hatten die Kinder Würmer, da hat das Immunsystem es manchmal gar nicht geschafft damit fertig zu werden. Heute in hat man Allergieprobleme in dieser schönen sauberen Welt.

Also ist mehr Schmutz eine Lösung?

Es geht hier nicht um den Dreck, es geht eher um sogenannte Ectotoxine, also Ausscheidungen von Bakterien. Das sieht man an Kindern, die auf Bauernhöfen groß werden und unvermeidlicher Weise mit mehr Schmutz in Berührung kommen. Der frühe Kontakt mit diesen Stoffen scheint Allergien vorzubeugen.

Aber es wird doch oft von Tieren abgeraten, wenn es um Allergien geht.

Das muss man differenziert betrachten. Es gibt Tiere, wie Katzen, die sind nicht hilfreich um das Immunsystem auszulasten. Im Gegenteil: Katzen bringen eher ein erhöhtes Risiko Allergien zu entwickeln mit sich. Hunde dagegen scheinen einen gewissen Schutz dagegen hervorzurufen. Pferde sind auch sehr aggressiv als Allergene.

Welche Allergien treten bei Kindern am häufigsten auf?

Das hängt vom Alter ab. Die Kleinen fangen an mit Nahrungsmittelallergien, teuflischer Weise meist mit einer Milchallergie. Das passiert häufig bei künstlicher Nahrung und ist immer gegen Kuhmilch. Da kann man mit Stillen vorbeugen. Wenn die Kinder dann älter werden – zwei bis drei Jahre – dann kommen die sogenannten Aeroallergien, also alles, was durch die Luft fliegt, hinzu. Das sind im Wesentlichen Hausstaubmilben, Tierhaare und Pollen.

Wie kann ich mein Kind am besten vor einer Allergie schützen?

Die beste Vorbeugung ist Stillen und das mindestens bis zum vierten Monat. Wenn das überhaupt nicht geht, gibt es hypoallergene Nahrung, mit der das Allergierisiko zumindest vermindert werden kann.


Und wenn mein Kind eine Allergie hat – welche Behandlung ist die beste? Was halten Sie von homöopathischen Methoden?

Ich stehe dem tolerant gegenüber. Es gibt keine wissenschaftlichen Nachweise über deren Wirksamkeit. Wenn eine Mutter mir erzählt, sie würde homöopathische Mittel verabreichen, versuche ich sie nicht davon abzubringen, weil man damit keinen Schaden anrichtet. Aber ich würde nicht von mir aus dazu raten. Es gibt andere Wege eine Allergie begleitend zu unterstützen. Bei Neurodermitis ist zum Beispiel nichts wichtiger, als die richtige Basispflege. Im Falle einer Hausstaubmilbenallergie gibt es spezielle Matratzenüberzüge, die auch die Krankenkassen erstatten. Und bei Heuschnupfen kann in der Pollenflugzeit schon tägliches Haare waschen zu einer Linderung führen. Das und Homöopathie sind jedoch nur Methoden, die hilfreich sein können, wenn man sinnvolle und wirksame schulmedizinische Behandlungen und Behandlungsoptionen nicht außer Acht lässt.

Vielen Dank für das Gespräch Herr Lindner.