In Deutschland wachsen die meisten Kinder zu zweit auf.
Was macht die Geschwisterbeziehung so besonders?
Da die meisten Kinder in Deutschland als Geschwisterkind aufwachsen, finden wir, dass sich ein etwas genauerer Blick auf das Leben mit Schwester oder Bruder lohnt. Tatsächlich ist ihre Beziehung utereinander sehr besonders. Der Entwicklungspsychologe und Familienforscher Hartmut Kasten fasst die besonderen Merkmale von Geschwisterbeziehungen so zusammen:
- Die Geschwisterbeziehung ist die längste Beziehung im Leben eines Menschen.
- Geschwisterbeziehungen besitzen etwas Schicksalhaftes, weil man sie sich nicht aussuchen kann, sondern in sie hineingeboren wird.
- Geschwisterbeziehungen können nicht beendet werden. Sie wirken fort, auch wenn sich die Geschwister getrennt haben oder kein Kontakt mehr besteht.
- Für Geschwisterbeziehungen gibt es keine gesetzlichen und gesellschaftlichen Regularien, nach denen sie gestaltet werden.
- Zwischen Geschwistern existieren stattdessen mehr oder weniger ausgeprägte, ungeschriebene Verpflichtungen moralischer Art.
- Durch das gemeinsame Aufwachsen sind Geschwisterbeziehungen häufig durch ein hohes Maß an Intimität und Vertrautheit charakterisiert.
- Typisch für viele Geschwisterbeziehungen ist eine tiefwurzelnde emotionale Ambivalenz, d.h. das gleichzeitige Vorhandensein von intensiven positiven und negativen Gefühlen.
Für viele Menschen ist die Geschwisterbeziehung damit die intensivste im Leben. Weder mit bester Freundin oder Kumpel, noch mit Eltern oder Ehepartner ist man länger verbunden. Bruder oder Schwester begleiten uns von der Geburt bis zum Tod. Allerdings unterliegt die Intensität dieser Beziehung im Laufe des Lebens einigen Schwankungen. Bis etwa ins Grundschulalter hinein haben sie eine sehr enge Bindung, sie streiten zwar viel, aber verbringen viel Zeit miteinander, teilen schöne Momente. In der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter wird die Beziehung zu den Geschwistern weniger wichtig, jetzt rücken Gleichaltrige in den Fokus: Freunde und Mitschüler stehen an erster Stelle, die kleine Schwester nervt nur noch oder ist sogar peinlich. Mit dem Auszug des Bruders oder der Schwester, dem Beginn des Studiums oder einer Ausbildung wird die Distanz meist noch größer. Geschwister kümmern sich jetzt eher um andere Dinge, sortieren ihr Leben, suchen ihren Weg. Erst mit der eigenen Familiengründung – zumindest wenn sie etwa zeitgleich mit Geschwistern erfolgt – oder wenn der Pflegebedarf der Eltern steigt, wird der Kontakt wieder intensiver und bleibt dann meist bis ins hohe Alter eng. Schwestern haben tendenziell eine eher engere, intimere Bindung zueinander als Brüder oder Geschwister unterschiedlichen Geschlechts.