„Da ist noch viel zu tun“

Datum: Freitag, 20. September 2013 11:40


Worauf führen Sie das zurück – fehlt es an Fortbildung älterer Lehrer im System oder betrifft das die gesamte Lehrerschaft?
Es gibt bei einigen Lehrern eine negative Grundstimmung. Das ist meist darauf zurückzuführen, dass sie sich überlastet fühlen und dass es zu viele Reformen in der letzten Zeit gegeben hat. Wenn ich das am Beispiel von einigen Oberschulen im „Speckgürtel“ festmachen darf: Sie sind mit großem Elan gestartet und drohen jetzt in vielen Fällen zu Restschulen zu verkommen. Dort gibt es pädagogisch sehr versierte Lehrer, die jetzt aber einfach frustriert sind, weil die Leistungsstarken fehlen. Diese Reform hat leider nur teilweise geklappt. Andererseits gibt es aber auch viele engagierte Lehrer und Schulen mit ausgezeichnetem Ruf, die Tendenz ist auf jeden Fall positiv. Das merken wir auch bei den Bildungsmonitoren. Die Qualität ist insgesamt gestiegen, auch wenn das subjektiv manchmal anders wahrgenommen wird. Die beschlossenen Gehaltserhöhungen und Arbeitszeitabsenkungen werden hoffentlich die Stimmung in der Lehrerschaft verbessern.

Von offizieller Seite wird Eltern immer empfohlen, Probleme an der Schule direkt mit dem Lehrer zu klären. Ist das auch Ihre Empfehlung?
Natürlich ist es der richtige Weg, zuerst mit dem Lehrer zu sprechen. Wenn aber bereits Spannungen existieren, sollte man den Mut haben, auch mal zum Schulleiter oder zum Schulrat zu gehen. Das sind Menschen mit Erfahrungen, die auch Konflikte lösen können. Man sollte Konflikte, die sich verschärfen und mehrere Fälle betreffen, in der Elternkonferenz ansprechen. Man muss dazu sagen, dass viele Lehrer im Studium noch gar nicht gemerkt haben, ob sie für den Lehrerberuf überhaupt geeignet sind. Die Praxisferne des Studiums spielt nach meiner Meinung eine ganz große Rolle. Lehramtsstudenten merken oft viel zu spät, dass sie für den Beruf nicht geeignet sind. Dann haben sie aber schon so viel Zeit und Geld investiert, dass sie das dann durchziehen. Das ist schade und deshalb fordern wir auch mehr Praxisnähe in der Lehrerausbildung.

Frau Dr. Münch hat an der Ausbildung jetzt einiges geändert, unter anderem soll die Praxisnähe zunehmen. Wird es jetzt besser?
Das haben wir positiv bemerkt. Der Praxisanteil, die schulpraktischen Übungen, in der Potsdamer Uni ist sogar noch größer als gesetzlich vorgeschrieben, könnte aus unserer Sicht aber noch höher sein und müsste früher im Studium stattfinden. Das Praxissemester liegt im späten Masterstudium. Das ist ein Systemfehler, da steht ja ohnehin das Referendariat bevor.

Unterstützt der Landeselternrat auch bei konkreten Problemen vor Ort?
Das gehört eigentlich nicht zu unseren Aufgaben. Wir können nicht dafür kämpfen, dass z.B. in einem bestimmten Ort eine Grundschule erhalten wird. Viele Probleme sind aber von genereller Natur, und die diskutieren wir schon mit der Ministerin und fragen auch nach, was aus konkreten Konflikten geworden ist. Nach dem Schulgesetz vertreten wir aber die allgemeinen Interessen der Eltern, deswegen können wir bei konkreten Fällen nur bedingt helfen.

Wie würden Sie das Verhältnis zum Ministerium beschreiben, ist das ein Miteinander oder ein Gegeneinander?
Wir gehören naturgemäß zu den lautesten Kritikern des Ministeriums. Die Zusammenarbeit ist im letzten Jahr aber konstruktiver geworden. Das Ministerium hat an vielen Punkten schon eingelenkt und Anregungen von uns aufgenommen. Es gibt auch Situationen, in denen wir offene Türen einrennen, aber die allgemeine Haushaltslage und die finanziellen Grenzen einfach nicht den notwendigen Spielraum hergeben. Hier muss ein Umdenken in Gesellschaft und Politik stattfinden mehr Geld in die Bildung zu stecken. Die Parteien reden davon, jetzt muss das auch umgesetzt werden.
Insgesamt kann ich die Zusammenarbeit teilweise als kritisch und gespannt bezeichnen, insgesamt aber als konstruktiv. Leider reagiert das Ministerium manchmal viel zu spät. Das war bei der Finanzierung der Klassenfahrten für Lehrer der Fall. Hier haben wir schon ein Jahr zuvor in aller Deutlichkeit gesagt, welche Dramatik dieses Thema hat. Das hatte das Ministerium eine Entscheidung versäumt. Entscheidungen wie die bessere Bezahlung der Lehrkräfte, die Erhöhung der Vertretungsreserve und zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen zur Inklusion unterstützen wir.

Sie stehen sicher in engem Kontakt zu weiteren engagierten Eltern – hat sich ihre Arbeit schon einmal negativ für die eigenen Kinder ausgewirkt?
Ich hoffe nicht. Bei vielen Eltern gibt es aber Angst, sich zu artikulieren, weil sie befürchten, dass ihre Kinder dann in der Schule schlechter behandelt werden. Das ist leider sehr verbreitet.

Haben Sie für Eltern, die stillschweigend zuschauen, sich aber eigentlich anonym äußern wollen, eine Lösung?
Die Lösung kann nur sein, dass wir in Zusammenarbeit mit den Schulräten und dem Ministerium eine Atmosphäre schaffen, in der Freiraum besteht und in der man frei über Probleme sprechen kann. Nur wenn viel miteinander geredet wird, werden diese gegenseitigen Vorurteile abgebaut. Das Problem ist aber sicher da und lässt sich nicht ganz lösen.

Was raten Sie Eltern in einer solchen Situation?
Da rate ich auf jeden Fall, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen, die eine entsprechende Position hat. Das kann der Schulelternsprecher sein. Er kann eine ganz wichtige ausgleichende Position einnehmen. Er kann das in seiner Funktion machen und muss nicht persönlich sprechen. Ansonsten gibt es auch durchaus Schulen mit einer guten Schulleitung, an die man sich wenden kann. 

Auf der Seite des Landeselternrats gibt es Kategorien für einzelne Regionen, Südbrandenburg ist da ein weißer Fleck. Sind die Eltern hier weniger engagiert oder liegt hier das Paradies des Brandenburger Schulsystems?
Das ist mehr zufällig. Wenn in der Presse ein Thema hochkocht oder entsprechende Aktivitäten der Kreiselternräte bestehen, die sich auch an uns wenden, dann stellen wir das in diese Kategorien ein. Es kann auch durchaus sein, dass in Südbrandenburg die Eltern aktiv sind, uns aber nicht informieren.

Sind Ihnen besondere Probleme in unserer Region bekannt?
Brandenburg ist grundsätzlich zweigeteilt: in den Speckgürtel und den ländlichen Raum. Der südliche Bereich ist ähnlich wie die Uckermark und die Prignitz von dem Bevölkerungsrückgang geprägt. Wir diskutieren momentan die Kriterien, nach denen Schulen in solchen Regionen erhalten bleiben können. Da ist Südbrandenburg sicher besonders betroffen. Wir wollen einerseits zumutbare Schulwege, aber andererseits auch eine gewisse Qualität vor allem in den Grundschulen aufrecht erhalten. Wir sehen eine Lösung darin, Kleinstgrundschulen für Kinder von der 1. bis 4. Klasse zu erhalten. Lehrer sind in der Lage, die 1. und 2. Klasse sowie die 3. und 4. Klasse zusammen zu unterrichten, sodass man auch mit 30 bis 40 Schülern Grundschule als „Filiale“ betreiben könnte. Ab dem 5. Schuljahr spielt aber der fachliche Bereich eine wichtige Rolle, sodass wir ab diesem Schuljahr eher dazu tendieren, Schüler in größeren Einheiten zusammen zu fassen und auch weitere Schulwege in Kauf zu nehmen. 

www.landesrat-der-eltern-brandenburg.de
www.bildungsverteiler.de