Aber woher soll das Geld kommen?
Das sind einfache Rechenbeispiele. Das Land Brandenburg erhält verschiedene Bundesmittel, durch welche man Familien entlasten könnte. Da gibt es Betriebskostenzuschüsse des Bundes, das ehemalige Betreuungsgeld des Bundes. Finanzminister Görke hat sich rühmen lassen, im Haushalt 2015 immerhin 3,4 Prozent Überschüsse erwirtschaftet zu haben. Das wäre ein jährlicher Überschuss von 374 Mio. Euro, addiert man die Bundesgelder hinzu, dann hätte Brandenburg mehr Geld für die Jüngstenbildung samt Beitragsfreiheit und Qualitätssteigerung zur Verfügung, als wir brauchen. Daran liegt es also nicht. Zudem hat Manuela Schwesig die 24-Stundenkita eingeführt, mit der Kommunen aktiv Fördermittel vom Bund einwerben können. Das ist in Brandenburg noch nicht angekommen. Die EU hat ein Schulobst- und -gemüseprogramm aufgelegt, bei dem 75 Prozent aller Kosten übernommen werden, wenn den Kindern Obst und Gemüse kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Auch hier ist Brandenburg eines der wenigen Bundesländer, das nicht an diesem Programm teilnimmt. Es scheint also allein am politischen Willen zu liegen.
Haben Brandenburger Kinder aktuell schlechtere Startchancen als in anderen Bundesländern?
Ja, dazu gibt es auch Studien.
Der Anteil Brandenburger Kinder in Kitas ist aber relativ groß, das ist doch gut, oder?
Das sieht im Krippenbereich aber schon ganz anders aus. Hier liegt die Kostenstruktur noch einmal deutlich über dem Kitabereich. Die Durchschnittseinkommen sind in Brandenburg teils deutlich geringer als in anderen Bundesländern. Dadurch sind viele Frauen geradezu gezwungen, Vollzeit arbeiten zu gehen und ein zweites Einkommen für die Familie zu generieren. Da besteht gar keine Wahlmöglichkeit, das Kind zu Hause zu betreuen. Auch deshalb können die Kommunen hohe Gebühren verlangen. Wenn sich in Familien mit mehreren Kindern Frauen aufgrund der immensen Gebühren gegen die Arbeit und für die Betreuung der Kinder zu Hause entscheiden, kann das erst recht nicht im Interesse der Gesellschaft sein. Wir haben aber immer öfter das Problem, dass sich Arbeit aufgrund der Gebühren nicht mehr lohnt.
Haben wir in Brandenburg ein schlechtes Kitagesetz?
Wenn man sich intensiv mit den Elternrechten auseinandersetzt, merkt man, dass wir ein gutes Kitagesetz haben. Es ist sehr sozial. Es wird aber nicht eingehalten und nicht umgesetzt. Es gibt keine Kontrollinstanz. Es wurde gerade per Gericht festgestellt, dass Eltern mit maximal 1,70 Euro am Mittagessen der Kinder beteiligt werden dürfen und der Rest durch die Kommune getragen werden muss. Das ist im Kitagesetz geregelt, nur leider hält man sich in vielen Kommunen nicht daran. Auch Frühstück und Vesper sind Bestandteil der Elternbeiträge, die nach Einkommen gestaffelt werden. Das ist sozial und alle Kinder werden verpflegt. Es muss aber auch so umgesetzt und eingehalten werden.
Wenn das Gesetz gut ist, warum exisitieren dann die großen Gebührenunterschiede zwischen einzelnen Kommunen?
Im Gesetz sind keine Obergrenzen definiert und es fehlt die Kontrolle. Würde man die Kommunen und deren Abrechnung kontrollieren, würden die Kitagebühren mit Sicherheit landesweit sinken. Das liegt aber weder im Interesse der Kommunen noch des Landes, noch weniger der Wohlfahrtsverbände. Alle erzielen ja Umsätze. Nur die Bürger, also wir Eltern, haben ein Interesse daran, denn wir müssen dafür zahlen. Deshalb kämpfen wir, indem wir unsere Kommunen verklagen, auf Landesebene eine Anhörung erzwingen und über den Petitionsausschuss des Landes Beschwerde einreichen.
Wer ist eigentlich in der Kontrollpflicht, die Kommunen oder das Land?
Beide! Es gibt etliche Beispiele, in denen Kommunen bewusst in Kauf nehmen, wenn bei Elternbeiträgen für Frühstück, Vesper oder Mittagessen das Gesetz gebrochen wird. Danach folgen Kreis und Kommunalaufsicht, die eigentlich die Einhaltung der Gesetze prüfen müssen. Dann folgt natürlich das Land, das nicht weiter wegschauen darf. Allein dieses kleine Beispiel zeigt auf, wo überall der Wille fehlt.
Zurück zu Herrn Baaske, was kann der eigentlich ändern?
Er trägt im Grunde die Verantwortung, dass die Gesetze eingehalten werden. Er muss dafür sorgen, dass die Instanzen in den Kommunen richtig beraten werden und die Landkreise und Kommunen die Gesetze überwachen. Er ist der entscheidende Akteur.
Was spricht Ihres Erachtens noch für eine Gebührenfreiheit?
Wenn das Land keine Transparenz in den Gebühren herstellen und für die Einhaltung der Gesetze durch die Kommunen Sorge tragen kann, wie das aktuell der Fall ist, dann müssen die Beiträge wegfallen. Vor allem müssen alle Kinder unabhängig vom Wohnort und dem Einkommen der Eltern das gleiche Recht auf Bildung erhalten. Dieser Zugang zu Bildung muss gebührenfrei sein. Betrachtet man dann noch, dass jede Investition in Bildung 400 Prozent Rendite verspricht, dann ist die Frage, warum unser Bundesland die Gebührenfreiheit und eine bessere Qualität noch nicht auf den Weg gebracht hat. Denn genau dort liegt die elementare Investition in die Zukunft Brandenburgs.
Was muss jetzt passieren, um eine Gebührenfreiheit zu erreichen?
In Brandenburg laufen aktuell Haushaltsberatungen. Sowohl SPD als auch LINKE stehen angeblich für eine Gebührenfreiheit und die Mittel sind auch vorhanden. Jetzt müssen beide Regierungsparteien nicht länger sprechen, sondern endlich machen. Dann wäre bereits 2017/2018 ein Einstieg in die gebührenfreie Jüngstenbildung möglich. Es wäre meines Erachtens also adhoc machbar! Das wäre auch eine Chance für die Politik, wieder glaubhaft zu werden und junge Menschen zu binden. Mit Blick auf aktuelle Wahlergebnisse sollte das doch mehr motivieren denn je.
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