Der Ton in Cottbus wird rauer. Andernorts auch.
Das Dilemma um Kitagebühren scheint kein Ende zu nehmen. Zwei weitere Beispiele unserer Beitragsreihe „Luxusartikel Kind“ zeigen, wie verfahren die Lage zwischen den Kommunen auf der einen und den Trägern und Eltern auf der anderen Seite inzwischen ist. Während Cottbuser Eltern im Streit um die Erhöhung der Kitagebühren inzwischen eine Klage vorbereiten, wird der Ton der Stadt gegenüber Kitaträgern rauer. Einige halten sich noch nicht an die neue Gebührenordnung, diesen wurde durch die Stadt nun zum 20. Dezember ein Ultimatum gestellt. Geht es nach der Stadt, sollen diese Träger doch klagen, oder eben die Eltern gegen die Träger. Ein Spiel, bei dem alle verlieren: Eltern und Träger noch mehr Geld, die Stadt ihr Prädikat familienfreundlich. Wir sprachen mit Jörn Meyer, Geschäftsführer der Jugendhilfe Cottbus gem. GmbH, die für ihre Kitas auch noch kein Einvernehmen mit der Stadt hergestellt hat:
Warum sagen Sie zu den neuen Cottbuser Kitagebühren: „Nicht mit uns“?
Ich sage nein, weil das Berechnungsverfahren der Stadt Cottbus nicht gesetzmäßig ist. Es gibt ein gut kommentiertes Kitagesetz für das Land Brandenburg, es gibt Rechtsgutachten und Bundesurteile mit einer eindeutigen Rechtsauffassung. Aus all dem geht hervor, dass ein institutioneller Zuschuss zur Kitafinanzierung der Kommune an die Träger von den Platzkosten abzuziehen ist und den Eltern entsprechend nicht angerechnet werden darf. Das ist ein kurzer Satz für ein komplexes Verfahren, aber Fakt bleibt: die Cottbuser Stadtverwaltung rechnet anders. Weder in der stadteigenen Gebührensatzung noch in den Empfehlungen an die Kitaträger gab es bisher dazu Erläuterungen. Jetzt liegt uns erstmals ein solches Schreiben vor, und es bestätigt uns in der Überzeugung, dass das Berechnungsverfahren der Stadt falsch sein muss. Es geht den Trägern nicht einmal um die Höhe der Gebühren/Entgelte, sondern um ganz grundsätzliche Berechnungsfehler. Im Übrigen: die Stadt Potsdam verfährt gegenüber Trägern ähnlich, dort wurde Klage gegen die Stadt eingereicht. Jetzt will die Stadt Cottbus auch eine Klage durch uns provozieren – für uns viel Arbeitszeit, die wir herzlich gern in eine Qualitätsverbesserung der Kita stecken würden.
Fühlen Sie sich durch das aktuelle Ultimatum der Stadt erpresst?
Ja, ganz klar. Die Stadt Cottbus sagt: macht was wir euch sagen oder wir streichen unsere Zuschüsse, oder sie will uns die Kita gleich ganz wegnehmen. Setzt man das um, was angedroht wird, fehlen uns im Jahr ca. 100.000 Euro beim Betrieb einer Kita. Da wir in vielen anderen Projekten der Jugend- und Familienhilfe Zuschüsse der Stadt erhalten, hat das Vorgehen der Stadt auch seinen Beigeschmack. Wir wollten in den 26 Jahren unserer Existenz immer ein streitbarer Partner für die Stadtverwaltung sein, das wird offenbar immer problematischer. Wir sahen uns nie als Bittsteller und wollen es auch in Zukunft nicht sein!
Warum folgen viele andere Träger der Gebührenerhöhung ohne öffentliches Murren?
Einem Großteil der Träger steht nicht die Kraft oder notwendige Expertise zur Verfügung, um sich diesem Konflikt zu widmen. Teils besteht ein der Not gehorchendes Grundvertrauen in das Handeln der Stadtverwaltung, teils sind Geschäftsführungen der Träger gar nicht in Cottbus ansässig, da gereicht es im Tagesgeschäft nicht zur nötigen Priorität. Man muss wissen, dass Kitas in der Leitungsstruktur (pädagogisch und organisatorisch) sehr schwach ausgestattet sind. Für eine Kita mit 150 Plätzen stehen effektiv 11 Stunden pro Woche für die pädagogische Leitung zur Verfügung und für die organisatorische Sicherung gereicht es gerade einmal zur Finanz- und Personalbuchhaltung. Alles andere erfolgt ohne finanzielle Erstattung. Das kann, vor allem für kleinere Träger, zum großen Dilemma werden. Wenn das bereits angestrebte Gerichtsverfahren der Cottbuser Eltern gegen die Stadt in den nächsten Jahren feststellt, dass Elternbeiträge verkehrt berechnet wurden, müssen diese Träger unter Umständen erhebliche Summen an Eltern zurückzahlen, die diese auf Grundlage des Urteils dann vom Träger zurückfordern könnten. Diese Rücklage ist bei kleinen Trägern aber einfach nicht da. Sie können dann auch nichts gegenüber der Stadt fordern, da sie Einvernehmen hergestellt haben. Das haben viele Träger nicht erkannt, da sehe ich das wirklich aufopferungsvolle Engagement vieler kleiner Träger in großer Gefahr. Die Stadt tut so, als würden viele Träger dem Verfahren aus Überzeugung zustimmen. Das ist Augenwischerei.
Halten Sie die Stadtpolitik in Cottbus noch für familienfreundlich?
Die Stadt ist durch das notorische Defizit geplagt und die die Politik sieht sich fälschlicherweise gezwungen, immer neue Projekte zu finanzieren. Es ist egal, auf welcher Ebene man Bezüge herstellt, Verkehrswegeplanung oder ein ordentliches Bundesteilhabegesetz, Flughafen oder Kitafinanzierung, Stadtmuseum oder Familienförderung. Auch ist die Politik immer öfter bereit, in kostengünstige Kampagnen zu investieren, statt inhaltliche Arbeit zu qualifizieren. Da entstehen schnell Zerrbilder der Wirklichkeit. Zuerst fallen immer die Schwächsten zum Opfer, das sind Behinderte, dann sozial schwache und bildungsferne Haushalte, also immer Personen, die doch auch Respekt verdienen! Freie Träger der Jugend- oder Behindertenhilfe sind davon immer mittelbar betroffen und leiden vor allem unter dem rapide sinkenden öffentlichen Qualitätsanspruch. Nicht alle Politiker schauen darüber hinweg, das ist vielleicht ein Hoffnungsschimmer. Vielleicht stellt ja Politik wieder gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsmöglichkeiten reell her, im örtlichen Jugendhilfeausschuss zum Beispiel und anderswo.
Wir werden auch in der kommenden Februar-Ausgabe zu diesem Thema und den Folgen des Ultimatums der Stadt berichten.