Bräuche und Feste der Sorben im Jahresverlauf
Es sind jene Aspekte, die bis heute eng mit dem sorbischen Volk verknüpft werden und die auch überregional und bei nicht-sorbischen Lausitzern weithin bekannt sind. Seit 2014 gehören die „Gesellschaftlichen Bräuche und Feste der Sorben im Jahresverlauf“ zum Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes, das von der Unesco geführt wird. Insgesamt zählen 32 Bräuche und Feste dazu, die im Jahresverlauf immer wiederkehren und die Identität der Sorben/ Wenden bis heute prägen. Darunter sind so bekannte wie die Vogelhochzeit, das Osterreiten oder das Maibaumaufstellen, aber auch weniger öffentlich bekannte wie das Neujährchen oder die Gemeindeversammlung Woklapnica. „Mit der Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe haben wir eine stärkere Anerkennung und mehr öffentliche Aufmerksamkeit für unser lebendiges kulturelles Erbe erreicht“, freut sich David Statnik. Er ist Vorsitzender der Domowina, Dachverband sorbischer Vereine und wichtigste Vertretung sorbischer Interessen gegenüber der Landes- und der Bundespolitik.
Neujährchen, Ober- und Niederlausitz, 1. Januar/6. Januar
Zu Neujahr und zum Dreikönigstag wurden früher Gebildebrote in Tiergestalt (Neujährchen) gebacken und dem Vieh ins Futter gegeben, damit es gesund bleibt.
Woklapnica, Mittel- und Niederlausitz, um den 6. Januar
Öffentliche Gemeindeversammlung am Jahresanfang mit Resümee („Abklopfen“) des vergangenen Jahres.
Vogelhochzeit, gesamte Lausitz, 25. Januar
Kinderbescherbrauch: Als Dank für das Füttern der Vogel im Winter erhalten Kinder süßes Gebäckin Form von Vögeln und Nestern. In vielen Kindergärten wird eine sorbische Hochzeit nachgestellt.
Zampern, gesamte Lausitz, Februar bis März
Heischebrauch: Traditionell verkleidete Figuren erheischen beim Umzug durch den Ort Geld, Eier und Speck.
Fastnacht/Zapust, Niederlausitz, Januar bis März
Festumzug der Jugend in sorbischer Tracht, der nach dem Zampern stattfindet.
Ostereier verzieren, gesamte Lausitz, März bis April
Osterbrauch: Verzierte Ostereier sind ein traditionelles Patengeschenk. Typische Verziertechniken sind die Wachsbatik- und Wachsbossiertechnik sowie die Kratz- und Ätztechnik.
Ostersingen Mittellausitz, Niederlausitz, vier Wochen vor Ostern bis zur Osternacht
Osterbrauch: Mädchen und junge Frauen in Tracht singen bis zur Osternacht Passions- und Auferstehungslieder.
Klappern, Oberlausitz, Gründonnerstag bis Karsamstag
Osterbrauch. Wenn die Glocken schweigen, ziehen in einigen katholischen Dörfern Jungen mit Holzklappern durch das Dorf, um alle Gläubigen zum Gebet einzuladen.
Osterfeuer Mittellausitz, Niederlausitz, Karsamstag
Osterbrauch: Hohe Symbolkraft hat der warme Schein der Osterfeuer, die vor allem in der Niederlausitz zur Osterzeit allerorts flackern. In manchen Dörfern tanzt man zu traditionellen Liedern einen Reigen um das Feuer. Wenn es bis zu einer bestimmten Höhe heruntergebrannt ist, versucht sich die Dorfjugend an der Mutprobe, schadlos über die noch lodernden Flammen zu springen.
Osterschießen, Oberlausitz, Osternacht
Schießen mit Karbid(kanonen) in der Osternacht.
Waleien, gesamte Lausitz, Ostersonntag
Osterbrauch: Heute ein beliebtes Kinderspiel, bei dem verzierte Eier über eine schräge Bahn („wala“) hinabgerollt werden.
Osterwasser, Mittellausitz, Osternacht
Osterbrauch: Mädchen holen am Ostersonntag vor Sonnenaufgang schweigend frisches Quellwasser, mit dem Gesundheit und Schönheit verbunden werden. Wird gesprochen, verliert es seine Wirkung.
Osterreiten, Oberlausitz, Ostersonntag
Osterbrauch: Im katholischen Gebiet überbringen Osterreiter die Osterbotschaft. Sie singen und beten in sorbischer Sprache und verkünden die Auferstehung.
Hexenbrennen, Mittellausitz, 30. April
Frühlingsbrauch, bei dem ein hohes, weithin sichtbares Feuer entfacht wird. In einigen Dörfern wird auf den Holzhaufen eine Strohpuppe (Hexe) gesetzt.
Maibaum, gesamte Lausitz, 30. April bis 1. Mai
Frühlingsbrauch. Am Vorabend des 1. Mai wird der Maibaum aufgestellt. In der Niederlausitz steht der Maibaum oft bis Johanni, wird dann gefällt und versteigert. In der Oberlausitz findet das Maibaumwerfen statt: es wird getanzt (die Mädchen tragen Tracht) und im Wettkampf beim Fällen des Baumes wird der Maikönig ermittelt.
Fronleichnam, Oberlausitz, Donnerstag 50 Tage nach Ostern
Zu Fronleichnam und am darauffolgenden Sonntag finden im katholischen Gebiet Prozessionen statt, an denen sich Mädchen und Frauen in sorbischer Festtracht beteiligen.
Johannisreiten, Niederlausitz, 24. Juni
Sommerlicher Brauch mit Reiterspiel zum Johannistag in Casel. Ein junger Mann (Johann) wird mit Kornblumenranken geschmückt. Während er reitet, versuchen die Zuschauer ihn anzuhalten und seine Blumen zu erhaschen, da sie als Glücksbringer gelten.
Stollenreiten, Niederlausitz, August
Erntebrauch: Wettreiten, bei dem der schnellste Reiter einen mit Blumen geschmückten Stollen erhält.
Ringreiten, Mittel- und Niederlausitz, August bis September
Erntebrauch: Wettreiten, bei dem eine Stange durch einen unter einer Girlande hängenden kleinen Kranz gestochen werden muss.
Kokot, Niederlausitz, August bis September
Viele Bräuche sind mit dem Ende der Ernte verbunden. Besondere symbolische Bedeutung wurde dem Hahn (Kokot) zugesprochen und Erntebräuche danach benannt. Beim Hahnschlagen versuchen junge Männer mit verbundenen Augen und mit einem Dreschflegel einen umgestürzten Topf, unter dem der Hahn sitzt, zu treffen. Beim Hahnrupfen wird ein toter Hahn am Querbalken einer geschmückten Pforte angebunden. Die Reiter galoppieren durch die Pforte und versuchen, Teile des Hahnes zu ergreifen. Wer den Kopf erhascht, wird König.
Kirmes, gesamte Lausitz, September bis November
Kirchweihfest: Im Mittelpunkt stehen Treffen mit der Familie und Geselligkeit.
Spinte, gesamte Lausitz, Herbst/Winter
Nach Abschluss der Ernte versammelten sich abends die unverheirateten Mädchen in der Spinnstube (Spinte), um Handarbeiten zu verrichten. Sie galt als Träger vieler sorbischer/ wendischer Bräuche.
Martinssingen, Oberlausitz, 11. November
Heischegang der Kinder am St. Martinstag in den katholischen Dörfern.
Heilige Barbara, Ober- und Mittellausitz, 4. Dezember
Der Brauch der Heiligen Barbara ist ein Bescherbrauch in den katholischen Dörfern um Wittichenau.
Heiliger Nikolaus, Ober- und Mittellausitz, 6. Dezember
Kinder werden vom Heiligen Nikolaus mit Süßigkeiten beschenkt.
Heilige Maria auf Herbergssuche, Oberlausitz, Adventszeit
Eine Marienfigur wird von Haus zu Haus zu getragen und symbolisch die biblische Szene der Herbergssuche nachgestellt.
Christkind, Mittel- und Niederlausitz, Adventszeit
Weihnachtlicher Brauch in der Schleifer Region („Dźěćetko“), dem Hoyerswerdaer Land („Dźěćatko“) und der Niederlausitz („Janšojski Bog“). Das Christkind oder Bescherkind, begleitet von zwei Trachtenträgerinnen, ist in der Adventszeit unterwegs, beschenkt Kinder und spendet mit der geschmückten Lebensrute Segen.
Quelle: Lausitz. Die Sorben/Wenden verbinden die Lausitz. Hg. Wirtschaftsregion Lausitz, 2020