Background Image
Previous Page  42 / 72 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 42 / 72 Next Page
Page Background

Titelthema :: Seite 42

anerkannt wird. Von der Wirtschaft

wünschen wir uns mehr familien-

freundliche Arbeitgeber, denn auch

sie profitieren von zufriedenen Mit-

arbeitern. Neben der Politik und der

Wirtschaft ist ganz entscheidend,

dass wir die gesamte Gesellschaft

mit ins Boot holen. Großfamilien

sollten nicht als Sonderlinge abge-

tan, sondern in die Gesellschaft in-

tegriert werden.

Kinderreiche Familien haben ein

schlechtes Image, gelten als bil-

dungsfern, verantwortungslos, ar-

beitslos. Entspricht dieses Bild der

Realität? Gibt es die typische kin-

derreiche Familie?

Nein, die gibt es eben nicht. Jede

Großfamilie ist so individuell wie

jede andere Familie auch. Das Bild

von der Unterschichtfamilie stimmt

so auch nicht: 83 Prozent der Mehr-

kindfamilien bestreiten ihr Einkom-

men selbst. Gleichwohl lebt jede

vierte kinderreiche Familie im Ar-

mutsrisiko.

Muss man sich viele Kinder leisten

können? Ist Kinderreichtum eine

Geldfrage?

In der Tat belegen Statistiken und

In Deutschland entschei-

den sich nur wenige Fa-

milien für drei oder mehr

Kinder. Woran liegt das?

Das hat viele Gründe. Finanzielle

Aspekte spielen ebenso eine Rol-

le wie eine fehlende Wertschät-

zung von Familien gerade mit vie-

len Kindern. Oft finden Paare einen

Lebensentwurf mit vielen Kindern

nicht so reizvoll, weil sie natür-

lich auch auf manches verzichten

müssen. Uns als Verband kommt

es aber gerade darauf an zu zei-

gen, wie schön und erfüllend, wie

„reich“ der Alltag von kinderrei-

chen Familien ist.

In anderen Ländern wie Schweden

oder Frankreich scheinen kinderrei-

che Familien mehr verbreitet – was

machen diese Länder anders?

In diesen Ländern erfahren Großfa-

milien eine ganz andere Wertschät-

zung. Sie werden dort nicht schief

angesehen, sondern sind angese-

hen. Das zeigt sich schon imAlltag:

Kinder haben freien Eintritt in Mu-

seen, sind in Restaurants gern ge-

sehen. Auch in finanzieller Hinsicht

kann man dort von einer Mehrkind-

politik sprechen. Großfamilien wer-

den in Frankreich durch steuerliche

Erleichterungen finanziell stärker

entlastet als bei uns.

Was kann die Politik, die Wirt-

schaft, die Gesellschaft tun, damit

Deutschland (groß)familienfreund-

licher wird?

Ab dem dritten Kind steigen die

Kosten für Familien deutlich. Meist

braucht es ein größeres Auto, mehr

Wohnraum. Die Mehrwertsteu-

er trifft vor allem große Familien.

Die Politik muss die erforderlichen

Rahmenbedingungen schaffen, da-

mit sich dennoch mehr Familien für

mehr als zwei Kinder entscheiden.

Wir fordern höheres Kindergeld,

den Einbau eines Kinderfaktors in

die Rentenversicherung und ein

Familiensplitting als Erweiterung

des Ehegattensplittings in Form ei-

ner deutlichen Erhöhung des Steu-

erfreibetrags für Kinder, gestaffelt

nach Kinderzahl. Jedes vierte Kind

stammt aus einer kinderreichen

Familie, sie finanzieren die künfti-

ge Rente, das wird aber bisher nicht

ausreichend gewürdigt. Daher un-

terstützen wir auch die Initiative el-

ternklagen.de

, bei der Eltern derzeit

dafür klagen, dass bei den Sozialab-

gaben auch ihre Erziehungsleistung

Interview mit Dr. Elisabeth Müller, Vorsitzende des Verban-

des kinderreicher Familien in Deutschland. Sie ist selbst mit

vier Geschwistern aufgewachsen und heute Mutter von sechs

Kindern im Alter von 11 bis 20 Jahren.

„Viele Kinder bedeuten

Herausforderung, aber

auch Sinnstiftung“