PISA und die Folgen
Der PISA-Schock ist mittlerweile gute 13 Jahre her. Der erste Test verbannte Deutschland im Dezember 2001 auf Platz 22 von 32 getesteten Nationen. Seitdem steht hierzulande PISA als Synonym für die Mängel im deutschen Bildungssystem. Viele Eltern wissen dennoch nicht, was mit dem Test eigentlich ermittelt wurde und wird. PISA testet alle drei Jahre die Bereiche Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften bei 15-jährigen in den OECD-Staaten, inzwischen wird der Test weltweit in 68 Ländern durchgeführt. PISA testet dabei nicht nur Wissen, sondern auch, wie dieses angewendet wird. Diese sogenannte Methodenkompetenz wird in unserer heutigen Welt, in der Wissen an sich schnell veraltet, immer wichtiger. Die letzte PISA-Testrunde fand im vergangenen Jahr statt, insgesamt 6.250 Schüler an 250 deutschen Schulen schrieben mit, die Ergebnisse werden zu diesem Jahresende veröffentlicht.
Was PISA allerdings nicht testet, sind soziale Kompetenzen und die sogenannten weichen Faktoren. Dennoch gilt PISA als internationaler Maßstab für die Leistungsfähigkeit eines Bildungssystems. Interessanterweise ist heute China in allen drei Kompetenzbereichen PISA-Spitzenreiter. Ein Vergleich zum leistungsfähigen Schulsystem der DDR drängt sich auf: Zentralisierte und straffe Schule in einem ideologisch geführten System kann demnach zu herausragenden Schulleistungen führen. Sicher will kaum ein Elternteil diese Verhältnisse zurück, mehr Freiheit und individueller Freiraum sorgen auch für mehr Vielfalt in den Schulleistungen. Finnland und Kanada zählen zu den Staaten, die beides am besten miteinander verbinden. Somit hat PISA neben dem Schock vor allem eine heilsame Wirkung: Es hilft, gute Bildung auszumachen und davon zu lernen.
Dazu trug als Erweiterung des PISA-Tests auch PISA-E bei, dieser Test wurde um nationale Komponenten erweitert und erlaubte damit auch den Vergleich der Bundesländer untereinander. Diese Möglichkeit wurde in Deutschland von 2000 bis 2009 in starkem Ausmaß genutzt, für den Bundesländervergleich PISA-E wurden zehnmal so viele Schüler getestet wie für den deutschen Beitrag zur internationalen Studie, der resultierende Vergleich der Bundesländer untereinander war wie alle PISA-Ergebnisse öffentlich zugänglich. Leider haben sich die Bundesländer dieser Vergleichsmöglichkeit entzogen und mit VERA neue Vergleichstests nach eigenen Standards eingeführt. In der Vereinbarung dazu wird jegliche Verpflichtung zu Transparenz und Öffentlichkeit vermieden, Ergebnisse müssen nicht publiziert werden und es wird mehrfach versichert, dass die Identifikation einzelner Schulen nicht möglich ist und die Daten nicht für einen Ländervergleich genutzt werden. Die VERA-Vergleichsarbeiten werden in Jahrgangsstufe 3 und 8 geschrieben, durch die Lehrer ausgewertet und durch sie selbst in ein System eingepflegt. Die allgemein zugänglichen Ergebnisse sind unter www.isq-bb.de im Bereich „Vergleichsarbeiten“ nachzulesen. Hier wird eine Schwäche deutscher Bildung erkennbar: Während man in anderen Ländern die Qualität der einzelnen Schule im Vergleich zu anderen im Internet nachlesen kann, ist bei VERA kein Schulvergleich zu finden, obwohl die Ergebnisse dies ermöglichen würden und die Schulen auch entsprechende Auswertungen erhalten. Die Ergebnisse im Internet werden lediglich als Gesamtheit auf Landesebene dargestellt. Auch die Schulen müssen die Ergebnisse nicht veröffentlichen und die Lehrer können selbst befinden, wie sie mit den Ergebnissen umgehen. Insofern ist nicht zu erkennen, wie VERA Eltern Möglichkeiten bietet, ihre Schule einzuordnen, auch wenn die Daten einen detaillierten Vergleich unter Schulen und sogar Klassen zulassen. Die Kinder bekommen lediglich eine individuelle Rückmeldung mit nach Hause, die sie am Folgetag wieder in der Schule abgeben müssen. Es liegt allein an den Lehrern und der Schule, ob Eltern dies überhaupt registrieren. Die resultierenden Vergleichsdaten, die Millionen von Euro an Kosten und einen immensen Aufwand verursachen, werden nicht einmal externen Bildungsforschern wie der Bertelsmann-Stiftung zugängig gemacht. Dabei wäre mit diesen Erkenntnissen eine Bewertung möglich, wo was und warum besser läuft. Ein Hinweis an Eltern: Fragen Sie doch einmal an Ihrer Schule gründlich nach den VERA-Ergebnissen, die Auswertung zeigt nämlich tatsächlich, wo Schule und Klassen im Landesvergleich stehen.
Eine große Kritik an den Vergleichsarbeiten wie PISA und VERA besteht auch darin, dass Schulen immer intensiver auf Tests vorbereiten. Vermittelt wird in Deutschland ohnehin verstärkt testbares Faktenwissen, dass schnell wieder vergessen werden kann. Wer Kinder in Klassenstufen hat, in denen Vergleichsarbeiten stattfinden, wird bei Nachfragen oft merken, dass in den Wochen vor diesen Arbeiten regelrecht auf die Tests hin getrimmt wird. Das hat sicher auch seinen Einfluss auf die deutliche Verbesserung Deutschlands bei PISA, immerhin konnte sich Deutschland 2009 schon fast durchgängig im besten Viertel platzieren. Allerdings bleibt bei der intensiven Vorbereitung fraglich, ob die Ergebnisse ein tatsächliches Leistungsvermögen widerspiegeln.
Schul-Spezial Teil 1: "Alles PISA oder was?"
Datum: Freitag, 23. August 2013 12:36
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