Danilo Fischbach engagiert sich auf Landesebene für gebührenfreie Kitas. Der Vater aus Oberhavel war lange Jahre Fußball-Schiedsrichter und vor gut zwei Jahren erschrocken über die kommunalen Unterschiede bei Brandenburger Kitatgebühren, als seine Tochter ins Kitaalter kam. Seitdem kämpft er nun für mehr Transparenz bei der Belastung der Eltern – mit dem großen Ziel gebührenfreier frühkindlicher Bildung in Brandenburg:
Sie kritisieren Entscheidungen um Kitagebühren auch als Privatveranstaltung auf Landesebene, was steckt dahinter?
Die Kitagebühren liegen im Zuständigkeitsbereich von Bildungsminister Baaske. Dessen Lebensgefährtin Anne Böttcher ist Geschäftsführerin des AWO-Landesverbandes Brandenburg und bestimmt auf operativer Ebene die Kommunikation der Wohlfahrtverbände maßgeblich mit, die ja für die Träger der Kitaeinrichtungen sprechen. Der Schwiegervater von Herrn Baaske ist wiederum Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Brandenburg, der für die Selbstverwaltung der Brandenburger Kommunen steht und ihre Belange gegenüber dem Gestezgeber vertreten soll. Da sitzen dann also in Sachen Kitagebühren der Gesetzgeber Herr Baaske, die Träger und jener, der die Kommunen gegenüber dem Gesetzgeber vertreten soll, an einem Kaffeetisch.
Das wäre doch gut, wenn alle die Beitragsfreiheit wollen?
Leider wollen sie das nicht. Die Arbeiterwohlfahrt ist am Ende auch nur ein Unternehmen, das Umsatz erzielen möchte. Der ist vor allem über Mitarbeiter möglich. Da hilft mehr Personal natürlich eher als weniger Elternbeiträge, um mehr Umsätze zu erzielen.
Wer verhandelt auf Landesebene eigentlich über die Gestaltung von Kitagebühren?
Auf Landesebene gibt es dazu keine Verhandlungen. Dort werden die Wohlfahrtsverbände und der Städte- und Gemeindebund angehört. Soviel zum Kaffeetisch. Nun wurden auch erstmals Elternvertreter zugelassen. Die Eltern haben sich natürlich für die Beitragsfreiheit ausgesprochen, die Wohlfahrtsverbände haben sich naturgemäß mit Ausnahme des Potsdamer Verbandes dagegen geäußert.
Gebührenfreiheit in Kitas ist ein Standortvorteil, um junge Familien zu gewinnen – sehen das Brandenburger Städte und Gemeinden anders?
Hamburg und Berlin sind heute die einzigen Bundesländer, in denen mehr Menschen geboren werden als sterben. Dort arbeitet man aktiv gegen den demografischen Wandel und hat den Hebel auch bei der Beitragsfreiheit im Kitabereich angesetzt. Berlin ist ab 2018 komplett beitragsfrei und in Hamburg sind fünf Stunden pro Tag beitragsfrei. Dabei sind dort die Haushalte auch alles andere als üppig bestellt. Insofern zeigen andere, dass es geht, wenn der Wille stark genug ist.
Seit wann kämpfen Sie auf Landesebene für gebührenfreie Kitas?
Seit zwei Jahren. Wir werden auch durchhalten, bis der Einstieg geschafft ist. Ich zähle meine Familie zu jenen, die auf ein Zweitkind verzichten, weil wir einfach die Bildungsgebühren nicht bezahlen können. Wenn wir mehr für die Bildung unserer Kinder als für die Rate unseres Hauses zahlen müssen, haben wir in Brandenburg doch ein starkes Ungleichgewicht und eine Ungerechtigkeit. Dagegen möchte ich etwas unternehmen und meinem Kind eine bessere Welt hinterlassen, als ich sie vorgefunden habe.
Haben wir in Brandenburg eigentlich eine besonders schlechte Situation?
Das kommt auf den Vergleich an. Rheinland-Pfalz ist ein typisches Flächenland wie Brandenburg, dort sind Kitas trotz eines weitaus besseren Betreuungsschlüssels als in unserem Land beitragsfrei. Es machen sich immer mehr Bundesländer auf den Weg. Auch in Thüringen ist das im Gespräch, in Nordrhein-Westfalen ist ein Kitajahr gebührenfrei. Der Trend ist klar erkennbar.
Gibt es in Brandenburg auch eine Bewegung in diese Richtung?
Am 15. Oktober findet der Landesparteitag der SPD Brandenburg statt. Von der Basis werden dort Anträge zur gebührenfreien Bildung und Verpflegung der Kinder in den Bildungseinrichtungen Brandenburgs eingebracht. Da wird man sehen, welchen Weg die Sozialdemokraten in unserem Land einschlagen – ob sie mit der oder gegen die Elternschaft Politik machen wollen.
Kann das Thema auch auf Bundesebene entschieden werden?
Gebührenfreie Bildung war ja das SPD-Wahlkampfthema zur vergangenen Bundestagswahl. Leider hat sie das Versprechen nicht eingehalten. Sowohl Sigmar Gabriel als auch Familienministerin Manuela Schwesig fordern das ja nach wie vor. Nur: getan hat sich noch nichts.
Brandenburg steigert seine Zuschüsse zur Kinderbetreuung sukzessive, von 228 Mio. Euro im Jahr 2014 auf 386 Mio. Euro in 2018 – ist das nicht ausreichend?
Man muss klar sagen, dass Brandenburg in der Vergangenheit extrem viel Geld auf Kosten der Qualität in den Kitas und auf Kosten der Elternbeiträge eingespart hat. Die benannten Mehrausgaben kommen ja nun vor allem durch die Verbesserung des Betreuungsschlüssels zustande. Hier war Brandenburg in der Vergangenheit extrem schlecht. Im Krippenbereich wird beispielsweise ein Betreuungsschlüssel von 1:3 fokussiert, da ist Brandenburg bei 1:5 – und selbst das wird in vielen Kommunen nicht eingehalten. Selbst wenn das Land jetzt mehr Geld ausgibt, verbessert es sich von ganz schlecht nur zu immer noch schlecht. Da müsste also deutlich mehr unternommen werden. Hamburg hat beispielsweise mit 11 Milliarden einen vergleichbaren Haushalt wie Brandenburg. Dort werden bereits heute 800 Mio. Euro pro Jahr für die Jüngstenbildung ausgegeben, in Brandenburg ist es nicht einmal die Hälfte. Die Beitragsfreiheit zur Entlastung der Eltern ist da nur eine Seite der Medaille, wir müssen auch viel mehr für die Qualität in der Jüngstenbildung tun.
Ist dazu in Brandenburg ein Umdenken notwendig?
Nicht nur in Brandenburg. Wir müssen die Kita endlich als Bildungseinrichtung betrachten. Daraus ergeben sich Forderungen Richtung Bundesebene, z.B. nach einem Bundesqualitätsgesetz. Wir brauchen in ganz Deutschland gleiche Standards mit einheitlichen Betreuungsschlüsseln. Wenn Kitas Bildungseinrichtungen sind, impliziert das die Gebührenfreiheit, da alle Kinder das gleiche Recht auf Bildung haben. Demzufolge muss die Kita wie die Schule kostenfrei sein.