Kolumne :: Seite 64
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
auf coole, neue Abfahrtsski. Wenn wir schon in den
Winterurlaub mussten, dann wollte ich wenigstens
Luxus und gepflegte Pisten. Ich recherchierte – und
wir fuhren wie Prinz Charles in die Schweiz, nach Da-
vos. Dort gab es auf der Schatzalp auch eine knapp 3
Kilometer lange Rodelpiste.
So ging es mit Erinnerungen, Gleitschuhen und Op-
timismus in die Alpen. Zum Glück musste man dort
nicht wie früher im Harz den Hang hochlaufen, son-
dern wurde überall von komfortablen Lifts chauf-
fiert. Meine Laune stieg. Mein Junior hatte schon
am Abend und morgen nach der Ankunft fleißig mit
den Skiern geübt und forderte mich zum Wettren-
nen heraus. So standen wir morgens um 10 Uhr am
3 Kilometer Rodelhang, meine Familie in neumodi-
schen Skiern und ich mit 40 Jahre alten Blechen. Ich
wechselte auf die etwas steilere Seite und erinnerte
mich dunkel daran, wie gut ich mit den Gleitschuhen
einst steuern konnte. Mein Junior machte mit Blick
auf mein leichtes Übergewicht durch meine Vorliebe
zu Kuchen und die Blechgleiter noch eine freche Be-
merkung vonwegen: „Papa, du bist sicher das erste
Kuchenblech in den Alpen“. Ich sagte nur „Auf die
Plätze, fertig ...“ und war schon weg. Das Schweizer
Nobelpublikum staunte nicht schlecht über meine
Zauberschuhe. Dort kannte keiner die guten, alten
Ostgleiter. Doch schon kurz danach sauste mein Ju-
nior wie ein Blitz an mir vorbei. Ich hatte die Rech-
nung ohne das Trägheitsgesetz gemacht, die kleinen
Gleitschuhe hatten gegen so viel Büroschwere wenig
auszurichten. Als er dank mangelnder Erfahrung
stürzte, sauste ich jubelnd an ihm vorbei. Etliche
Winterfreunde beobachteten unseren erbitterten
Wettkampf. Bis zur Hälfte der Piste baute ich meinen
Vorsprung aus. Nur zwei Sachsen feuerten mich an
„schliddorn stadd bibborn, heiljes Blechle“, der Rest
war für meinen Junior. Ich warf einen Blick zurück –
drehte mich wieder in Fahrtrichtung und da war sie;
eine riesige Schneewehe samt dahinter liegendem
kleinen Abhang. Wegen der bekloppten Gleitschuhe
konnte ich weder stoppen noch ausweichen. Mein Ju-
nior ging als erster ins Ziel und ich erhielt statt Blech
später in der Klinik eine hochwertige PVC-Beinschie-
ne. Das wars für mich mit den Winterferien, ich gehe
nie wieder auf die Piste!
Euer lausitzDADDY
In diesemWinter waren wir erstmals mit un-
seren Kids im Winterurlaub. Meine bessere
Hälfte wollte das unbedingt, „unsere Kinder
sollten auch mal diese Art Urlaub kennenlernen“. Wir
sind keine Skifahrer und ich erinnere mich nur dun-
kel an Kindheitstage, als wir im Harz stundenlang
per Ski durch verschneite Landschaften wanderten.
Zuhause im Flachland waren wir viel lieber mit den
guten, alten Germina-Blechen zumUnterschnallen an
alle Winterschuhe unterwegs. Alle Ossis kennen sie:
die Gleitschuhe. Sie waren unser Ersatz für Abfahrtski
und als kürzere und billigere Variante auch viel leich-
ter und für jeden kleinen Abhang geeignet. Blech statt
Brett, das war unsere Losung. Und ich war der unge-
krönte König auf der sogenannten Todesbahn an der
Stadtmauer der einstigen Ost-Kleinstadt meiner Kind-
heit. Rückblickend erinnerte ich mich aber vor allem
ans viele Frieren.
Das Stuben- und Bürohocker-Gen hat sich inzwischen
wohl fest in meinem Blut verankert. Zudem keimte
der alte Hass auf Skier in mir auf. In meiner späteren
Jugend verbrachten wir viele Wintertage auf einem
Hügel etwas abseits der Stadt. Dort tauchte irgend-
wann Konkurrenz mit schicken Skiern von der West-
verwandtschaft auf. Der King of Gleitschuh von der
Todesbahn war plötzlich nur noch ein alberner Blech-
schlitterer. Von Kindheitserinnerungen und dem
alten Hass auf Skier verblendet, organisierte ich mir
im Internet Original Germina-Gleitschuhe, verstellbar
bis Größe 41. Ich hatte zwar 42, aber irgendwie wür-
de das schon gehen. Mein Junior hingegen bestand
Noch nicht genug gelacht?
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