Titelthema :: Seite 43
kinderreichefamilien.deUmfragen, dass Eltern häufig aus fi-
nanziellen Gründen auf ein drittes
oder viertes Kind verzichten. Neben
den steigenden Kosten, fällt ab dem
dritten Kind meist auch ein Einkom-
men für längere Zeit deutlich klei-
ner aus oder ganz weg. Das traut
sich nicht jede Familie zu.
Was sind darüber hinaus die größ-
ten Schwierigkeiten für kinderrei-
che Familien hierzulande?
Neben finanziellen Aspekten bekla-
gen diese Familien die fehlende In-
frastruktur. Das fängt bei großen,
bezahlbaren Wohnungen an und
geht weiter bei Familienkarten für
Museen oder Schwimmbäder, die
nur zwei Kinder berücksichtigen.
Insofern ist die fehlende gesell-
schaftliche Anerkennung des Le-
bensmodells „drei-plus“ die zweite
große Hürde. Ich höre oft von Müt-
tern aus unserem Verband, die ab
der dritten Schwangerschaft gefragt
werden, ob das geplant gewesen sei
oder gar ob sie das Kind wirklich
bekommen wollen. An dieser Stelle
brauchen wir einen gesamtgesell-
schaftlichen Bewußtseinswandel.
Welchen Einfluss hat Kinderreich-
tum auf die Partnerschaft und wel-
chen auf die Geschwister?
Wir wissen, dass Partnerschaften in
kinderreichen Familien langfristig
stabiler sind. Viele Kinder bedeu-
ten für die Eltern Herausforderung
aber zugleich auch Sinnstiftung.
Was schwer, aber wichtig ist: Dass
sich die Eltern Zeit nehmen, ihre
Partnerschaft zu pflegen. Kinder mit
vielen Geschwistern werden früher
selbständig, sie entwickeln soziale
Kompetenzen. Sie haben immer ei-
nen Spielpartner, sie stützen sich
gegenseitig, fordern sich aber auch
heraus, reiben sich aneinander. Ge-
schwister prägen ein Leben lang.
Ihr persönliches Plädoyer: War-
um sollten trotz aller Schwierigkei-
ten mehr Familien den Mut haben,
sich für ein drittes oder viertes Kind
zu entscheiden?
Ich habe die Mehrkindfamilie selbst
erlebt – als Kind und jetzt als Mut-
ter. Ich habe das stets als großen
Schatz empfunden. Für mich sind
Kinder Zukunft und Lebenssinn.
26 Prozent der 20 bis 30-Jährigen
wünschen sich mehr als zwei Kin-
der. Aber nur ein Teil setzt diesen
Wunsch tatsächlich um. Ich würde
mir wünschen, dass mehr Eltern
den Mut für das dritte und vierte
Kind aufbringen. Nichtsdestotrotz
muss jede Familien ihren individu-
ellen Lebensentwurf finden, der zu
ihr passt – ob nun mit einem Kind
oder mit sieben.
Ihr Verband hat sich 2011 gegrün-
det, ist also noch recht jung. Was
konnten Sie in dieser Zeit errei-
chen? Wo sehen Sie noch Hand-
lungsbedarf?
Wir sind mit zehn Familien gestar-
tet und haben heute 17.000 Mitglie-
der, also Mütter, Väter, Kinder. Wir
sind enorm gewachsen, haben 16
Landesverbände gegründet und
uns untereinander aber auch mit
Politik und Wirtschaft vernetzt.
Wir konnten viele wichtige Projekte
umsetzen und Initiativen anstoßen.
Dazu gehören z.B. das FairFamiliy-
Siegel, mit dem wir Unternehmen
für besonders familienfreundliche
Produkte und Dienstleistungen aus-
zeichnen.. Zudem wurden kürzlich
in die neue Landesbauordnung
von Rheinland-Pfalz die Interes-
sen kinderreicher Familien für gro-
ße Wohnungen mit aufgenommen
– auf unsere Initiative hin. Für die
Zukunft planen wir den 2. Famili-
enkongress, dieses Mal in Köln. Wir
starten eine neue Initiative zur bes-
seren Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Und wir fordern die Öff-
nung des Bundesfreiwilligendiens-
tes für kinderreiche Familien.
Warum sollten kinderreiche Fami-
lien Ihrem Verband beitreten? Was
haben sie davon?
Wir fördern und vertreten die Be-
lange dieser Familien. Wir bieten
ihnen ein breites Netzwerk an, in
dem sie sich austauschen und be-
raten lassen können. Über das fami-
lie3plus-Programm bieten Partner-
firmen exklusive Vergünstigen und
Rabatte für Verbandsmitglieder an.
Der Verband kinderreicher Fami-
lien Deutschland e.V. ist im Jahr
2011 aus der Initiative engagierter
kinderreicher Familien entstan-
den, vertritt 1,2 Millionen kinder-
reicher Familien in Deutschland
und setzt sich in Politik, Wirt-
schaft und Medien für ihre Inte-
ressen ein. Der Verband versteht
sich als Netzwerk von Mehrkind-
familien, die sich untereinander
unterstützen und die Öffentlich-
keit für ihre Anliegen erreichen
wollen. Der Verband ist konfes-
sionell ungebunden und über-
parteilich. Für die Mitgliedschaft
erheben wir einen freiwilligen
Mitgliedsbeitrag. Weitere Infor-
mationen unter: